Wie Deflationen entstehen

- und was (nicht nur) die SPD von Brüning gelernt hat

in (19.03.2004)

Problemskizze

Ende des Jahres 2003 ist noch immer nicht ausgeschlossen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, wie zuvor bereits in Japan, in eine Deflation einmündet. Zwar scheinen sich zarte Anzeichen einer konjunkturellen Besserung abzuzeichnen, ob es aber zu einem konjunkturellen Aufschwung kommt, ist nach wie vor unsicher. Doch selbst wenn wir einmal unterstellen, die nunmehr dreijährige Stagnation werde überwunden, so wäre dies nicht etwa das Resultat einer adäquaten Wirtschaftspolitik, sondern einfach nur Glück. Denn die Bundesrepublik hat sich - wie üblich - darauf verlassen, dass andere Länder, wie vor allem die USA, eine antizyklische Wirtschaftspolitik betreiben und so für Deutschland die Funktion der Konjunkturlokomotive übernehmen. Ob allerdings qua Exportsteigerungen die Krise hierzulande überwunden werden kann, ist ungewiss, da die außenwirtschaftlichen Konstellationen nicht von einem Land allein abhängen. Erstens ist unsicher, ob die Wirtschaftspolitik der USA auch tatsächlich den binnenwirtschaftlichen Erfolg bringen und nicht bloß ein Strohfeuer entfachen. Zweitens hängen die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft von der Entwicklung des Wechselkurses ab. Eine massive Aufwertung des Euro kann die preisliche Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen und zum Scheitern einer auf Exportüberschüsse orientierten "merkantilistischen" Politik führen. Drittens schließlich ist es eher unwahrscheinlich, dass die USA auch weiterhin bereit sein werden, Leistungsbilanzdefizite von dreihundert Milliarden US-Dollar und mehr zu akzeptieren. Misslingt aber die exportorientierte deutsche Strategie, dann sind deflationäre Entwicklungen keinesfalls auszuschließen. Denn Bund, Länder und Gemeinden orientieren sich an wirtschaftspolitischen Vorgaben, die deutliche Parallelen zu der Wirtschaftspolitik Brünings aufweisen - auch dann, wenn Finanzminister Eichel erneut gegen das Maastrichtkriterium, wonach die Nettoneuverschuldung des Staates nicht höher als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sein darf, verstößt. Diese These soll im Folgenden näher begründet werden. Dabei kann es nicht darum gehen, die Ursachen der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1932 umfassend zu analysieren. Der Anspruch dieses Artikels ist bescheidener. Es sollen lediglich zwei Fragestellungen verfolgt werden: Erstens soll die These überprüft werden, ob die Bindung der Wirtschaftspolitik an starre Regeln, seien sie nun "von außen" erzwungen oder auf eigenen Wunsch eingeführt, "Sachzwanglogiken" schafft, die für geldgesteuerte Ökonomien dysfunktional sind und unter spezifischen Konstellationen in die Katastrophe führen können. Denn eine regelgebundene Fiskalpolitik, wie sie gegenwärtig durch das Maastrichtkriterium zu implementieren versucht wird und eine regelgebundene Geldpolitik, wie sie durch die Vorgabe einer bestimmten Wachstumsrate der Geldmenge oder eines sehr eng definierten Inflationsziels umgesetzt werden, setzen inhärent stabile ökonomische Rahmenbedingungen voraus, die allen wirtschaftshistorischen Erfahrungen zu widersprechen scheinen. Zweitens soll gezeigt werden, dass die jeweils praktizierte Wirtschaftspolitik selbst dann noch theoretischen Paradigmen folgt, wenn dies den Akteuren nicht bewusst ist. Diesen Gedanken hat Keynes sehr klar formuliert, indem er darauf hinwies, dass "die Gedanken der Ökonomen und Staatsphilosophen, sowohl wenn sie im Recht, als wenn sie im Unrecht sind, einflussreicher (sind), als gemeinhin angenommen wird. Die Welt wird in der Tat durch nicht viel anderes beherrscht. Praktiker, die sich ganz frei von intellektuellen Einflüssen glauben, sind gewöhnlich die Sklaven irgendeines verblichenen Ökonomen" (Keynes 1936: 323). Im Fall der gegenwärtigen rot-grünen Regierungskoalition drängt sich die Vermutung auf, dass sie "Sklavin" des neoklassischen Paradigmas ist und daher Gefahr läuft, eine Politik zu verfolgen, die qualitativ (nicht quantitativ) enge Berührungspunkte zu der Heinrich Brünings aufweist.2 Für dessen Wirtschaftspolitik waren zwei Orientierungen charakteristisch. Zum einen wollte er mit Hilfe einer Politik der Lohn- und Preissenkung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbessern. Zum anderen war er nach Kräften bestrebt, den Staatshaushalt auszugleichen und konjunkturell bedingte Mindereinnahmen und Mehrausgaben durch Ausgabenkürzungen und Einnahmeerhöhungen zu kompensieren. Diese Zielsetzungen entsprechen zentralen wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen aus dem neoklassischen Paradigma. Ohne dies hier im Einzelnen begründen zu können (vgl. hierzu Korsch 1976 sowie Heine/Herr 2003, Kapitel 5), geht die Neoklassik von einem (inversen) Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Beschäftigungsniveau aus, so dass sinkende Reallöhne zu mehr Beschäftigung führen. Des weiteren hält sie einen ausgeglichenen Staatshaushalt für notwendig, da eine Erhöhung der schuldenfinanzierten staatlichen Nachfrage letztlich nur die private Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern verdrängen würde. Eingebettet war die wirtschaftspolitische Ausrichtung Brünings in den seit 1930 völkerrechtlich verbindlichen Youngplan, der die Reparationsverpflichtungen Deutschlands gegenüber den Siegermächten des Ersten Weltkriegs festlegte. Obwohl der Youngplan die Möglichkeiten der Fiskal- und Außenwirtschaftspolitik stark begrenzte, sah sich Brüning veranlasst, dieses Abkommen gleichsam buchstabengetreu einzuhalten (vgl. zum Youngplan Curtius 1950). Denn dank des Youngplans wurden die direkten ausländischen Kontrollen der Wirtschaftspolitik in Deutschland beendet und schließlich die Besetzung des Rheinlands aufgegeben. Außerdem begrenzte er im Unterschied zum vorherigen Dawesplan die Jahre der Reparationszahlungen und legte realistischere Großenordnungen fest. Die jährlichen Zahlungen sollten 59 Jahre lang im Jahresdurchschnitt zwei Milliarden Goldmark betragen. Insofern lag seine Annahme durchaus im Interesse Deutschlands, zumal die Regierung Brüning zu Recht davon ausging, dass auch dieser Plan keine Zukunft haben werde. Um dieses Ziel zu erreichen, versuchte sie die Verpflichtungen unter allen Umständen zu erfüllen. Damit wollte Brüning den Gläubigernationen zeigen, dass Deutschland die auferlegten Leistungen nur um den Preis scharfer Krisen erbringen könne. Zugleich sollte die deutsche Wirtschaft durch drastische Kostensenkungen international so wettbewerbsfähig werden, dass die Gläubigerländer Marktanteile verlieren würden. Brüning hoffte, dass sie angesichts einer solchen Entwicklung auf die Reparationszahlungen verzichten würden, um Deutschland gleichsam zu mäßigen (vgl. Bracher 1980: LXIV sowie Haberler 1976: 234). Dieses Kalkül ging kurze Zeit später tatsächlich auf. Im Juli 1932, also kurz nachdem Brüning die Regierungsverantwortung entzogen worden war, wurde auf der Konferenz von Lausanne vereinbart, dass Deutschland 1935 eine einmalige Zahlung von drei Milliarden Mark zu leisten habe und damit die Reparationsleistungen erfüllt worden seien. Die Zahlungen selbst waren sogar schon 1931 aufgeschoben worden. Aber auch die Siegermächte hatten ihre Gründe, dem Youngplan zuzustimmen. Denn der bis 1929 gültige Dawesplan erfüllte ihre Erwartungen nicht. Zwar wurden die vorgesehenen Beträge transferiert, aber Deutschland gelang es nicht, zu einer positiven Leistungsbilanz zu kommen. Damit wurden weitere Zahlungen zunehmend fragwürdig. Deshalb kam es nicht zuletzt auf Betreiben des sogenannten Reparationsagenten, Parker Gilbert, zu einer Revision des Dawesplans, um eine realistischere Zielsetzung zu erreichen. Den Interessenlagen der Gläubiger entsprach auch die Beibehaltung des Goldwerts der Reichsmark, die völkerrechtlich verbindlich im Youngplan festgeschrieben wurde (Haberler 1976: 234). Denn dadurch war es für Deutschland ausgeschlossen, über eine Abwertung der eigenen Währung zu einer positiven Leistungsbilanz zu kommen (ebd.: 215ff). Gleichzeitig wurde so einer inflationär wirkenden Geldpolitik ein Riegel vorgeschoben. Da die von der Reichsbank emittierte Geldmenge zu 40% durch Gold oder ausländische Devisen gedeckt sein musste, war eine konjunkturpolitisch aktive Geldpolitik ebenso ausgeschlossen wie die Finanzierung der Staatsverschuldung durch die Notenpresse (vgl. James 1998: 54ff sowie Grotkopp 1954: 191ff).

Brüning unter "Sachzwang"

Für Deutschland ergab sich somit der Zwang, ohne Abwertung zu einer positiven Leistungsbilanz zu kommen, um die Reparationszahlungen leisten zu können. Die positive Leistungsbilanz war auch deshalb notwendig, um nicht länger von den Kapitalimporten aus dem Ausland abhängig zu sein. Die Auslandsverschuldung hatte stetig zugenommen. Sie belief sich Ende 1930 auf das Zweieinhalbfache der bis dahin geleisteten Reparationszahlungen, nämlich auf rund 26 Mrd. Reichsmark. Drei Fünftel dieser Summe bestand aus kurzfristigen Kapitalanlagen (Stucken 1976: 279) und konnte bei politischen oder ökonomischen Krisen, wie beispielsweise im Frühjahr 1929, im September 1930 oder Mitte 1931, sehr schnell wieder abgezogen werden. Dadurch geriet Deutschland jedes Mal erheblich unter Druck (ebd.: 262ff sowie Irmler 1976: 284ff) und wurde zu einer Hochzinspolitik gezwungen, die konjunkturpolitisch natürlich nicht in die Landschaft passte (Balderston 2002: 63ff sowie James 1998: 54ff). Des weiteren wurden auch die fiskalpolitischen Spielräume durch den Young-Plan eingeengt (wie dies auch schon beim Dawesplan der Fall war). Denn das Reichsbankgesetz, das ein integraler Bestandteil des Young-Plans war, verbot eine Kreditausweitung an den Staat in nennenswertem Umfang (Korsch 1976: 112). Allemal waren einer Verschuldungspolitik durch die Golddeckung der Reichsmark enge Grenzen gesetzt. Hinzu kam, dass die vorangegangene Hyperinflation zu einem erheblichen Vertrauensverlust in die Geld- und Fiskalpolitik des Deutschen Reichs geführt hatte, so dass steigende Defizite schnell als Wiedereinstieg in die Inflation gedeutet werden konnten. Dem entspricht, dass die Kapitalflucht, mit der sich Deutschland immer wieder konfrontiert sah, vor allem durch Inländer initiiert worden ist, die ihr Geld in einen "sicheren Hafen" bringen wollten (James 1986: 298ff). Diese Skizze zeigt, dass für die deutsche Regierung ein äußerst harter ökonomischer "Sachzwang" bestand, der sämtliche Freiheitsgrade der Geld- und Fiskalpolitik scheinbar aufhob. Zugleich zeigt sich so recht anschaulich die Kernstruktur solcher "Sachzwänge". Sie ergeben sich selbstverständlich nicht aus einer gleichsam naturgesetzlichen Logik, sondern sind Ausdruck von politischen, also von Menschen etablierten Konstellationen. Damit sind sie grundsätzlich veränderbar. Insofern spiegeln sie vor allem die mit Hilfe der vorherrschenden Theorien reflektierten Interessen und Erfahrungen der beteiligten Akteure wider. In diesem Fall wäre der "Sachzwang" beispielsweise durch die rechtzeitige Streichung der Reparationszahlungen und den Verzicht auf die Golddeckung der Reichsmark aufgehoben worden. Allerdings existieren in allen Gesellschaftsformationen jeweils unterschiedliche wirtschaftspolitische Restriktionen, die sich aus der ökonomischen Logik dieser Formationen ergeben. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen. Eine Steuerung ökonomischer Prozesse über Geld, wie dies in entwickelten kapitalistischen Ökonomien üblich ist, kann nur gelingen, wenn dieses Geld im Wesentlichen wertstabil ist. Hierfür muss vor allem mit Hilfe der Geldpolitik der Zentralbank gesorgt werden. Eine weitere Restriktion ergibt sich für die Lohnpolitik. Sie sollte produktivitätsorientiert sein, also die Produktivitätsfortschritte plus Zielinflationsrate zu Einkommensverbesserungen nutzen. Tarifabschlüsse oberhalb dieser Marge provozieren inflationäre und Abschlüsse unterhalb deflationäre Prozesse (vgl. Grafik 1). In Fällen dieser Art ist man mit formationsspezifischen Zwängen konfrontiert, die solange ins wirtschaftspolitische Kalkül einzubeziehen sind, wie man mit der herrschenden kapitalistischen Produktionsweise nicht brechen möchte. Sie ergeben sich aus dem Umstand, dass wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht die Kohärenz der jeweiligen Ökonomie gefährden dürfen. Freilich hatten die Zwänge, mit denen sich Brüning konfrontiert sah, mit formationsspezifischen Zwängen nichts zu tun. Hat man sich also, wie die Regierung Brüning, erst einmal auf die Einhaltung in diesem Fall des Young-Plans mit allen Konsequenzen festgelegt, dann scheint eine Deflationspolitik alternativlos zu sein. Denn erstens benötigte man einen Leistungsbilanzüberschuss, um die Reparationsleistungen finanzieren und Kapitalimporte begrenzen zu können. Da Abwertungen ausgeschlossen waren, musste die preisliche Wettbewerbsfähigkeit mit Hilfe von Kostensenkungen erhöht werden (Korsch 1976: 29). Aus diesem Grunde kam es im Verlauf des Jahres 1930 zwischen Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zu Verhandlungen über die anzustrebende Tarifpolitik. Man versuchte die Gewerkschaften zu bewegen, Lohnkürzungen zu akzeptieren, da diese durch Preissenkungen kompensiert werden würden (Bracher 1980: LXIVf). Da diese Verhandlungen zu scheitern drohten, setzte Brüning mit Hilfe von Notverordnungen die angestrebten Lohnsenkungen durch. Zunächst kam es zu Gehaltskürzungen bei den Beamten. Allerdings sollten sie den Einstieg für Lohnsenkungen auch in der Privatwirtschaft darstellen (Hömig 2000: 246). Die Einkommenskürzungen der Beamten beliefen sich auf ca. 10-18%. Ende 1931 wurden die Einkommenstarife in der Privatwirtschaft auf das Niveau von 1927, höchstens aber um 10-15% gekürzt und eine weitere Absenkung der Beamtengehälter um 9% angeordnet. Der Tarifstundenlohn für männliche Facharbeiter fiel von rund einer Reichsmark 1929 auf 78,6 Pfennig 1933 (Hömig 2000: 246ff sowie Irmler 1976: 313ff).

Die wirtschaftlichen Konsequenzen

Der Vorschlag Brünings, dieser Lohnsenkungspolitik die soziale Härte durch Absenkungen der Güterpreise zu nehmen, war keine Propaganda. Brüning versuchte tatsächlich eine "Parallelpolitik" durchzusetzen, indem er qua Notverordnungen gleichzeitig zahlreiche Preise senkte. Dies galt insbesondere für die Preise zahlreicher Markenartikel und für die Preise der Güter aus kartellierten Branchen (Hömig 2000: 254f). Allerdings hat diese Parallelpolitik in keiner Weise funktioniert, sondern eine nicht mehr zu kontrollierende Deflationsdynamik eingeleitet. Der Preisindex für Lebenshaltung fiel von rund 154 im Jahre 1929 auf 118,5 im Jahr 1933 (Irmler 1976: 313). Noch stärker fiel der Großhandelspreisindex und zwar von rund 139 im Februar 1929 auf knapp 91 im April 1933 (Grotkopp 1954: 51). Ein solcher Prozess führt bei den Unternehmen selbst dann zu Gewinneinbußen und schließlich zu Verlusten, wenn die Löhne und Gehälter sinken. Denn erstens geht ein sinkendes Preisniveau mit Nachfragerückgängen einher, da es für Haushalte wie Unternehmen rational ist, geplante Käufe aufzuschieben, wenn morgen billiger eingekauft werden kann als heute. Zweitens bleiben auch in der Deflation bestimmte Kosten stabil beziehungsweise steigen real sogar, so dass rückläufige Umsätze zu Verlusten führen müssen. Dies gilt beispielsweise für die Abschreibungen auf Anlagen, die zu den vorherigen, höheren Preisen erworben wurden oder für den Schuldendienst, der selbst bei nominal unveränderten Zinssätzen mit sinkendem Preisniveau real ansteigt (vgl. dazu den Aufsatz von Hansjörg Herr in diesem Heft). Es zeigt sich hier sehr anschaulich, dass es keinen Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Beschäftigungsniveau gibt, wie dies (nicht nur) von Brüning behauptet wurde (Hömig 2000: 247). Allerdings gibt es eine enge Korrelation zwischen Lohnhöhe und Preisniveau (vgl. Grafik 1). Lohnsenkungen erhöhen nicht das Beschäftigungsniveau, sondern führen in die Deflation. Dies ist an sich wenig überraschend. Denn Löhne stellen wie Zinsbelastungen oder Mietzahlungen für die Unternehmen einen Kostenfaktor dar. Sinken die Lohnkosten, so werden die Unternehmen über den Wettbewerb gezwungen, die gesunkenen Kosten an die Preise weiterzugeben. Die Ökonomie droht in die Deflation zu rutschen. Umgekehrt verhält es sich bei allgemeinen Lohnerhöhungen, die über die Produktivitätszuwächse hinausgehen: es erhöhen sich die Kosten für die Unternehmen und da deren Preise bei Strafe des Bankrotts die Kosten decken müssen, führen solche Lohnerhöhungen zu Preisanhebungen und somit zu inflationären Tendenzen. Selbstverständlich kann das Preisniveau auch steigen, weil es einen Nachfrageüberhang gibt. Allerdings führen nur die sogenannten Lohn-Preis-Spiralen zu kumulativen Prozessen; insofern sind sie für Preisniveauveränderungen relevanter als "Nachfrageinflationen" (vgl. Heine/ Herr 2003, Kap. 4.5). Zweitens wurde die Deflationsdynamik durch die Sparpolitik der Regierung Brüning beschleunigt. Deren Bemühungen, den Staatshaushalt schuldenfrei auszugleichen, resultierten, wie gezeigt wurde, insbesondere aus den institutionellen Rahmenbedingungen (aber auch aus den Erwartungen der inflationsaversen Bevölkerung) des Youngplans und der Golddeckung der Währung. Das Problem besteht in diesem Fall darin, dass sich die ökonomische Realität nicht um die institutionellen Arrangements kümmert. Denn die Wucht der Krise führte zu unvermeidlichen staatlichen Budgetdefiziten, indem konjunkturbedingt die Steuereinnahmen zurückgingen und die Ausgaben für die Sozialpolitik, vor allem für die sogenannte Erwerbslosenfürsorge anstiegen (Bracher 1980: LXVIf). Trotz der geradezu verzweifelten Sparanstrengungen Brünings blieb das Budget während der Krise defizitär (Balderston 2002: 88ff). Gleichzeitig verschärften die Konsolidierungsbemühungen die Krise, da die Ausgabenkürzungen des Staates zu Einnahmeverlusten bei den übrigen Wirtschaftssubjekten führten. Anstatt nun die konjunkturbedingten Defizite zu akzeptieren und die automatischen Stabilisatoren (d.h. die konjunkturstabilisierende Effekte der von der Konjunktur unabhängigen Staatsausgaben) wirken zu lassen, wurde versucht, mit Hilfe von Ausgabenkürzungen und Mehreinnahmen Nettoneuverschuldungen zu vermeiden oder doch zumindest zu begrenzen. So wurde bereits im Juli 1930 mit Hilfe von Notverordnungen durchgesetzt, dass die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 3,5 auf 4,5% des Bruttolohns angehoben wurden. Mit der folgenden Notverordnung wurden die Beiträge auf 6,5% erhöht und zugleich wurden Dauer und Höhe der Zuwendungen gekürzt. Des weiteren wurden Einkommenssteuerzuschläge und neue Steuern erhoben, aber die Umsatz-, Grund- und Gewerbesteuer gesenkt. Insgesamt sanken die staatlichen Ausgaben für Waren und Dienstleistungen von rund 12 Mrd. Reichsmark 1929 auf etwa 8 Mrd. Reichsmark 1932, die öffentlichen Transferzahlungen von etwa 10 Mrd. auf rund 8 Mrd. Reichsmark (Balderston 2002: 80). Bemerkenswert ist auch, dass die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden durch Kürzungen der Transfers und Mindereinnahmen stark beschnitten wurden. Die Gemeinden antworteten damals (wie heute) auf die finanzielle Misere mit deutlichen Kürzungen bei den Investitionen (James 1986: 97ff). Mit jeder dieser Maßnahmen verschärfte sich die Krise. Dieses Ergebnis kann eigentlich nur neoklassisch inspirierte Autoren überraschen. Denn konjunkturelle Krisen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass die private Investitionsnachfrage sinkt. In der Weltwirtschaftskrise lagen die Investitionen sogar unterhalb der Abschreibungen (Balderston 2002: 80). In einer solchen Situation ist nicht damit zu rechnen, dass ein Anstieg der Nachfrage nach Konsumgütern die aggregierte Gesamtnachfrage stabilisiert. Denn die sprunghafte Zunahme der Arbeitslosigkeit und drastische Lohnkürzungen reduzieren die Nachfrage der privaten Haushalte, was auch tatsächlich geschah (Balderston 2002: 80). Wenn nun auch noch die staatliche Nachfrage zurückgefahren wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass "der Damm bricht". Auch eine Exportorientierung droht in diesem Fall zu scheitern, da die übrigen Nationen vor dem Hintergrund der Krise ihre Importe zu drosseln suchen. Zwar wurde die Leistungsbilanz Deutschlands ab 1931 positiv (Irmler 1976: 291), allerdings nur, weil die Importe wertmäßig noch schneller zurückgingen als die Exporte (Balderston 2002: 78). Bekanntlich waren die Ergebnisse dieser Politik katastrophal. Einige Stichworte mögen reichen:3 - Der reale Bruttowert der Industrieproduktion sank von seinem Höchstwert im Jahre 1928 bis 1932 um deutlich mehr als 50%. - Allein zwischen Oktober 1929 und Oktober 1930 sank die Beschäftigung in der Industrie um 17%. - Die Zahl der bei den Arbeitsämtern registrierten Arbeitslosen stieg von 1,8 Mio. Ende Januar 1928 auf 6 Mio. Ende Februar 1932. Faktisch belief sich die Zahl auf 7 bis 8 Mio. und umfasste etwa ein Drittel aller Erwerbspersonen. - Der Außenhandel sank von 1929 bis 1933 von 13,6 auf 4,9 Mrd. Reichsmark. Ähnlich wie heute hing damals jeder dritte Arbeitsplatz in der Industrie vom Export ab. - Lagen die Aktienkurse 1929 im Durchschnitt bei einem Wert von 148, so lagen sie 1932 noch bei 54. Angesichts der faktischen Ergebnisse dieser Politik fragt man sich, warum das Kabinett Brüning nicht zurück "gerudert" ist. Die Beantwortung dieser Frage ist bis heute umstritten, vor allem bei der Bewertung der Spielräume, die Brüning (nicht) zur Verfügung standen (vgl. Balderston 2002). Unstrittig allerdings ist, dass die als Sachzwänge wahrgenommenen innen- und außenpolitischen Konstellationen ihn zu einer Politik geführt haben, die die Abwärtsspirale objektiv verschärft hat. Denn erstens haben die Lohnkürzungen nicht etwa die Arbeitsmärkte belebt, sondern die Deflation beschleunigt. Zweitens haben die erfolglosen Bemühungen, das Staatsbudget auszugleichen, automatische Konjunkturstabilisatoren außer Kraft gesetzt und so die Krise verschärft. Drittens schließlich ist es nicht gelungen, die Reichsbank faktisch zu einer funktionalen Geldpolitik zu bewegen. Weder hat sie den Bankensektor zu Beginn der Weltwirtschaftskrise stabilisiert und so die Funktion des "lenders of last resort" wahrgenommen, noch hat sie einen Beitrag zur Finanzierung zumindest konjunkturbedingter Budgetdefizite geleistet. Sicherlich waren die Golddeckungsvorschriften und institutionelle Beschränkungen hierfür hinderlich, doch wie man unmittelbar nach der Absetzung Brünings sehen konnte, kein unüberwindbares Hindernis. Allemal aber haben die ökonomischen Prozesse auf wie auch immer begründeten "Sachzwanglogiken" nicht die geringste Rücksicht genommen, sondern in die Katastrophe geführt. "Es war eine jener Schicksalsstunden, in denen das geschriebene Recht, an das sich die Verantwortlichen in Reichsbank und Reichsregierung gehalten haben, in erkennbaren Widerspruch zu den wirtschaftlichen und letztlich auch politischen Notwendigkeiten geriet" (Irmler 1976: 290).

Rot-grüne Schlussfolgerungen aus der Katastrophe

Die Lehre aus diesen verhängnisvollen Erfahrungen sollte eigentlich sein, dass sich eine Regierung geld- und fiskalpolitisch nicht unnötig die Hände binden sollte. Denn regelgebundene Politiken sind nur möglich, wenn Märkte tatsächlich endogen stabil wären und wenn Störungen stets nur aus "exogenen Schocks" bestehen würden, nach denen die Märkte aber wieder von sich aus ins Gleichgewicht finden würden. Sind indes Krisen die Erscheinungsform inhärent instabiler Prozesse in einer prinzipiell unsicheren Welt, die durchaus auch zu kumulativen Fehlentwicklungen führen können, dann bedarf es geld- und fiskalpolitischer Spielräume. Denn so wenig, wie ein Segler unabhängig vom Wetter immer das gleiche Segel aufspannen darf, so wenig darf sich Wirtschaftspolitik dann an starre Regeln binden. Diese Lehre ist freilich im Laufe der Jahrzehnte wieder verloren gegangen. Der Hintergrund dafür liegt unter anderem im Wiedererstarken neoklassischen Denkens. Da die meisten Vertreter dieses Paradigmas fest an die endogene Stabilität von Märkten glauben, sehen sie in politisch diskretionären (d.h. fallabhängigen) Entscheidungen eine zentrale Quelle für wirtschaftliche Krisen. Die Lösung wäre dann eine Regelbindung der Politik. Sie wird seit einigen Jahren wieder verstärkt für die Geld- und Fiskalpolitik gefordert. Unstrittig hatte sich Brüning wirtschaftspolitisch an neoklassischen Empfehlungen orientiert: Lohnsenkungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, ein ausgeglichenes Staatsbudget und eine regelgebundene Geldpolitik entspringen deren Repertoire. Ob Brüning sich bewusst von diesem Paradigma hat leiten lassen, oder ob er in der obigen Diktion von Keynes ein "Sklave" war, ist für den hier interessierenden Zusammenhang unwichtig. Unstrittig hat er die Strukturzusammenhänge einer geldgesteuerten Ökonomie theoretisch fehlerhaft erfasst und dadurch die inhärent krisenhaften Prozesse wirtschaftspolitisch massiv verschärft.4 Damit ist das Verbindungsglied zur aktuellen Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland gelegt. Am Beispiel der rot-grünen Bundesregierung und des rot-roten Berliner Senats lässt sich anschaulich zeigen, dass sich auch diese Koalitionen von neoklassischen Grundsätzen leiten lassen. Allerdings besteht zwischen der damaligen Regierung und den heutigen Koalitionen ein entscheidender Unterschied: Während sich Brüning ohne Zweifel in einer Situation befand, die aufgrund des völkerrechtlich verbindlichen Young-Plans und der damit verbundenen Golddeckung der Reichsmark sowie der Probleme eines deficit spending keine Alternative zu seiner Politik zuzulassen schien, orientieren sich die heutigen Koalitionen aus Überzeugung an den Empfehlungen neoklassischer Provenienz. Bekanntlich sieht die Bundesregierung erheblichen Reformbedarf, den sie vor allem mit Hilfe der Agenda 2010 abbauen will (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2003). Einen zentralen Stellenwert nehmen in diesem Kontext die Gesundheits- und die Rentenreform ein, mit denen vor allem die Beitragssätze und damit die sogenannten Lohnnebenkosten gesenkt werden sollen. Damit soll - wie damals schon - die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erhalten und letztlich bestehende Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden. Diesem Ziel dient dem Vernehmen nach auch die von der Bundesregierung geforderte Öffnung der Tarifverträge. "Ich erwarte, dass sich die Tarifparteien auf betriebliche Bündnisse einigen, wie das in vielen Branchen bereits der Fall ist. Geschieht dies nicht, wird der Gesetzgeber zu handeln haben", so Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner sogenannten Reformrede vom 14.3.2003 (Tagesspiegel vom 6.12.2003, S. 15). Die Möglichkeit, Lohneinbußen auf betrieblicher Ebene zu beschließen, soll helfen, angeschlagene Unternehmen zu retten. Demnach vermutet die Bundesregierung einen (inversen) Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Beschäftigungsniveau und erweist sich somit als gelehrige Schülerin der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie. Nimmt man als erste Annäherung die Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise, so deutet nichts auf diese Form der Korrelation hin. Denn seinerzeit haben die Lohnsenkungen keinesfalls zur Vollbeschäftigung, sondern in die Deflation geführt. Auch die empirischen Erfahrungen beispielsweise seit den achtziger Jahren für die Bundesrepublik Deutschland zeigen, dass die Lohnentwicklung, gemessen als Lohnstückkostenentwicklung5, das Preisniveau und nicht das Beschäftigungsniveau determiniert hat. Daher kann es aus einer keynesianischen Perspektive auch nicht überraschen, dass der trendmäßig ausgesprochen schwache Anstieg der Lohnstückkosten seit 1994 eben keine Beschäftigungsimpulse, sondern Deflationsgefahren angestoßen hat. Waren die Bemühungen Brünings, mit Hilfe einer Politik der Lohnsenkung zu einer positiven Leistungsbilanz zu gelangen, gemessen am Ergebnis, verhängnisvoll, so waren sein Ansatz doch nachvollziehbar. Dies gilt für die entsprechenden Versuche von Rot-Grün freilich nicht. Die deutschen Handelsbilanzüberschüsse bewegen sich auf Rekordniveau und selbst die Leistungsbilanz ist, trotz beispielsweise der immensen Ausgaben für Tourismus und für Transfers an internationale Organisationen, wieder positiv. Deutschland hat kein Wettbewerbsproblem, im Gegenteil: "Der deutsche Außenhandel ist seit Beginn der Währungsunion insgesamt betrachtet kräftig gestiegen. ... Durch das vergleichsweise rasche Exportwachstum konnte Deutschland seinen realen Weltmarktanteil im Außenhandel seit Beginn der Währungsunion weiter leicht ausbauen. Von 1998 bis 2002 stieg dieser um etwa einen Prozentpunkt auf 10,5 Prozent, nachdem er sich bereits in den drei Jahren davor von seinem 1995 verzeichneten Tiefpunkt erholt hatte." (Deutsche Bundesbank 2003: 17f). Wenn aber der "Exportweltmeister" den Gürtel enger schnallt, dann zwingt er die weniger erfolgreichen Länder faktisch in eine Deflationspolitik. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass Deutschland nicht über, sondern unter seinen Verhältnissen lebt und als "Störenfried" der Weltwirtschaft auftritt. Berührungspunkte zwischen der "rot-grünen" und der Brüning-Regierung existieren auch im Hinblick auf das Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts, auch wenn die gegenwärtige Regierungskoalition die automatischen Stabilisatoren stärker wirken lässt als dies unter Brüning der Fall war. Obwohl, wie noch zu zeigen sein wird, die konjunkturelle Entwicklung seit 2001 es Rot-Grün nicht ermöglicht, die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen, hält die Koalition hartnäckig am Ziel eines ausgeglichenen Haushalts fest und scheut sich nicht, auch in der Krise prozyklische Maßnahmen durchzusetzen. Diese Politik der Haushaltskonsolidierung wird seit 1996 mit Nachdruck verfolgt. Im Ergebnis ist das Defizit des Bundeshaushalts von 123 Mrd. DM 1996 auf 47 Mrd. DM (2000) gesunken (DIW 2001: 21). Dadurch konnte die gesamtstaatliche Defizitquote von 3,4% auf 1,3% zurückgeführt werden (DIW 2002: 121f). Da ein Großteil der staatlichen Ausgaben gesetzlich fixiert und folglich zumindest kurzfristig nicht veränderbar ist, werden die Sparbemühungen des Staates vor allem an den Ausgabenentwicklungen für Investitionen gut sichtbar. In den siebziger Jahren pendelten die öffentlichen Investitionen zwischen 4,5% und knapp 3,5% des nominalen BIP. In den achtziger Jahren belief sich dieser Wert auf durchschnittlich etwa 2,5%. Rot-Grün hat ihn mittlerweile auf etwa 1,5% abgesenkt und hält damit im europäischen Vergleich die "rote Laterne" (DIW 2003d: 558f). Begründet wird diese Politik unter anderem mit der letztlich notwendigen Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts der Europäischen Währungsunion. Diese Regelbindung wurde vor allem auf Druck der damaligen CDU-FDP-Koalition und mit starker Unterstützung der gegenwärtigen Regierungsparteien gegen den Willen anderer Mitgliedsstaaten durchgesetzt. Sie spiegelt insofern politische Willensbekundungen, aber weder einen formationsspezifischen Zwang noch - wie bei Brüning - von außen gesetzte Restriktionen wider. Der Pakt sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten grundsätzlich einen ausgeglichenen oder überschüssigen Gesamthaushalt anzustreben haben. Jährlich müssen sie ein Stabilitätsprogramm vorlegen, aus dem hervorgeht, wie und bis wann dieses Ziel erreicht werden kann. Als Obergrenze für eine zeitweilige Nettoneuverschuldung wurden 3% vom BIP festgelegt. Überschritten werden darf diese Obergrenze grundsätzlich nur bei einer schweren Rezession, die mit einem Minuswachstum von 2% definiert wurde. Verfehlungen gegen die Regelungen können bestraft werden. Die Strafmaßnahmen reichen von unverzinslichen Einlagen zwischen 0,2% und 0,5% des BIP bei der Europäischen Zentralbank bis hin zur Überführung der Einlagen in eine Geldbuße, falls das Defizit nicht innerhalb von 2 Jahren zurückgeführt wird. Durch die Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes wurde das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts durch Rot-Grün später explizit festgeschrieben. Nun ist gegen einen zyklusübergreifenden ausgeglichenen Haushalt unter den Aspekten von Nachhaltigkeit, Verteilungsgerechtigkeit und Wiedergewinnung fiskalpolitischer Spielräume gewiss nichts einzuwenden (vgl. Betz 2001: 162ff). Theoretische Überlegungen und empirische Befunde zeigen allerdings, dass Konsolidierungserfolge nur über ein kräftiges Wirtschaftswachstum, das zu sinkenden Ausgaben vor allem bei den Sozialversicherungen und steigenden Steuereinnahmen führt, erzielt werden können (vgl. DIW 2002a: 427ff). Ausgabenkürzungen, vor allem, wenn so konjunkturell bedingte Defizite ausgeglichen werden sollen, sind indes kein probates Mittel einer Konsolidierungspolitik, da sie die Krise verschärfen und so Defizite perpetuieren. Gegen diese Erkenntnis hatte Brüning mit fatalen Konsequenzen immer wieder verstoßen. Damals wie heute zeigt sich, dass Regierungen Budgetdefizite nicht kontrollieren können, nicht einmal dann, wenn sie dies nach Kräften versuchen. Denn ein erheblicher Anteil der Einnahmen und Ausgaben sind konjunkturabhängig und damit aus der Sicht der Regierungen nicht steuerbar. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen. Im Stabilitätsprogramm vom Oktober 2000 ist die Bundesregierung noch von einem Defizit in Höhe von 1,5% des BIP für das Jahr 2001 ausgegangen. Diese Prognose schien insofern realistisch, als ausnahmslos alle Sachverständigen von einer weitaus günstigeren konjunkturellen Entwicklung ausgegangen waren als diejenige, die sich dann tatsächlich durchsetzte (DIW 2002b: 580). Folgerichtig pendelte sich das Defizit nicht auf 1,5%, sondern auf 2,8% ein (vgl. Tabelle 1).6 Auch in den Folgejahren blieb die Nettoneuverschuldung aufgrund der schleppenden Konjunktur hoch. Mit 3,6% im Jahre 2002 und sogar 4,3% im Folgejahr wurde die Messlatte des Stabilitäts- und Wachstumspakts deutlich gerissen. Tabelle 1
2000 2001 2002 2003
Wachstum des realen BIP gegenüber Vorjahr in Prozent 2,9 0,6 0,2 0,0
Nettoneuverschuldung in Prozent des BIP -1,4 -2,8 -3,6 -4,3
Quelle: DIW 2003 und 2003b Die Bundesregierung wollte diesen Trend nach Kräften stoppen. Daher verabschiedete sie verschiedene Programme zur Senkung der Ausgaben und zur Erhöhung der Steuereinnahmen. Beispielsweise hat sie versucht, 2003 einen Betrag von 17,7 Mrd. Euro durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen für die Konsolidierung zu mobilisieren. Für 2004 ist ein Betrag von 10,3 Mrd. Euro vorgesehen (vgl. DIW 2003b: 261). Trotzdem gelang der Konsolidierungskurs unter den Bedingungen der wirtschaftlichen Stagnation erwartungsgemäß nicht. Vor diesem Hintergrund kommt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zu Recht zu der Einschätzung, dass "immer mehr sichtbar wird, in welch hohem Maße die Entwicklung der öffentlichen Haushalte Reflex des Konjunkturverlaufs ist. Unter dieser Voraussetzung gleicht mitunter das Bemühen, die Defizite durch verstärkte Sparmaßnahmen zu begrenzen, dem Versuch, mit einem Sieb Wasser zu schöpfen" (DIW 2003a: 447). Obwohl sich ab Mitte 2002 zunehmend die Gefahr einer deflationären Entwicklung abzeichnete (vgl. IMF 2003 oder DIW 2003), veränderte die Bundesregierung ihren fiskalpolitischen Schlingerkurs der Konsolidierungsbemühungen bei nur teilweiser Akzeptanz konjunkturbedingter Defizite nicht. Diese Entwicklung zeigt, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt auch dann nicht sachadäquat ist, wenn man ein ausgeglichenes Budget zyklusübergreifend anstrebt. Denn Budgetdefizite sind vor allem ein Ergebnis des Marktgeschehens. Daher sollten konjunkturbedingte Defizite ohne Wenn und Aber zugelassen und erst bei einem Wachstum oberhalb des Trends wieder ausgeglichen werden. So haben sich beispielsweise die USA und England Anfang der neunziger Jahre verhalten als sie Budgetdefizite von rund 5 bzw. 8% zugelassen haben und in der zweiten Hälfte dieser Dekade deutliche Budgetüberschüsse erzielen konnten. Des weiteren ist die Regelung, wonach erst bei einem Minuswachstum von 2% die Obergrenze für die Nettoneuverschuldung verletzt werden darf, wenig plausibel. Denn sie verlangt, dass Regierungen bei kleineren Krisen notfalls so lange in die Krisen hinein sparen, bis sie sich zu großen entfaltet haben. Zur Verdeutlichung: Wenn wir realistischerweise von einem Trendwachstum bei der Produktivität von 2% ausgehen und ein Minuswachstum beim BIP von 2% unterstellen, dann sinkt die Beschäftigung um immerhin 4%, ohne dass gegengesteuert werden darf. Am Rande sei erwähnt, dass die Festlegung auf drei Prozent vom BIP als Obergrenze der Neuverschuldung ökonomisch betrachtet willkürlich ist. Eine Konsolidierungspolitik muss demnach anders modelliert werden. Erfolgversprechender wäre es, die diskretionären Gesamtausgaben des Staates so zu begrenzen, dass sie auch im konjunkturellen Aufschwung nicht erhöht werden dürfen. Wenn man gleichzeitig auf Steuersenkungen verzichtet, dann setzen sich Konsolidierungserfolge im Aufschwung automatisch durch. Unklar bleibt allemal, warum Rot-Grün auf eine Politik der Steuersenkungen setzt, wenn sie die Neuverschuldung begrenzen möchte. Denn die erhofften Wachstumsimpulse sind unsicher, da in Konsum- und Investitionsentscheidungen mehr Parameter als nur Steuersätze eingehen. Daher gibt es auch keinen empirischen Zusammenhang zwischen Steuersätzen und Wirtschaftswachstum (vgl. Hein u.a. 2003 sowie DIW 2002c). Selbst unter einem konjunkturellen Aspekt ist es günstiger die staatlichen Einnahmen und Ausgaben stabil zu halten, als die Steuern zu senken. Denn Steuersenkungen führen zu Ausgabenkürzungen des Staates in gleicher Höhe, wenn die Verschuldung nicht erhöht werden soll. Man könnte glauben, es handele sich um ein Nullsummenspiel: Die Privaten geben dank der Steuersenkungen den Betrag zusätzlich aus, den der Staat einspart. Dem ist nicht so. Denn die Privaten sparen einen Teil der so entstehenden Einkommenserhöhung. Dieser Teil wird somit nicht nachfragewirksam. Dieser Effekt ist um so stärker ausgeprägt, je stärker man die Einkommen der besser Verdienenden entlastet. Der Staat hingegen hätte dieses Geld vollständig ausgegeben, so dass es gesamtwirtschaftlich zu einem Nachfrageausfall in Höhe der privaten Ersparnisse kommt. Dieser Effekt ist in den Wirtschaftswissenschaften als Haavelmo-Theorem bekannt. Wie die Tabelle 1 zeigt, spitzte sich die finanzielle Lage ab 2001 konjunkturbedingt wieder zu. Leidtragende waren vor allem die Bundesländer und die Gemeinden. So stiegen die Fehlbeträge der Bundesländer von rund 10 Mrd. Euro im Jahr 2000 auf knapp 27 Mrd. Euro (DIW 2002b: 581). Die finanzielle Lage des Bundes blieb im Wesentlichen stabil. Dieser Abwälzungsprozess wiederum führte dazu, dass sich die finanzielle Situation der Länder und Gemeinden zuspitzte. Die Gemeinden reagierten auf diese Entwicklung wie in den Jahren der Weltwirtschaftskrise, indem sie ihre öffentlichen Investitionen kürzten. Die Rückwirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung waren erheblich, da die Gemeinden etwa zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen tätigen.

Rot-rote Sparpolitik in der Krise

In ihrer Not haben Länder und Gemeinden des weiteren zu fiskalpolitischen Maßnahmen gegriffen, die die Deflationsgefahren nochmals deutlich erhöht haben. Dies soll am Beispiel Berlins abschließend konkretisiert werden. In diesem Rahmen wird ausschließlich auf die Haushaltspolitik in Berlin eingegangen. Nicht berücksichtigt werden demnach die schweren konjunkturellen und strukturellen Krisen und deren Widerspiegelung auf dem Arbeitsmarkt. Durch die Konsolidierungsbemühungen des Bundes wurden bereits in der ersten Hälfte der 1990er Jahre die Zuwendungen an den Berliner Haushalt deutlich zurückgeführt. Erhielt Berlin 1991 vom Bund noch als "Berlin-Hilfe" und im Rahmen des Fonds deutscher Einheit jährlich rund 20 Mrd. D-Mark, so beliefen sich die Zuschüsse einschließlich der Gelder aus dem Länderfinanzausgleich Mitte der neunziger Jahre noch auf etwa 11 Mrd. D-Mark. Vor allem ab der zweiten Hälfte der neunziger Jahre wurde deutlich, dass Berlin - zum Teil, wie insbesondere die Affäre um die Bankgesellschaft Berlin zeigt, hausgemacht, zum Teil unverschuldet - in eine Verschuldungsspirale geriet, der sie aus eigener Kraft mit Sicherheit nicht würde entrinnen können (vgl. DIW 2001a und 2003c). Trotzdem weigerten sich die alte und die neue Bundesregierung, Berlin mit Hilfe von erhöhten Bundesergänzungszuweisungen "unter die Arme zu greifen". Berlin wiederum meinte mit Hilfe einer rigorosen Sparpolitik der Schuldenfalle entgehen zu können. Vor allem ab Mitte der 1990er Jahre verfolgten die Senate eine rigorose Sparpolitik (vgl. DIW 2001a sowie 2003c): - Von 1996 bis 2000 sanken die staatlichen Ausgaben um 6%, während die anderen Bundesländer sie durchschnittlich um 8% erhöhten. - In diesem Zeitraum wurden etwa 35.000 Vollzeitstellen im Landesdienst abgebaut. - Die Sachinvestitionen für Bauten und Ausrüstungen betrugen 2002 nur noch ein Drittel jener, die noch 1995 getätigt wurden. Diese wenigen Beispiele mögen reichen, um die Anstrengungen der Stadt zu demonstrieren. Aber die Hoffnung, 2006 kein primäres Budgetdefizit mehr zu haben, erwies sich selbstverständlich als Trugschluss. Wie immer in solchen Fällen brachen mit jeder weiteren Sparmaßnahme Einnahmen weg und bestimmte Ausgaben erhöhten sich. Hinzu kam der konjunkturelle Einbruch ab 2001. Fazit: Trotz hoher zusätzlicher Einnahmen aus den zahlreichen Privatisierungen eskalierte das Budgetdefizit. Betrugen die Gesamtschulden 1991 noch etwa 8 Mrd. Euro, so waren es 2003 bereits deutlich mehr als 50 Mrd. Euro. Und in den Prognosen für die nächsten Jahre wird davon ausgegangen, dass Berlin jährliche Budgetdefizite zwischen 2,5 und 3 Mrd. Euro aufweisen wird - bei unterstellten optimistischen Rahmenbedingungen (vgl. DIW 2003c). Gefangen in dieser Konstellation besann sich der "rot-rote" Senat auf eine Politik, die aus den Notverordnungen Brünings abgeschrieben sein könnte. Er versuchte die Defizite durch Lohn- und Gehaltskürzungen zu reduzieren. Dazu brachte er zunächst eine Initiative in den Bundesrat ein, mittels derer eine Öffnungsklausel in das Besoldungsrecht für Beamte eingeführt werden sollte, um deren Urlaubs- und Weihnachtsgeld kürzen zu können. Andere Bundesländer schlossen sich dieser Initiative Berlins umgehend an, und im September 2003 wurde die Öffnungsklausel gesetzlich verankert. Die Folge war eine Einkommenskürzung für die Berliner Beamten um ca. 8%. Weitere Bundesländer und auch der Bund haben mittlerweile ähnliche Kürzungen vollzogen. Außerdem versuchte der "rot-rote" Senat sich der Verpflichtung zu entziehen, seine Arbeiter und Angestellten nach geltendem Tarifrecht zu bezahlen. Er drängte die Gewerkschaften zum Abschluss von Vereinbarungen, die hinter den Tarifen für den öffentlichen Dienst zurückblieben. Um den Druck auf die Gewerkschaften zu erhöhen, kündigte der Senat bestehende Vereinbarungen bzw. weigerte sich, auslaufende zu verlängern. Als der sozialistisch-sozialdemokratische Senat die zwischen Bund, Ländern und Gewerkschaften ausgehandelten, bundesweiten Tariferhöhungen für Berlin zunächst nicht übernahm, gaben die Gewerkschaften schließlich nach und vereinbarten eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, so dass die Löhne und Gehälter für Arbeiter und Angestellte je nach Vergütungsgruppe zwischen 8% und 12% sanken - "sozial" abgefedert versteht sich. Auf jene Arbeitgeber, die - wie beispielsweise die Universitäten und die öffentlichen Betriebe - das bundesweit geltende Tarifrecht des öffentlichen Dienstes nach wie vor anwenden, wird Druck ausgeübt, ebenfalls Einkommenskürzungen mit den Gewerkschaften zu vereinbaren. Mittlerweile wollen andere Bundesländer dem Beispiel Berlins folgen, und der Druck in der Privatwirtschaft, den Flächentarif zu durchlöchern, wächst zusehends. Bemerkenswert an dieser Entwicklung ist erstens, dass der Bund nicht gewillt ist, seine gesamtwirtschaftliche Verantwortung auch wahrzunehmen. Denn je kleiner ein ökonomischer Akteur ist, um so schwieriger ist es, die Froschperspektive des einzelwirtschaftlichen Denkens aufzugeben und sich entsprechend der gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeiten zu verhalten. Der Bürgermeister eines kleinen Dorfes tut sich schwer, antizyklisch zu agieren, da die so erzeugten Effekte nicht im Dorf selbst wirksam werden dürften, obwohl dort die Ausgaben anfallen. Die Mikroeinheiten befinden sich im Gefangenendilemma und die "Makrovernunft" muss vor allem der Bund durchsetzen.7 Zweitens zeigt diese Entwicklung, dass ein Denken in makroökonomischen Zusammenhängen mittlerweile wieder völlig verschüttet ist. Offenbar glaubt der Senat mit Hilfe einer einzelwirtschaftlichen Logik gesellschaftliche Probleme lösen zu können und verschließt die Augen vor den kreislauftheoretischen Zusammenhängen. Eine Politik der allgemeinen Lohnsenkung löst kein einziges Problem, sondern erhöht die Gefahr deflationärer Prozesse. Die (vermeintlichen) Sachzwänge suggerieren auch heute noch Lösungsformen, die makroökonomisch im Regelfall dysfunktional sind. Drittens werden solche gesamtwirtschaftlichen Irrationalitäten offenbar um so mächtiger, je schärfer die ökonomischen Krisenprozesse sind. Drei Jahre ökonomischer Stagnation haben in Deutschland gereicht, um alle größeren Parteien "auf Linie zu bringen": Auf die Linie der neoklassischen Mainstreamökonomie.

Literatur

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Dort arbeitete er als Professor an der Harvard University. 3 Die folgenden Zahlen finden sich bei Balderston (2002: 77ff), Grotkopp (1954: 13ff), Korsch (1976: 29f), Stucken (1976: 276ff), Hömig (2000: 237), Bracher (1980: LXIIf), Böhme (1973: 121). 4 Interessant ist, dass Brüning gleichwohl Beschäftigungsprogrammen aufgeschlossen gegenüberstand. Während seiner Regierungszeit hatte er verschiedene Programme erstellen lassen, die er nach Beendigung der Reparationszahlungen implementieren wollte. Seine Nachfolger haben sich diese Vorarbeiten zu Nutze gemacht (vgl. Brüning 1954: 287). 5 Bei den Lohnstückkosten werden die Löhne ins Verhältnis zur Arbeitsproduktivität gesetzt. Steigen die Nominallöhne schneller als die reale Arbeitsproduktivität, so steigen die Lohnstückkosten, im umgekehrten Fall sinken sie. 6 Neben der konjunkturellen Wirkung spielten auch die Auswirkungen der Steuerreform eine Rolle. Insofern war die konkrete Höhe des Defizits zum Teil auch hausgemacht. Dies ändert freilich nichts an dem Sachverhalt, dass die konjunkturell bedingten Entwicklungen der Finanzplanung den Boden unter den Füßen entzogen haben. 7 Durch den Prozess der europäischen Integration verlagert sich diese "Vernunft" auf die europäische Ebene, obwohl bis heute hier kein wirksamer Akteur existiert. Diese Lücke muss perspektivisch sicherlich geschlossen werden. aus: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 134, 34. Jg., 2004, Nr. 1,