Transatlantische Beziehungen: Das Ende einer wunderbaren Freundschaft?

in (03.12.2003)

Der Streit um die Beteiligung Deutschlands und Frankreichs am Krieg gegen den Irak hat Fragen nach der Zukunft der transatlantischen Beziehungen aufgeworfen: Sind die USA so stark, dass sie ...

... auf eine Zusammenarbeit mit Europa nicht angewiesen sind, hierdurch eher in ihrer Machtentfaltung behindert würden? (Kagan 2002). Oder befindet sich Amerika im Niedergang, angesichts dessen Abgrenzung und die Behauptung eigener Machtansprüche Europas geboten sind? (Todd 2003). In diesem Aufsatz wird die Auffassung vertreten, dass die Fähigkeit der USA, die Weltordnung zu prägen und die Weltwirtschaft zu stimulieren, erheblich abgenommen hat. Der gleichzeitig vollzogene Prozess der europäischen Integration blieb allerdings im wesentlichen auf die Ökonomie beschränkt und hat nicht zur Entstehung eines eigenen Machtzentrums geführt. Deshalb bleibt die EU ein Juniorpartner der USA, dessen Ökonomie allerdings einen konkurrierenden Handelsblock darstellt, der die wirtschaftliche Basis der Supermacht USA weiter unterhöhlt. Zur Begründung dieser Thesen wird die Entwicklung der transatlantischen Beziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg betrachtet. Dabei wird immer wieder auf die Konzepte "Hegemonie" und "imperiale Überdehnung" zurückgegriffen, die in diesem Aufsatz in folgender Weise verwendet werden. Unter Hegemonie soll die Fähigkeit verstanden werden, gesellschaftliche Regeln durchzusetzen, zu legitimieren und auf diese Weise über Interessengegensätze hinweg sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten. Dabei spielt die Fähigkeit, Wachstum zu ermöglichen, eine besondere Rolle, weil auf diese Weise die einer kapitalistischen Ökonomie eigenen Verteilungskonflikte abgemildert werden können. Diese Definition bezieht sich zunächst auf Nationalstaaten. Sofern ein hegemoniales Projekt in anderen Staaten als Modell anerkannt wird, kann es auch entscheidenden Einfluss auf die Regeln der internationalen Wirtschaft und Politik nehmen. So ist der Aufstieg der USA zur Hegemonialmacht nicht nur ökonomischer Leistungsfähigkeit, politischer und militärischer Macht zu verdanken, sondern auch dem Versprechen, die Freiheits- und Wohlstandsversprechen des Liberalismus weltweit in die Realität umzusetzen (Arrighi 1994: 66ff). Imperiale Überdehnung tritt ein, wenn ein Staat oder Staatenbündnis es zur Aufrechterhaltung des eigenen Machtbereiches als notwendig erachtet, sich auch dann in zunehmendem Maße außenpolitisch und militärisch zu engagieren, wenn hierdurch keine ökonomischen Vorteile zu gewinnen sind. Die Vorteile einer hegemonialen Position bestehen in überlegener Produktivität und Innovationsmonopolen, welche die Aneignung von Extramehrwert erlauben. Darüber hinaus verfügen Hegemonialmächte über die internationale Leitwährung. Dadurch wird erstens die Realisierung von Seignorage-Gewinnen und zweitens die Verschuldung in eigener Währung möglich. Letztere ist mit einer Überwälzung des Wechselkursrisikos auf ausländische Kreditgeber verbunden. Durch die Diffusion neuer Technologien bzw. die vermehrte Verwendung anderer Währungen als internationale Zahlungs- und Reservemittel verringern sich die ökonomischen Vorteile der Hegemonie, fallen daher die Kosten von Durchsetzung und Aufrechterhaltung internationaler Institutionen relativ schwerer ins Gewicht. Diese Kosten werden absolut ansteigen, wenn die ideologische Ausstrahlung der Hegemonialmacht nachlässt - beispielsweise weil das von ihr garantierte Institutionengefüge in anderen Ländern nicht zu wachsendem Wohlstand sondern zu Wirtschaftskrisen führt - und daher zunehmend Zwangsmittel zur Durchsetzung internationaler Regeln eingesetzt werden.

US-Hegemonie...

Nach dem zweiten Weltkrieg waren die USA ihren europäischen Konkurrenten in jeder Hinsicht überlegen: Sie trugen weit mehr als irgendein anderes Land zur weltweiten Wertschöpfung bei und wendeten dabei die produktivsten Fertigungsmethoden an. Außerdem waren sie als weltgrößte Gläubigernation zum wichtigsten Knoten- und Steuerungspunkt der Finanzströme innerhalb des kapitalistischen Weltmarktes geworden und waren auch militärisch jeder anderen Macht überlegen. Diese Hegemonialposition wurde durch die Existenz des sowjetischen Machtblockes zwar von außen begrenzt, dadurch aber nach innen stabilisiert. Der "gemeinsame Feind" ließ nicht nur in anderen kapitalistischen Metropolen Vorbehalte gegen die amerikanische Führungsrolle weitgehend verstummen, sondern schuf auch innenpolitisch die Voraussetzung, den im New Deal entstandenen und im Zweiten Weltkrieg massiv ausgeweiteten Staatsinterventionismus über das Kriegsende hinweg beizubehalten (Weir 1989). So gelang es, den gemäßigten Flügel der Gewerkschaftsbewegung in einen militant antikommunistischen Machtblock einzubinden und radikale Strömungen zu marginalisieren. Die in der US-Bourgeoisie bestehenden Bedenken, jede Form gewerkschaftlicher Anerkennung würde unweigerlich ihre eigene Machtposition unterminieren, konnte auf diese Weise zerstreut werden. Gleichzeitig wurde einer Mehrheit der Arbeiterklasse der Zugang zu steigenden Realeinkommen und stabilen Beschäftigungsverhältnissen eröffnet. Damit entstand die als Fordismus bekannt gewordene Wachstumskonstellation aus Massenproduktion, Massenkonsum und Staatsinterventionismus (Aglietta 1979). Diese Konstellation war durch Harrod-neutralen technischen Fortschritt (Rose 1991: 154ff) gekennzeichnet: Ein gleichmäßiges Ansteigen von Reallöhnen und Arbeitsproduktivität hatte demnach keinen Einfluss auf Kapitalproduktivität und Profitrate. Mochte die Akkumulation des Kapitals auch weiterhin auf der Aneignung unbezahlter Arbeit beruhen, so erlaubte das fordistische Akkumulationsregime immerhin eine Neutralisierung des Verteilungskonfliktes. Für das Wachstum innerhalb dieses Regimes spielte der militärisch-industrielle Komplex eine entscheidende Rolle: Erstens schuf dessen Nachfrage für eine Reihe neuer Produkte und Produktionsverfahren jenen Mindestabsatz, der eine profitable Produktion ermöglicht. Zweitens haben die Ausgaben im Rüstungssektor zwar einen Einkommens- aber nur einen geringen Kapazitätseffekt. Da der militärisch-industrielle Komplex kaum zur Schaffung zusätzlicher Produktionsanlagen beiträgt, konnte die permanente Rüstungswirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg der für kapitalistische Ökonomien charakteristischen Tendenz, Überkapazitäten zu schaffen, entgegenwirken (Baran, Sweezy 1967: 175ff; Kidron 1970: 57ff). Schließlich stammten viele Innovationen, die zu höherer Produktivität sowie zur Entstehung neuer Konsumgütermärkte im privaten Sektor führten, aus der Rüstungsforschung (Vilmar 1973: 73ff). Dies gilt insbesondere für die auf Halbleitertechnik und Satellitensystemen beruhenden Informations- und Kommunikationstechnologien. Ökonomische Überlegenheit des fordistischen Akkumulationsregimes und der hierauf beruhende Sozialpakt machten das US-amerikanische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell weit über ihre militärische Führungsrolle hinaus zu einem Vorbild für andere kapitalistische Länder. So unterschiedlich dessen institutionelle Formen von Land zu Land gewesen sein mögen, Staatsinterventionismus und Sozialpakte zur Regulierung fordistischer Massenproduktion und -konsum¬tion setzten sich während des langanhaltenden Nachkriegsaufschwungs in allen kapitalistischen Industrieländern durchgesetzt. Überlegenheit und Attraktivität ermöglichten es den USA, ihre Hegemonialstellung über Internationalen Währungsfonds und Nato zu institutionalisieren. Sahen sie ihre Positionen in den genannten Institutionen hinreichend gewahrt, so scheiterte eine bald nach Kriegsende ebenfalls geplante Internationale Handelsorganisation daran, dass von dieser supranationalen Institution eine Einschränkung der nationalstaatlichen Handlungsfreiheit befürchtet wurde. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die USA die Rolle eines internationale Regeln setzenden und respektierenden Hegemons nur soweit zu spielen bereit sind, wie sie ihre jeweiligen nationalen Interessen hierdurch gewahrt sehen. Ist dies nicht der Fall, waren und sind sie jederzeit zu unilateralen Alleingängen bereit.

...Vorbild und Wachstumsmotor der europäischen Integration

Bei der Übernahme des US-Modells in anderen Ländern spielten Deutschland und Japan eine besondere Rolle, weil sie als stärkste Industriemächte Europas bzw. Asiens seit Ende des 19. Jahrhunderts eine imperialistische Expansionspolitik betrieben hatten, deren Höhe- aber auch Endpunkt mit dem Zweiten Weltkrieg erreicht wurde. Trotz der Zerstörungen des Krieges wiesen beide Länder ein großes Produktionspotenzial auf und hatten gegenüber den USA den Vorteil geringerer Lohnstückkosten. Als Folge der Rationalisierungen, die im Zuge der Kriegsproduktion vorgenommen worden waren, sowie durch US-amerikanische Direktinvestitionen während des Nachkriegskriegsaufschwungs wiesen beide Länder gegenüber den USA besonders günstige Wachstumsbedingungen auf, so dass sich Produktivität und Pro-Kopf-Einkommen in den 1950er und 1960er Jahren rasch den entsprechenden US-Werten annähern konnten (Brenner 2002). In beiden Ländern war diese Phase beschleunigter Akkumulation nicht nur durch die Herausbildung der Märkte für Massenkonsumgüter gekennzeichnet, sondern ebenso durch eine hohe Investitionsquote, die mit einer zügigen Ausweitung der Produktionskapazitäten verbunden war. Die regionalen Wachstumspole Deutschland und Japan unterscheiden sich aber, insofern letzteres zwar als Entwicklungsstaat zum Vorbild für die Industrialisierung anderer ostasiatischer Länder wurde (Tabb 1995: 100ff), ansonsten aber weder Motor noch Bestandteil eines regionalen Integrationsprojektes war. Dagegen integrierte sich Deutschland mit seinen aufstrebenden Exportindustrien nicht nur in einen Weltmarkt, dessen Struktur maßgeblich durch die USA geprägt war, sondern noch sehr viel stärker in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bzw. Europäische Union. Die USA haben gegenüber der westeuropäischen Integration von Anfang an eine widersprüchliche Haltung eingenommen. Diese verweist letztlich auf den Doppelcharakter eines Integrationsprozesses, der sich zwischen politischem Interessenausgleich und Schaffung eines Handelsblocks bewegt. So balancieren die "großen Drei" innerhalb von EG und EU ihre außenpolitischen Ziele aus, binden dabei die kleineren Länder ein und haben damit zur Entstehung eines in ökonomischer Hinsicht den USA vergleichbaren Handelsblocks beigetragen, dessen Institutionen zudem den Kern einer supranationalen politischen Macht darstellen (Schmidt 2003a). Die Realisierung dieses Machtpotenzials scheitert aber bislang an den außenpolitischen Grundpositionen, die Großbritannien, Deutschland und Frankreich insbesondere gegenüber den USA einnehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Großbritannien zwar gezwungen, die Hegemonialposition der USA anzuerkennen, entwickelte aber zugleich besonders enge Bindungen zu diesem neuen Machtzentrum. Im Gegensatz dazu war Frankreich am konsequentesten bemüht, eine (west-)europäische Gegenmacht zu den USA aufzubauen. Deutlich wurden die gegensätzlichen Positionen dieser beiden Länder als Großbritannien mit der EFTA zunächst einen eigenen Integrationsweg beschritt und Frankreich später den britischen Beitritt zur EG vorübergehend blockierte. Zwischen diesen beiden Polen nahm Deutschland eine schwankende Position ein, die sich zunächst aus dem Bestreben ergab, die "Erbfeindschaft" mit Frankreich zu überwinden. Gleichzeitig stand Deutschland jedoch stärker als andere westeuropäische Länder unter dem direkten Einfluss der USA. Ein eindeutiges und dauerhaftes Einschwenken auf die anti-amerikanische Linie der französischen Außenpolitik war deshalb nicht möglich. Angesichts dieses fragilen Gleichgewichts stellte die westeuropäische Integration in der Zeit des Nachkriegsaufschwungs keine Bedrohung der US-Hegemonie dar. Darüber hinaus wurde der möglichen Entstehung eines europäischen Machtblocks durch die Denationalisierung des Militärs im Rahmen der US-dominierten Nato entgegengewirkt (Layne 2003). Gleichzeitig war Europa als Absatzmarkt und Investitionsstandort von großer Bedeutung für die US-Ökonomie. Während des Zweiten Weltkrieges bestehende Befürchtungen, ein massiver Rückgang der Rüstungsproduktion werde zu einer Rückkehr der Vorkriegsdepression führen, konnten durch den Übergang zu einer permanenten Rüstungswirtschaft zwar teilweise zerstreut werden. Dennoch mussten weitere Nachfragequellen erschlossen werden, um das - nicht zuletzt im Kriegsverlauf stark angewachsene - Produktionspotenzial auszulasten. Hierzu sollten erstens der Binnenmarkt für Massenkonsumgüter zweitens aber auch Waren- und Kapitalexporte beitragen. Um letztere zu fördern, wurde im Rahmen der Marshall-Plan-Hilfe zunächst zur Überwindung der Liquiditätsengpässe beigetragen, die in Europa nach Kriegsende bestanden. Schließlich setzten die USA auch den Plänen zur Gründung der EG keinen Widerstand entgegen, weil sie sich von der damit verbundenen Marktintegration - nicht zu unrecht, wie sich herausstellen sollte - größere Absatz und Investitionsmöglichkeiten versprachen. Mögen Europa und Japan während des Nachkriegsaufschwungs auch höhere Wachstumsraten aufgewiesen haben als die USA, waren letztere doch die treibende Kraft dieses Aufschwungs. Dies gilt zunächst, weil sie mit dem Fordismus auch für andere Länder ein Prosperitätsmodell geschaffen und zur Stabilität der internationalen Waren- und Kapitalströme beigetragen haben. Darüber hinaus haben sie mit ihrer permanenten Rüstungswirtschaft aber auch entscheidende Nachfrageimpulse für die Weltwirtschaft gegeben. Über einen starken Multiplikatoreffekt des Außenhandels trugen diese Impulse maßgeblich zur beschleunigten Akkumulation in Europa und Japan bei. Damit wurde ein Importsog ausgelöst, der den USA - obwohl ihre Binnennachfrage den Anstoß für den Aufschwung gegeben hatte - die Realisierung von Leistungsbilanzüberschüssen ermöglicht und damit zur Auslastung ihres Produktionspotenzials beigetragen hat.

Krise der US-Hegemonie...

Sowohl der Nachkriegsaufschwung als auch die Stabilität der internationalen Wirtschaftsbeziehungen gingen in den 1970er Jahren zu Ende, US-Hegemonie und Fordismus gerieten in eine Doppelkrise. Innerhalb der nationalstaatlichen Akkumulationsregimes ließ sich der Verteilungskampf nicht länger neutralisieren, weil einerseits der technische Fortschritt einen arbeitsparenden Charakter angenommen hatte und als Folge der damit sinkenden Kapitalproduktivität Druck auf die Profitrate ausübte. Andererseits ermöglichten ein hohes Beschäftigungsniveau und staatliche Anerkennung kollektiver Arbeitsverträge den Arbeitern, eine Reallohnschranke zu errichten. Eine Stabilisierung der Profitrate durch steigende Preise war daher nicht möglich, entsprechende Versuche mussten in einer Preis-Lohn-Spirale enden. Außerdem stießen Produktivkraftsteigerungen innerhalb der bestehenden Rationalisierungslogik nicht nur an technische Grenzen, sondern mehr noch auf zunehmenden Widerstand fordistischer Massenarbeiter. Zum Symbol dieses Widerstandes wurden zwar die Fabrikkämpfe in Norditalien (Balestrini, Moroni 2002), der "Blue Collar Blues" (Kempton 1973) machte sich jedoch auch in anderen kapitalistischen Metropolen - darunter nicht zuletzt den USA (Brecher 1997: 249ff) - bemerkbar und verschärfte mit seinen negativen Auswirkungen auf die Kapitalproduktivität den Druck auf die Profitrate. Allerdings konnten radikale Arbeiterforderungen nach Änderung von Arbeitsorganisation und Einfluss auf Unternehmensentscheidungen häufig in nominale Lohnerhöhungen transformiert werden. Unter den Bedingungen einer Politik des leichten Geldes konnten die Unternehmen hierauf mit neuerlichen Preiserhöhungen reagieren. Ein weiteres, nicht durch sinkende Kapitalproduktivität, sondern durch Lohndruck bedingtes Absinken der Profiraten konnte auf diese Weise weitgehend abgewehrt werden. Oder in MarxÂ’scher Terminologie: Der Anstieg der organischen Zusammensetzung des Kapitals konnte nicht durch eine entsprechende Erhöhung der Mehrwertrate ausgeglichen werden. Allerdings ist zu beachten, dass sinkende Profitraten zwar den "absoluten Bereicherungstrieb" (MEW 23, 168) des bourgeoisen Sozialcharakters enttäuschen, aber nur im Extremfall einer "absoluten Überproduktion von Kapital" (MEW 25, 261), bei welcher der Profit gerade zur Deckung des Kapitalvorschusses ausreicht, eine objektive Grenze der kapitalistischen Akkumulation darstellen. Insofern haben der Übergang von Harrod-neutralem zu arbeitsparendem Fortschritt sowie zunehmende Entfremdung gegenüber fordistischer Massenarbeit und hierdurch motivierte Arbeiterkämpfe zwar das Zerbrechen von Verteilungskompromissen und hiermit verbundenen Sozialpakten angezeigt, hätten aber nicht notwendigerweise zum Ende des Aufschwungs führen müssen. Für diesen scheinen eher die weltweiten Nachfrageprobleme verantwortlich zu sein, die mit der Verbreitung fordistischer Akkumulationsregimes über die USA hinaus entstanden sind. Zunächst war die Einführung solcher Regimes mit starken Einkommenseffekten und daher überdurchschnittlichem Wachstum verbunden, weil Produktionsanlagen, die den fordistischen Fertigungsmethoden angepasst waren, erst aufgebaut werden mussten. Schon in den späten 1960er Jahren machten sich dagegen immer stärker die Kapazitätseffekte bemerkbar, die durch die vorangegangene Phase beschleunigter Akkumulation ausgelöst worden waren. Es bildeten sich daher weltweite Überkapazitäten heraus, die erstens zum Ende des Nachkriegsaufschwungs führten und zweitens die ökonomische Basis der US-Hegemonie unterminiert haben. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Deutschland und Japan gegenüber den USA komparative Kostenvorteile aufwiesen. Neben dem Aus- und Aufbau fordistischer Massengüterindustrien war das Wachstum in diesen beiden Ländern daher während der gesamten Nachkriegszeit stark exportorientiert und stellte die Vorherrschaft US-amerikanischer Konzerne auf dem Weltmarkt zunehmend in Frage. Dies galt umso mehr, als die expansive Wirkung des militärisch-industriellen Komplexes in den USA nachließ, weil sich die Wirkungen sinkender Kapitalproduktivität und arbeitsparenden Fortschritts gerade hier besonders stark bemerkbar machten. Höhere Preise zur Aufrechterhaltung der Profitrate konnten aufgrund der engen Beziehungen zwischen privaten Anbietern und öffentlicher Beschaffung besser als in anderen Sektoren durchgesetzt werden. Angesichts des Ausmaßes, dass die Rüstungsproduktion während des Vietnam-Krieges erreichte ging hiervon ein starker inflationärer Impuls aus, der sich über eine Politik des leichten Geldes im Zuge der Kriegsfinanzierung und der bereits erwähnten Reallohnschranke auf die gesamte Ökonomie ausgeweitet hat. Gegenüber der Konkurrenz aus Deutschland und Japan, die von den Lasten der Rüstungsproduktion weitgehend unbelastet waren, gerieten die US-Konzerne immer mehr ins Hintertreffen (Harman 1999: 93ff). Die Überschüsse in der US-Leistungsbilanz wurden daher immer geringer und gingen 1972 in ein Defizit über. Im selben Jahr gab die US-Regierung die Wechselkursbindung des Dollar auf. Seit längerem bestehende Zweifel, ob die USA weiterhin die Golddeckung des Dollar in einem System fester Wechselkurse würde beibehalten können, erwiesen sich damit als allzu berechtigt. Leistungsbilanzdefizite und Aufgabe der Golddeckung wurden damals als Zeichen ökonomischer Schwäche angesehen. Hieraus entwickelte sich eine Krise der US-Hegemonie, weil - wie geschildert - der Fordismus nicht mehr zu Wachstum und gesellschaftlicher Integration, sondern einer Welle von Arbeitskämpfen führte. Darüber hinaus trugen der Vietnam-Krieg bzw. dessen inflationäre Finanzierung zu einer weiteren Schwächung der USA gegenüber den aufstrebenden Exportmächten Deutschland und Japan bei, während gleichzeitig der Glaube an die militärische und moralische Überlegenheit der USA zerstört wurde. Diese Entwicklung kann gemäß o.g. Definition als imperiale Überdehnung charakterisiert werden, weil die Möglichkeiten der USA, sich Ex¬tramehrwert anzueignen, durch die Diffusion des von ihnen geprägten und einstmals monopolisierten Modells geringer geworden waren und sich der militärisch-industrielle Komplex von einem Wachstumsmotor zu einem Kostenfaktor entwickelt hat (Schmidt 2003b). Dagegen konnten andere Länder, die wenig zur Aufrechterhaltung der Institutionen des kapitalistischen Weltmarkts beitrugen, einen wachsenden Anteil des weltweit produzierten Mehrwerts realisieren.

...und Stagnation in Europa

Angesichts der Stärke der deutschen Wirtschaft sowie deren Einbindung in einem sich immer klarer herausbildenden europäischen Wirtschaftsraum - 1968 war das Ziel einer Zollunion erreicht und 1973 trat auch Großbritannien der EG bei -, wäre als Folge der Doppelkrise von Fordismus und US-Hegemonie eine weitere Stärkung Europas zu erwarten gewesen. Dazu ist es nicht gekommen: Zur selben Zeit als erste Zweifel an der Dauerhaftigkeit an der US-Hegemonie auftauchten, wurde innerhalb der EG, über eine "amerikanische Herausforderung" (Servan-Schreiber 1969) diskutiert. Anders als europäische Unternehmen, die sich noch immer stark an nationalen Binnenmärkten orientierten, seien US-Konzerne - so das damalige Argument - viel eher auf grenzüberschreitende Aktivitäten hin ausgerichtet und daher auch besser in der Lage, die ökonomischen Vorteile einer Zollunion zu nutzen als ihre europäische Konkurrenz. Deutlich wurde diese Überlegenheit an den massiven Direktinvestitionen, die in den 1950er und 1960er Jahren von US-Firmen in Europa vorgenommen worden sind und dort mitunter als Zeichen einer ökonomischen Kolonisierung wahrgenommen wurden. Zudem schien das Weltraumprogramm der USA eine technologische Lücke aufzureißen, die kaum noch zu überbrücken sei. Dieser Krisendiskurs half schließlich, das Airbus-Konsortium sowie das europäische Raumfahrtprogramm ESA auf den Weg zu bringen. Sogar erste Planungen zur Einführung einer europäischen Gemeinschaftswährung - als "Werner-Plan" bekannt geworden - bestanden zu Beginn der 1970er Jahre. Und dennoch war die Krise der US-Hegemonie in jenem Jahrzehnt von einer Krise des europäischen Integrationsprozesses begleitet, von der Herausbildung einer transatlantischen Gegenmacht konnte nicht im Ansatz die Rede sein. So erschütterte die Freigabe des Dollar-Kurses das Weltfinanzsystem so stark, dass auch die Pläne einer gemeinsamen Währung innerhalb der EG aufgegeben wurden. Erst 1979 konnten sich die EG-Länder auf einen Wechselkursmechanismus einigen, dessen Integrationstiefe jedoch deutlich hinter einer Gemeinschaftswährung zurückblieb. Zweitens waren die "großen Drei" sehr stark mit eigenen oder bilateralen Problem beschäftigt. So verlangte die US-Regierung 1976 von Deutschland eine expansive Wirtschaftspolitik, um erstens die Weltwirtschaft zu stimulieren und zweitens einen Beitrag zum Abbau des Handelsbilanzungleichgewichtes zwischen beiden Ländern zu leisten (James 1997: 167ff). Zur Überwindung ihrer Zahlungsbilanzprobleme suchte die britische Labour-Regierung 1979 um einen Beistandkredit des IWF nach. Die wirtschaftspolitischen Auflagen, die daran geknüpft waren, leiteten den Übergang zu einer neoliberalen Politik ein, die von der Regierung Thatcher radikalisiert wurde (Ingham 2000: 40ff). Einen ähnlichen Kurswechsel nahm die französische Linksregierung zu Beginn der 1980er Jahre vor, die angesichts der Hochzinspolitik der Bundesbank ebenfalls mit Kapitalabflüssen und hieraus resultierenden Zahlungsbilanzproblemen konfrontiert war. Mit dem Übergang der drei großen Länder der EG zu einer neoliberalen Wirtschaftspolitik war zugleich eine gemeinsame Grundlage für einen neuen Schub der europäischen Integration geschaffen worden. Zu jener Zeit war die Krise der US-Hegemonie aber bereits überwunden. Zudem sollte sich zeigen, dass das neoliberale Programm nur in Teilen geeignet ist, eine Hegemonialposition zu erringen.

Dollar-Wall-Street-Regime

Vielleicht stärker noch als im Ausland wurde die Hegemoniekrise der 1970er Jahre in den USA selbst wahrgenommen. Über die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten hinaus waren insbesondere der Rückzug aus Vietnam, der Sturz des Schah und das anschließende Geiseldrama in Iran zu Symbolen von Schwäche und Niedergang, aber auch zum Augsangspunkt einer starken Bewegung zur Wiedergewinnung amerikanische Vorherrschaft geworden (Cox 2001). Diese Bewegung führte den neokonservativen Flügel der republikanischen Partei unter der Führung Reagans ins Weiße Haus und ermöglichte damit eine aggressive Politik gegen Sozialstaat und Gewerkschaft nach innen und den Beginn des zweiten Kalten Krieges. Damit gab die US-Regierung den gesellschaftspolitischen Ton auch in anderen kapitalistischen Metropolen vor und konnte zudem ihren außenpolitischen Führungsanspruch behaupten. Wichtige Weichenstellungen für die Wiederherstellung der US-Hegemonie wurden allerdings schon in den 1970er Jahren vorgenommen. Dabei ist zunächst die Ölkrise von 1973 zu nennen: Das Bestreben einiger erdölproduzierender Länder, sich durch drastische Preiserhöhungen einen größeren Teil, der mit der Ölförderung zu verdienenden Renten anzueignen und damit die Entwicklung eines nationalen Kapitalismus zu finanzieren (Massarat 1974), galt seinerzeit ebenfalls als Ausdruck hegemonialen Verfalls, weil die USA offenkundig nicht mehr in der Lage waren, den Übergang ihrer Kompradorenbourgeoisien in das Lager nationaler Entwicklungsstaaten zu verhindern. Zusammen mit der saudi-arabischen Herrscherclique, die solchen Ideen ablehnend gegenüber stand, gelang es den USA jedoch, den nach 1973 anschwellenden Strom an Petro-Dollars in die Kassen der großen US-Banken zu leiten (Gowan 1999: 39ff). Die hieraus finanzierte Kreditvergabe an andere Länder der kapitalistischen Peripherie sicherte zunächst die Leitwährungsrolle des US-Dollar und sollte nach dem monetaristischen Schock zu Beginn der 1980er Jahre ein mächtiger Hebel zur Durchsetzung neoliberaler Strukturanpassung werden (Toussaint 2000). Außerdem führte die Kollaboration mit den Saudis zu einer Spaltung der arabischen Welt und dadurch einer Schwächung jener Länder, die nationale Entwicklungsprojekte verfolgen wollten. Geschwächt wurden auch Deutschland und Japan, die zu jener Zeit in viel höherem Maße von Ölimporten abhängig waren als die USA. Den Durchbruch zu einer neuen, nicht durch ein überlegenes Produktionsmodell, sondern die weitgehende Monopolisierung von Innovationen, Finanzen und Militär gekennzeichneten Hegemonie brachten allerdings erst die Reagonomics (Moody 1987). Deren Kombination hoher (Real-)Zinsen und steigender Rüstungsausgaben führte unmittelbar zu massiven Kapitalimporten und Dollar-Aufwertung. Dadurch konnten die USA preisgünstig Waren importieren und auf diese Weise trotz sinkender Reallöhne für weite Teile der Arbeiterklasse einen allzu scharfen Verfall des durchschnittlichen Lebensstandards verhindern. Angesichts zunehmender Lohnspreizung schloss dies die Verelendung der am schlechtesten bezahlten Arbeitergruppen nicht aus (Wolff 1996). Die Angebotsüberschüsse auf dem Weltmarkt, aus denen sich die USA billig und kreditfinanziert bedienten, waren umso größer als die neoliberalen Rezepte staatlichen Budgetausgleichs sowie der Senkung von Löhnen und Sozialausgaben in fast allen Teilen der Welt zu einem verringerten Wachstum der Binnennachfrage und entsprechender Bemühungen um Exportsteigerungen führten. Dagegen wurde in den USA lediglich der gegen Arbeitsbedingungen und Lebensstandard der Arbeiterklasse gerichtete Teil dieses Programms umgesetzt, fiskalpolitisch wandelte die Reagan-Administration ebenso auf keynesianischen Pfaden wie ihre Amtsvorgängerinnen. Auf diese Weise erzielten sie eine höhere Wachstumsrate als Deutschland und die EG insgesamt. Japan konnte sein überdurchschnittliches Wachstum in den 1980er Jahren zwar noch aufrechterhalten, erlebte danach aber einen umso stärkeren Wachstumsrückgang. Damit waren die USA zur Lokomotive der Weltwirtschaft geworden und kontrollierten durch ihre zentrale Rolle auf Öl- und Finanzmärkten zugleich die realwirtschaftliche wie monetäre Treibstoffversorgung anderer Länder. Gegenüber den 1950er und 1960er Jahren lösten die von den USA ausgehenden Nachfrageimpulse in anderen kapitalistischen Metropolen in den 1980er Jahren keine starken Wachstumsprozesse mehr aus. Deren Importnachfrage entwickelte sich daher zu langsam, um die USA aus ihrem Leistungsbilanzdefizit zu ziehen. Es schwächte sich jedoch nicht nur die Wirkung des Außenhandelsmultiplikators ab, aufgrund des veränderten Charakters des militärisch-industriellen Komplexes wurde auch der Staatsausgabenmultiplikator schwächer. Anders als in den Jahren des Booms, als die USA gegenüber der Weltwirtschaft in einer Nettogläubigerposition waren und die im Zweiten Weltkrieg aufgelaufenen Schulden trotz Deficit Spending abbauen konnten, trugen schwache Multiplikatorprozesse in den 1980er Jahren kaum zum Abbau des Twin Deficit in Leistungsbilanz und Staatshaushalt bei.

Europa zwischen Neoliberalismus und Sozialmodell

Das geringe Wirtschaftswachstum in Europa lässt sich nicht nur auf den Übergang zum Neoliberalismus in dessen Hauptländern zurückführen. Nachdem die beschleunigte Akkumulation des Nachkriegsaufschwungs zu Überkapazitäten geführt hatte, wäre zur Beibehaltung hoher Wachstumsraten ein Anstieg der - öffentlichen und privaten - Konsumquote nötig gewesen. Dem Stand allerdings die starke Exportorientierung entgegen, die Deutschland mit seiner Kombination aus restriktiver Geldpolitik und zurückhaltender Lohnpolitik verfolgte. Angesichts der regionalen Leitwährungsrolle der DM waren auch die anderen EG-Länder gezwungen, diese Politik zu übernehmen (Grahl 1997: 202ff). Wären sie dem strikten Antiinflationskurs, der von Deutschland vorgegeben wurde, nicht gefolgt, hätten sie nur die Wahl zwischen eskalierenden Leistungsbilanzdefiziten und dauernden Abwertungen gehabt. Eine Herausforderung des US-Dollar als internationaler Leitwährung war mit der starken Position der DM jedoch nicht gegeben, da die politische und ökonomische Stellung Deutschlands zu schwach war, um die Rolle eines Lenders of last Resort zu spielen oder den Versuch zu unternehmen, über Europa hinaus Regeln des internationalen Wirtschaftsverkehrs durchzusetzen. Zudem setzt Hegemonie die Fähigkeit voraus, anderen Ländern Wachstumsimpulse zu geben. Genau dies taten die USA mit ihrer hemmungslosen Verschuldungspolitik, während Deutschland mit seiner Beggar-My-Neighbour-Policy das Wachstum anderer Länder und insbesondere seiner europäischen Partner einschränkte. Auch auf Ebene der EG konnte diesem restriktiven makroökonomischen Kurs nichts entgegengesetzt werden. Vielmehr stellt das 1986 beschlossene Binnenmarktprogramm eine mikroökonomische Ergänzung zu dieser Orientierung dar (Dent 1997: 62ff) und knüpft zugleich an die Diskussion über eine "amerikanische Herausforderung" an. Durch Kapitalverkehrsliberalisierungen sollten europäische Konzerne in die Lage versetzt werden, innerhalb des EG-Binnenmarktes Skalenvorteile zu realisieren, einen zur Überschreitung der Gewinnschwelle hinreichenden Absatz zu erzielen und sich auf diese Weise Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt zu verschaffen (Balanyá et al. 2001). Mit dem Binnenmarktprogramm konnte zwar die Stagnation im europäischen Integrationsprozess überwunden werden, die Herausbildung eines eigenständigen Machtblocks wurde damit aber nicht befördert und war wohl auch nicht beabsichtigt. In der Zeit des zweiten Kalten Krieges war die außenpolitische Führungsrolle der USA weitgehend unumstritten. Deutlichen Ausdruck fand die ökonomische Schwerpunktsetzung der EG bzw. EU in den Maastrichter Verträgen, in denen Inflationsbekämpfung als oberstes geldpolitisches Ziel festgeschrieben und der Fiskalpolitik ein enges Korsett angelegt wurde, während auf ähnlich eindeutige Festlegungen im Bereich der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" verzichtet wurde. Trotzdem wurden die Maastrichter Pläne zur Einführung einer Gemeinschaftswährung in den USA als Bedrohung gesehen. Während in den EU Ländern über Inflationsbekämpfung und fiskalische Konvergenz gestritten wurde, drehte sich die Debatte in den USA fast ausschließlich um die Frage, ob die Leitwährungsrolle des US-Dollar durch den Euro gefährdet sei oder nicht (Bergsten 1997). Verständlich ist diese Sorge allemal: Auslandsschulden, die das US-Wachstum in beträchtlichem Umfang finanzieren helfen, sind nur von einem Leitwährungsland in dem von den USA bekannten Umfang aufzunehmen. Dabei können die USA sogar noch Seignorage-Gewinne erzielen und das Wechselkursrisiko auf ihre Kreditgeber abwälzen, weil sie sich Dollar verschulden. Kapitalimporte und Externalisierung des Währungsrisikos sind aber nur möglich, solange der US-Dollar unangefochten die Leitwährung ist. Würde diese Position auch nur in Frage gestellt, verlören die US-Hegemonie nach ihrer realwirtschaftlichen auch noch ihre monetäre Fundierung. Es bliebe einzig ihre militärische Überlegenheit. Solche Befürchtungen schienen zunächst unbegründet: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das von den USA propagierte Modell des Neoliberalismus auch in den Ländern des vormaligen Staatssozialismus eingeführt (Andor/Summers 1998). Darüber hinaus versprach die Verbindung von mikroelektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien und unregulierten Märkten stabiles und inflationsfreies Wachstum. Durch ihr Innovationsmonopol im IuK-Sektor aber mehr noch durch längere Arbeitszeiten und eine Erhöhung der Arbeitsintensität - Methoden der absoluten Mehrwertproduktion also - stieg sogar die Kapitalproduktivität wieder leicht an. Ein Effekt, der in anderen Ländern nicht zu beobachten war, wo gerade einmal deren weiteres Sinken verhindert werden konnte (Husson 1999). Mitte der 1990er Jahre konnte sogar das Budgetdefizit in einen Überschuss umgewandelt werden. Dass die New Economy im wesentlichen aus einem privaten Spekulationsboom bestand, die mit ihr verbundenen Produktivitätsgewinne maßlos überschätzt wurden und an die Stelle öffentlicher Verschuldung eine umso schnellere Zunahme der Verschuldung privater Unternehmen und Haushalte getreten war, sollte erst mit Eintreten der Konjunkturkrise 2001 deutlich werden (Foster/McChesney 2001). Noch unter dem Eindruck des "Zweiten amerikanischen Jahrhunderts" (Zuckerman 1998) versuchte sich die EU zu profilieren, in dem sie einerseits die Kombination unregulierter Märkte und neuer Technologien empfahl. Andererseits wurde die aufkommenden Kritik an den sozialen Folgen neoliberaler Politik aufgriffen und als Alternative zum US-Modell eines "Kapitalismus pur" das europäische Sozialmodell präsentierte (Aust/Leitner/Lessenich 2000). In beiden Begriffen sind sowohl realgeschichtliche Kontinuitäten als auch historische Mythen enthalten. So kann von unregulierten Märkten in den USA höchstens in dem Sinne gesprochen werden, dass Formen antagonistischer Kooperation zwischen Arbeit und Kapital die Ausnahme - in der Zeit von New Deal und Fordismus - waren, während eine harte Ausgrenzungspolitik die Regel darstellt. Umgekehrt in (Kontinental-)Europa: Mit Ausnahme der terroristischen Unterdrückung der Arbeiterbewegung durch den Faschismus hat sich in Teilen der europäischen Bourgeoisien schon früh die Bereitschaft gezeigt, gemäßigte Strömungen dieser Bewegung zu integrieren. Um Möglichkeiten und Reichweite solch einer Integration stritten in Deutschland beispielsweise Eduard Bernstein und Rosa Luxemburg. Andererseits haben in den USA eine Politik des leichten Geldes und die Bereitschaft des Staates sich zu verschulden eine bis auf den amerikanischen Bürgerkrieg zurückreichende Tradition, die nur zweimal durchbrochen wurde: Während des New Deal gab es innerhalb der US-Bourgeoisie Widerstand gegen eine expansive Makropolitik, von der eine unzumutbare Stärkung der Arbeiterbewegung erwartet wurde. Die zweite Ausnahme war der monetaristische Schock zu Beginn der 1980er Jahre, dessen erklärtes Ziel nicht nur Inflationsbekämpfung, sondern auch Schwächung der Gewerkschaften durch einen negativen Beschäftigungseffekt waren. Sehr viel konsequenter orientierte sich dagegen die Wirtschaftspolitik in Europa an den Grundsätze eines ausgeglichenen Budgets und restriktiver Geldpolitik. In den Verträgen von Maastricht und Amsterdam wurden diese Grundsätze sogar als Leitlinien der europäischen Wirtschaftspolitik festgeschrieben. Demgegenüber blieb expansive Wirtschaftspolitik auf die Finanzierung zweier Weltkriege sowie kurzatmige Experimente wie das Zukunftsinvestitionsprogramm in Deutschland und den linkskeynsianischen Ansatz der französischen Linksregierung zu Beginn der 1980er Jahre beschränkt. Ein zur Überwindung der Depression der 1930er Jahre notwendiges und dauerhaftes Deficit Spending wurde dagegen fast ausschließlich von den USA geleistet. Aus dieser Perspektive ist das Ende des Nachkriegsaufschwungs nicht auf den Übergang von keynesianischer zu neoliberaler Wirtschaftspolitik in allen kapitalistischen Metropolen zurückzuführen, sondern auf einen nachlassenden Multiplikatoreffekt, den die keynesianische Politik der USA auf andere Ökonomien hatte. Da dieser Effekt in den 1980er und 1990er Jahren jedoch merklich schwächer wurde, reichten schuldenfinanzierte Nachfragezuwächse in den USA zwar zur Ankurbelung des Binnenwachstum aus, ihr Impuls führte in anderen Ländern aber nur zu geringem Wachstum. Die Weltwirtschaft wurde von Exporten in die USA immer abhängiger. Diese Konstellation stellte einerseits ein Machtinstrument dar, weil mit dem Druck auf den Wechselkurs zugleich das Wachstum des jeweils betroffenen Landes beeinflusst werden kann. Andererseits waren Angebotsüberschüsse auf dem Weltmarkt für die USA wichtig, weil inflationsfreies Wachstum andernfalls nicht möglich gewesen wäre.

Von der New Economy...

Das Ende der New Economy fordert einen Vergleich mit den 1970ern heraus. Nicht dass die militärische Überlegenheit der USA in Frage stünde, ähnlich wie damals wird aber die wirtschaftliche Basis ihrer Hegemonialstellung in Zweifel gezogen. Anders als im Laufe der Konjunkturkrise 1991 sind die Leistungsbilanzdefizite nach der Rezession 2001 kaum zurückgegangen, wurden die Haushaltsüberschüsse der Boomjahre dafür in kürzester Zeit durch hohe Defizite verdrängt. Dazu trugen nicht nur sinkende Steuereinnahmen als Folge des Konjunktureinbruchs bei, sondern auch Steuersenkungen für die oberen Einkommensschichten sowie steigende Rüstungsausgaben. Mit einem ähnlichen Programm hatte Reagan - unter Inkaufnahme des berühmten Twin Deficit - die US-Hegemonie auf der neuen Grundlage eines "Dollar-Wall-Street-Regimes" wieder hergestellt (Gowan 1999: 19ff). Ob Bush mit seiner Neuauflage der Reaganomics allerdings eine Stabilisierung dieses Regimes gelingt, ist höchst unsicher. Schon zu Zeiten Reagans hatte der militärisch-industrielle Komplex seine Rolle als Wachstumsmotor verloren. Der von steigenden Rüstungsausgaben ausgehende Wachstumseffekt - und damit auch die Möglichkeiten der Selbstfinanzierung - hatten sich gegenüber dem Nachkriegsaufschwung deutlich verringert. Dafür war der Anteil der Rüstungsausgaben zu Beginn der 1980er Jahre deutlich höher als dies gegenwärtig der Fall ist, dies gilt trotz der von Bush betriebenen Militarisierung der Außenpolitik. Daher dürften auch die zu erzielenden Wachstumseffekte noch weiter gesunken sein. Darüber hinaus hat die jüngste Krise den Kern des Dollar-Wall-Street-Regimes getroffen. Dessen expansive Wirkung beruhte auf der Akkumulation fiktiven Kapitals, das nur teilweise durch den Gesamtprozess der kapitalistischen Reproduktion valorisiert werden konnte. Eine Inflation der Wertpapiere war die Folge. Solange Vermögensbesitzer steigende Wertpapierpreise jedoch nicht als Zeichen der Inflation, sondern aus Ausdruck künftigen Wachstums ansahen, waren sie sogar in immer höherem Maße bereit, ihre Wertpapiernachfrage auszuweiten und ggf. über Kredite zu finanzieren. Das Platzen der Spekulationsblase hat zwar fiktive Vermögenswerte in gigantischem Ausmaß zerstört, die zum Erwerb dieser Werte aufgenommenen Schulden sind jedoch geblieben und sind nicht - wie ursprünglich erwartet - aus dem Wertzuwachs der erworbenen Wertpapiere zu tilgen. Wie sehr solche nicht-einbringbaren Schulden einen dauerhaften Aufschwung behindern können, musste Japan in den 1990er Jahren erfahren. Mit Blick auf diese Erfahrung bestehen auch an der Stabilität des gegenwärtigen US-Aufschwungs Zweifel. Dabei sind die USA im Gegensatz zu Japan, das trotz Stagnation und Schuldenlast des vorangegangenen Booms in erheblichem Umfang Kapital exportiert hat, weiterhin von Kapitalimporten abhängig. In den 1990er Jahren geäußerte Befürchtungen, die Europäische Währungsunion werde mit der Leitwährungsrolle des US-Dollar auch den nahezu unbegrenzten Zugang der USA zu internationalem Kapital bedrohen, könnten sich angesichts der aktuellen Unsicherheiten über die weitere Entwicklung der US-Ökonomie bewahrheiten. Die Wachstumsaussichten in der Euro-Zone sind zwar keineswegs sicherer und besser als in den USA, aber gerade unter Bedingungen großer Unsicherheit könnte es zu einer stärkeren Diversifizierung internationaler Anlagen kommen, das Quasi-Monopol des Dollar-Wall-Street-Komplexes, das zwei Jahrzehnte in erheblichem Maße zum US-Wachstum und der darauf begründeten US-Hegemonie beigetragen hat, würde durch ein Duopol ersetzt, in dem US-Dollar und Euro um Leitwährungsrolle und Kapitalanlagen konkurrieren. Gemäß der Lehrbuchtheorie des Duopols ist eine solche Marktkonstellation nur stabil, wenn beide Anbieter unterschiedlich stark sind (Feess-Dörr 1992: 299f). Davon kann im Falle der Wirtschafts- bzw. Währungsräume, die durch US-Dollar bzw. Euro repräsentiert werden jedoch kaum die Rede sein: Gemessen an Gesamtoutput und Arbeitsproduktivität sind beide recht ähnlich, ein deutlicher Unterschied besteht nur bezüglich ihrer militärischen Stärke. Aus dieser Perspektive ist die von den USA gegenwärtig betriebene Militarisierung der Außenpolitik auch ein Beitrag zur Verteidigung ihrer Sonderstellung auf dem Weltfinanzmarkt. Zugleich stellt sich der US-Regierung die Frage, ob sie angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten und der Währungskonkurrenz mit dem Euro überhaupt weiterhin versuchen sollen, die Rolle der internationalen Konjunkturlokomotive zu spielen. Angesichts gleichzeitig steigender Leistungsbilanzdefizite und Arbeitslosigkeit im Gefolge des Konjunktureinbruchs 2001 ist der innenpolitische Druck, die Binnenwirtschaft auch ohne Rücksicht auf weltwirtschaftliche Folgen zu stabilisieren, erheblich gestiegen. Darüber hinaus streben Teile der Republikaner im Zuge der Fiskalkrise, die fast alle US-Bundesstaaten erfasst hat, eine deutliche Reduktion des Einflusses der Bundesregierung in Washington an (Greider 2003). Mit einem drastisch zu Gunsten der einzelnen Bundesstaaten reduzierten Haushalt würde die US-Regierung zudem das neben der Zentralbank wichtigste Instrument nicht nur ihrer nationalen, sondern auch internationalen Wirtschaftspolitik verlieren. Sicherlich sind die Möglichkeiten der USA, ihre Hegemonie über die Kontrolle der Weltfinanzmärkte auszuüben, nach dem Ende der New Economy und der Einführung des Euro geringer geworden und hieraus kann wohl auch der seit dem 11. September zur Schau gestellte aggressive Unilateralismus zu einem guten Teil erklärt werden. Die Tatsache, dass die US-Regierung ihre Hegemonialstellung gegenwärtig im wesentlichen militärisch zu begründen sucht, ist jedoch noch kein Beweis, dass der ökonomische Rivale EU eine wirkliche Herausforderung darstellt. Vielmehr wird die neuerliche Krise der US-Hegemonie - wie schon in den 1970er Jahren - von Desintegrationserscheinungen in Europa begleitet. Dort wird zwar gegenwärtig über die Einführung einer EU-Verfassung diskutiert und es gibt Bestrebungen, militärische Kapazitäten außerhalb der weiterhin von den USA dominierten Nato aufzubauen. Doch tragen gerade diese, insbesondere von Deutschland und Frankreich forcierten Prozesse, zum Aufbrechen von Konfliktlinien innerhalb der EU bei, die den Übergang von der ökonomischen zur politischen Integration zumindest blockieren können. So sieht insbesondere Großbritannien seine privilegierten Beziehungen zu den USA durch den möglichen Aufbau unabhängiger europäischer Verteidigungskapazitäten bedroht. Darüber hinaus fühlen sich kleinere Mitgliedsländer sowie einige der osteuropäischen Beitrittskandidaten durch den deutsch-französischen Führungsanspruch gegängelt. Die Spaltung in ein "altes" und ein "neues" Europa im Vorfeld des Krieges gegen den Irak war ein deutlicher Ausdruck dieser Interessengegensätze. Nur am Rande sei bemerkt, dass sich ähnliche Inkohärenzen, welche die Fortentwicklung des europäischen Handelsblocks zu einem weltpolitischen Machtfaktor behindern, auch in den USA einstellen könne, sollten die neokonservativen Pläne einer Machtverlagerung von der Bundesregierung auf die einzelnen Bundesstaaten umgesetzt werden.

...zur transatlantischen Krisenpartnerschaft

Die nachlassende Fähigkeit als internationale Konjunkturlokomotive zur Stabilisierung der Weltwirtschaft beizutragen sowie die hierdurch begünstigte Konzentration auf militärische Stärke und Unilateralismus zeigen, dass die USA gegenwärtig kaum in der Lage sind, international anerkannte Regeln durchzusetzen. Zudem scheint die Ausstrahlungskraft ihres Gesellschaftsmodells nachhaltig erschüttert zu sein (Sardar, Davies 2003). In diesem Sinne kann von einer Krise der US-Hegemonie gesprochen werden. Andererseits kann die Europäische Währungsunion zwar die Leitwährungsrolle des US-Dollar herausfordern, diesen aber sicher nicht ersetzen. Dazu wären die Bereitschaft und Fähigkeit erforderlich, anstelle der USA die Rolle als Konjunkturlokomotive zu übernehmen. Angesichts des Festhaltens am Amsterdamer Stabilitätspakt - ganz in der für Europa charakteristischen Tradition restriktiver Fiskalpolitik - sowie der ansonsten bestehenden politischen Gegensätze innerhalb der EU sind Versuche in dieser Richtung kaum zu erwarten. Sie hätten auch nur geringe Erfolgsaussichten: Börsenkrach und hierdurch verursachte Zunahme der privaten Schuldenlast, Überkapazitäten und Arbeitslosigkeit dürften nicht nur in den USA, sondern auch in der EU dafür sorgen, dass der Stabilisierung der Binnenwirtschaft Priorität gegenüber einer Stimulierung der Weltwirtschaft eingeräumt wird. Die europäische Integration scheint einen Grad erreicht zu haben, an dem sie die Fähigkeit der USA als internationaler Hegemon zu agieren einschränkt, aber nicht in der Lage ist, einen ebenbürtigen Machtblock zu formen. In der näheren Zukunft ist daher weniger ein transatlantisches Ringen um weltweite Vorherrschaft zu erwarten als eine dauerhafte Schwächung der USA. Ohne ein hegemoniales Zentrum wird es aber zu einer weltweiten Zunahme politischer und wirtschaftlicher Instabilitäten kommen und auch die transatlantischen Beziehungen weisen dauerhafte Konfliktlinien auf. Während die Osterweiterung der EU einerseits deren Einflussbereich - und damit auch denjenigen Deutschlands und Frankreichs - vergrößert (Bohle 2002), wird dieser Prozess von den USA andererseits unterstützt, da sie von der Erweiterung eine Blockade in Richtung tiefergehender Integration erwarten. Darüber hinaus kann, sollten sich die osteuropäischen Beitrittskandidaten nach einer Übergangszeit der Währungsunion anschließen, die internationale Rolle des Euro gestärkt werden. Wohl vor diesem Hintergrund unterstützen die USA inzwischen die Dollarisierung anderer Länder (Carchedi 2002). Im Gegensatz zu den osteuropäischen Länder, die mit einer Euro-Einführung auch der Währungspolitik der EZB unterliegen, geben unabhängige Länder, die den Dollar als offizielle Währung einführen, zwar ihre geldpolitische Souveränität auf, gleichwohl hat die US-Zentralbank aber nur eingeschränkte Kontrolle über die Geldkreisläufe dieser Länder. Ein solcher Kontrollverlust könnte die Leitwährungsfunktion des Dollar weiter aushöhlen. Überhaupt zeichnen sich hier erste Umrisse einer währungspolitischen Aufteilung der Welt ab, welche die bislang über die US-Finanzmärkte - trotz aller Krisenhaftigkeit - gewährleistete Kohärenz der Weltwirtschaft zerstören können. Die Reichweite des Dollar-Wall-Street-Regimes, das sich nach dem Ende des Kalten Krieges globalisiert hatte, würde daher räumlich eingeschränkt, nachdem seine Funktionsweise schon durch das Platzen der New Economy-Spekulation nachhaltig gestört wurde. Mögen die transatlantischen Beziehungen auch nicht mehr eindeutig durch die USA bestimmt sein, so werden die Konflikte, die sich aus dieser hegemonialen Lücke ergeben, dennoch kaum zu einem dauerhaften Bruch führen. Dagegen spricht die Tatsache, dass die herrschenden Klassen auf beiden Seiten des Nordatlantik zwar die Weltmarktintegration Asien begrüßen, weil sie auf diese Weise Anlagemöglichkeiten für überschüssiges Kapital finden und gleichzeitig Zugang zu billigen Warenlieferungen haben. Andererseits sind sie aber bemüht, die Übersetzung von ökonomischer Größe in politische Macht und ganz besonders die Herausbildung eines asiatischen Machtblocks zu verhindern (Brzezinski 2002: 219ff). Freimütig wird darüber hinaus der ungehinderte Zugang zu billigen Rohstoffen zu einem "vitalen Interesse" der Europäer und Amerikaner erklärt, der mit militärischer Gewalt durchgesetzt wird. Angesichts begrenzter Rohstoffvorkommen können sich zwar auch aus diesem Interesse massive Verteilungskonflikte ergeben. In der unmittelbaren Zukunft sind Europa und Amerika jedoch nicht mit akuter Ressourcenknappheit konfrontiert, sondern mit steigenden Kosten, den Zugang zu diesen Ressourcen zu sichern. Nach dem die Projekte nachholender Entwicklung in der 3. Welt fast durchgängig gescheitert sind und der Staatssozialismus zusammengebrochen ist, haben die Strukturanpassungsprogramme des IWF zu weiterer ökonomischer und sozialer Desintegration geführt. Ohne zusätzliche Vorteile - billige Rohstoffe waren ja bereits vor diesen Desintegrationsprozessen verfügbar - kommt es deshalb zu steigenden Kosten für Militäreinsätze, militärische Besetzung und Versuche des "Nation-Building" (Rotberg 2002). Die aktuellen Kontroversen um Unilateralismus versus Multilateralismus können vor diesem Hintergrund auch als Verteilungskampf um die Kosten des gemeinsamen Imperiums verstanden werden. Dabei zeichnet sich zwischen den USA und der EU eine Arbeitsteilung ab, bei der sich erstere auf militärische Aktionen konzentrieren, während sich die EU auf multilaterale Verhandlungen spezialisiert, für die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten aber einen Teil der militärischen Kosten übernehmen muss (Rosecrane 2003).

Fazit

Trotz Krisenerscheinungen sind die USA noch immer die größte und produktivste Ökonomie der Welt und verfügen über eine konkurrenzlose Militärmaschine. Insofern erscheint die Rede von der "einzigen Weltmacht" (Brzezinski 2002) durchaus berechtigt. Gleichzeitig hat das militärische Ausspielen dieser Macht in Afghanistan und Irak auch deren Schwächen offengelegt: Die Fähigkeit, in anderen Ländern als legitim anerkannte Regeln durchzusetzen, ist gegenüber der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aber auch gegenüber einer kurzen Zeitspanne nach dem Kalten Krieg ganz erheblich zurückgegangen. Weder gilt ihr Gesellschaftsmodell als nachahmenswertes Vorbild noch werden von der Integration in einen US-dominierten Weltmarkt nennenswerte Wachstumseffekte erwartet. Die Aufrechterhaltung des US-Imperiums wird daher kostspieliger. Andererseits ist die EU, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg zu einem relativ einheitlichen Wirtschaftsraum entwickelt hat, kaum in der Lage, ihre privilegierte Position in der weltwirtschaftlichen Hierarchie aus eigener Kraft zu behaupten. Hierzu fehlen ihr außenpolitische Kohärenz und militärische Kapazitäten. Sie ist daher auf eine Zusammenarbeit mit den USA angewiesen, die ebenfalls ökonomische Privilegien gegenüber der kapitalistischen Peripherie und aufstrebenden Industriemächten in Asien zu verteidigen haben. Allerdings trägt die EU auch zu einer Schwächung des hegemonialen Zentrums bei, da ihre ökonomische Leistungsfähigkeit die Möglichkeiten der USA, sich Extramehrwert- und Seignoragegewinne anzueignen, ganz erheblich eingeschränkt hat.

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