Florian Berger

"Skandalisieren" nennt Florian Gerster die Kritik an den Berater-Verträgen der Bundesagentur für Arbeit. Damit hat er sich sicherlich noch einer zurückhaltenden, abwägenden Wortwahl befleißigt. .

... Immerhin sieht er sich selbst in der Rolle eines führenden Managers, dem die schwierige Aufgabe übertragen ist, eine verschnarchte Behörde in ein agiles Wirtschaftsunternehmen umzubauen. Aus dieser Warte erscheinen Kritiker schnell als Amtsschimmel.
Nach einem längeren Politikerleben leidet auch Gerster unter jener grassierenden Krankheit, die man als soziale Amnesie in Folge gesellschaftlicher Abgehobenheit bezeichnen kann. Beraterverträge in zweistelliger Millionenhöhe mögen im Vergleich zur Praxis von DaimlerChrysler oder Siemens nicht mehr als Peanuts sein. Gemessen an den Arbeitslosen, denen durch verschärfte Zumutbarkeitsbedingungen gerade das Arbeitslosengeld "weggesperrt" wurde, schließt die Bundesagentur Luxusverträge ab. Und gemessen daran, dass sich jeder Gekündigte umgehend bei Gersters Behörde melden und jeder Arbeitslose lückenlos seine auch nach 100 Absagen weiterhin hartnäckigen Bewerbungsanstrengungen dokumentieren muss, ist die eigenwillige Vergabe von Beratungsaufträgen durch den Vorsitzenden schon ein "Skandal", selbst wenn ein Schrempp, Pierer oder Ackermann mit ganz anderen Summen jonglieren darf.

Doch ginge es allein darum, würde sich die Aufregung erst gar nicht lohnen. Gerster ist ein Kind seiner (politischen) Klasse - um die geht es. So ist es zum politischen Alltagsgeschäft geworden, sich bei komplexeren Sachverhalten so genannter Experten zu bedienen, die - meist in Kommissionen zusammengesperrt - Entscheidungen für die politische Exekutive vorbereiten. Die Legislative - das Parlament, die Abgeordneten - wird dabei zu einer Umsetzungsmaschinerie degradiert, die den Vorgaben wenn nicht Eins zu Eins, so doch widerspruchslos und vor allem geräuschlos zu folgen hat. Es selbst folgt bei seiner Degradierung dem Mythos Sachzwang, der keine Alternative kennt.

Und wo es keine Alternativen gibt, lohnt kein politischer Streit, kein Ringen um richtige Argumente, schon gar keine Strategien sozialer Veränderung. Allenfalls Taktiken, wie man ggf. unliebsame Entscheidungen dennoch medienwirksam rüberbringen kann. Doch das ist das Geschäft der den Experten folgenden Spin-Doctors bzw. der den Fach-Beratern folgenden Medien-Beratern. Wo der öffentliche Streit um Rationalität und Aufklärung verbannt ist, haben Berater Konjunktur. Was in den Praktiken des Florian Gerster zu Tage tritt, ist die Abschaffung der Polis durch das moderne Politmanagement. Ein Scharlatan, der darin etwas anderes als die Abschaffung der Demokratie hineininterpretiert.

Im Fall Gerster kommt etwas Zweites hinzu. Nach McKinsey ist Roland Berger die mit den meisten Aufträgen versehene Agentur der Bundesagentur für Arbeit. Berger war bereits prominent in der so genannten Hartz-Kommission vertreten, die die Blaupause für - wie es selbstwerberisch genannt wurde - "moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" abgeliefert hat. Um deren Umsetzung geht es heute. Der Job von Berger besteht somit grob gesprochen darin, die eigenen Vorschläge zu evaluieren: auf Praxistauglichkeit zu bewerten und deren Umsetzung vorbereiten.

Was kann dabei herauskommen? Im Grundsatz wohl nicht viel mehr als das Testat, dass die Flexibilisierungs-Diagnose und -Strategie der Hartz-Kommission zugleich die richtige Therapie des an Erstarrung erkrankten Patienten Arbeitsmarkt sind. Internalisierung des Marktes im "Unternehmen Bundesagentur" mit schlankeren Strukturen und Budgetverantwortlichkeiten (als Sparoperation), Kundenorientierung (nicht am Arbeitslosen, sondern an den Unternehmen), Fordern des Klientel (nun ist der Arbeitslose dran - vom Fördern ist nach der Streichung der Weiterbildung kaum noch etwas übrig geblieben) - das sind die Standardrezepte, die auch in diesem Fall verteilt werden.

Wer meint, dass jene, die für diese betriebswirtschaftlichen Klippschulweisheiten Millionen hinblättern, zu tief in die (ja nicht eigene) Tasche gegriffen haben, hat Recht. Doch ist dies nur Ausdruck einer politischen Inzucht, die sich Beratung und Evaluation in einer Hand besorgt, um ein Vorurteil pflegen zu können: dass die Arbeitslosen die Bremser und Wegelagerer sind, die verhindern, dass der Zug der Modernisierung endlich Fahrt aufnimmt.