Zur geltenden Rechtslage

US-Stützpunkte in Deutschland im Irak-Krieg

Auch nach der am 8.11.2002 erfolgten Verabschiedung der Irak-Resolution 1141/2002 (1) durch den UN-Sicherheitsrat kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die US-Administration unter Präsident Bus

..., ggf. im Verbund mit dem britischen Premierminister Tony Blair, in den nächsten Wochen und Monaten zu einem nationalen militärischen Vorgehen gegen den Irak entschließt. Ein solches - letztlich auf die Herbeiführung eines Regimewechsel im Irak zielendes - unilaterales Agieren außerhalb des durch die UN-Charta begründeten kollektiven Sicherheitssystems der Vereinten Nationen hat sie bereits mehrfach für den Fall angekündigt, dass der UN-Sicherheitsrat nach ihren Maßstäben unzureichende Maßnahmen gegen das Regime von Saddam-Hussein ergreift. Die Bundesregierung lehnt einem solchen Angriffskrieg ab, aber was passiert,wenn die deutschen Stützpunkte der US-Armee in den Krieg einbezogen werden? Kann die Bundesregierung dies verwehren oder ist sie sogar auf Grund der Gesetzeslage genau dazu gezwungen? Geht es nach US-Vizepräsident Richard Cheney, so nutzen Inspektionen wenig, sie können sogar schaden; für ihn ist ein Regierungswechsel im Irak sinnvoller. Eine Position, die von US-Präsident George W. Bush offensichtlich unterstützt wird, jedenfalls ließ er einen seiner Sprecher erklären, Cheney vertrete die Position der Regierung. (2) In Deutschland ist diese US-Politik nicht nur aus dem Bereich der Zivilgesellschaft, sondern auch von Bundeskanzler Schröder (3), sowie von Politikern aus anderen politischen Parteien (4) mehrfach - mehr oder weniger eindeutig - öffentlich kritisiert worden. Ein US-Krieg gegen den Irak zum Sturz des Saddam-Hussein-Regimes wäre nicht nur politisch, militärisch und ökonomisch höchst folgenreich. Er würde auch zahlreiche bedeutsame Rechtsfragen aufwerfen, die bisher erst rudimentär in der deutschen Öffentlichkeit diskutiert worden sind. (5) Dabei ist davon auszugehen, dass Deutschland mit seinem Hoheitsgebiet in zumindest vierfacher Weise in einen US-Krieg gegen den Irak verwickelt werden kann: - Die deutsche Regierung könnte um Überflugrechte im deutschen Luftraum ersucht werden. - US-Militärflugzeuge könnten auf US-Militärflughäfen in Deutschland (z.B. US-Air-Base Rhein-Main) zwischenlanden und von hier aus in ihre Einsatzgebiete weiterfliegen. - Die US-Regierung könnte versuchen, US-Kriegsmaterial, das in Deutschland befindlichen US-Stützpunkten eingelagert ist, sowie hier stationierte Truppen auf dem Luft- oder Seeweg in das Kriegsgebiet zu verbringen. - In Deutschland gelegene US-Kommandoeinrichtungen (z.B. US-EUCOM in Stuttgart-Vaihingen) sowie Kommunikations- und Infrastruktursysteme könnten in die Planung und Durchführung militärischer Operationen gegen den Irak einbezogen werden.

Kein UN-Mandat für Irak-Krieg

Für einen Krieg gegen den Irak könnte sich die US-Regierung bisher auf keine sie ermächtigende Resolution des UN-Sicherheitsrates stützen. - Die UN-Resolution 678 vom 29. November 1990, mit der die Verbündeten Kuweits seinerzeit autorisiert wurden, "alle erforderlichen Mittel" einzusetzen, um Kuweit von den damals eingefallenen irakischen Truppen zu befreien, kommt als Ermächtigungsgrundlage heute nicht mehr in Betracht. Der Zweck jener Ermächtigung, die Vertreibung der irakischen Aggressoren aus Kuweit, wurde bereits im Jahre 1991 erreicht. Weder die USA noch ihre Verbündeten waren damals autorisiert worden, Saddam Hussein und sein Regime mit militärischen Mitteln zu stürzen und einen Systemwechsel herbeizuführen. Deshalb verhielt sich der damalige US-Präsident George Bush sen. völkerrechtsmäßig, als er entgegen den Forderungen zahlreicher einflussreicher Stellen seinen Truppen einen ""Marsch auf Bagdad"" untersagte. - Die anschließenden UN-Resolutionen (6) über den Abschluss eines Waffenstillstandes (7) sowie die Einsetzung und Entsendung eines UN-Inspektionsteams (UNSCOM und seit 1999 UNMOVIC (8)) zum Aufspüren und Vernichten möglicher atomarer, biologischer und chemischer Waffensysteme ermächtigten ebenfalls gerade nicht zur Anwendung militärischer Gewalt gegen den Irak. Sie sahen weder vor, dass die Kooperation mit dem UN-Inspektionsteam durch militärische Mittel erzwungen werden, noch dass gar das Regime von Saddam Hussein durch Krieg gestürzt werden sollte. - Auch alle in der Folgezeit vom UN-Sicherheitsrat gefassten einschlägigen Resolutionen enthalten bisher keine Autorisierung eines kriegerischen Vorgehens der US-Regierung und ihrer Verbündeten gegen den Irak. Dies gilt auch für die nach wochenlangen Verhandlungen am 8.11.2002 vom UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedete Resolution 1441 (2002). Diese legt zwar ein präzises inhaltliches und zeitliches Regime für die an den Irak gerichteten Forderungen sowie die Grundsätze für die Arbeit des UNMOVIC- und IAEA-Inspektorenteams fest, das spätestens 45 Tage nach Verabschiedung der UN-Resolution, mithin spätenstens am 23.12.2002 mit seiner Tätigkeit im Irak beginnen und diese weitere 60 Tage später, also bis zum 21. Februar 2003 mit einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat abschließen muss. (9) Für den Fall, dass die irakischen Stellen mit dem Inspektionsteam nicht in vollem Maße zur Implementation der Resolution kooperieren oder dieses in irgendeiner Weise behindern sollten, werden der Leiter von UNMOVIC, Hans Blix, und der Generaldirektor der IAEA, Mohamed ElBaradei, angewiesen, hierüber dem Sicherheitsrat unverzüglich zu berichten, damit dieser die entstandene Situation beraten kann, um "international peace and security" zu sichern. (10) Welche Entscheidungen der UN-Sicherheitsrat in einer solchen Situation fassen würde, wird naturgemäß offengelassen. Der Sicherheitsrat hat in seiner Resolution jedoch in Erinnerung gerufen, dass er in der Vergangenheit den Irak wiederholt gewarnt habe, dass er mit "serious consequences as a result of its continued violations of its obligations" rechnen müsse. (11) Worin diese "serious consequences" bestehen würden, hat er bislang nicht näher konkretisiert. Es kann vor dem Hintergrund der bisher bekannt gewordenen Äußerungen der Bush-Administration nicht ausgeschlossen werden, dass sich die US-Regierung in den nächsten Monaten dennoch entschließen könnte, die in der Resolution angedrohten "serious consequences" eigenständig unilateral zu definieren und zu exekutieren. Dies wäre freilich weder mit dem Wortlaut noch mit dem erkennbaren Sinngehalt der Resolution 1441 (2002), wie er gerade auch aus den Beratungen des Gremiums abgeleitet werden kann und muss, vereinbar. Schließlich hat der UN-Sicherheitsrat in der Resolution in Ziff. 14 selbst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er mit der Angelegenheit befasst bleiben werde. Er hat damit klargestellt, dass er nicht bereit ist, die Angelegenheit aus der Hand zu geben, sondern - wie in der UN-Charta vorgesehen - auch künftig selbst darüber entscheiden will, welche Konsequenzen aus einem Fehlverhalten des Irak im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Resolutionen gezogen werden sollen.

Kein Recht zum Präventivkrieg

Für Militärschläge gegen den Irak mit dem Ziel, das Regime von Saddam Hussein zu stürzen und den Irak zum amerikanischen Einflussgebiet zu machen, könnte sich die US-Regierung nicht auf Artikel 51 der UN-Charta berufen. Art. 51 UN-Charta gewährt lediglich "im Falle eines bewaffeneten Angriffs" das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Auch wenn hinsichtlich der Reichweite und der Grenzen dieses Selbstverteidigungsrechtes eine Vielzahl von Zweifelsfragen besteht, greift es jedenfalls nur "im Falle" eines "bewaffneten Angriffs" ("armed attack") ein. Die Anwendung von Waffengewalt muss durch den Angreifer bereits erfolgt sein, ehe militärische Verteidigungsschläge zulässig sind. Allerdings besteht bislang keine hinreichende Klarheit darüber, von welchem Zeitpunkt ab Selbstverteidigungsmaßnahmen gegen einen "bewaffneten Angriff" ergriffen werden dürfen. Von den Regierungen einzelner Staaten, vor allem von Israel und den USA, ist wiederholt unter Berufung auf Art. 51 UN-Charta oder das Völkergewohnheitsrecht eine so genannte "präventive Selbstverteidigung" in Anspruch genommen worden. Dabei wurde und wird argumentiert, angesichts des erreichten Entwicklungsstandes und der Zerstörungskraft moderner Waffen sowie der kurzen Vorwarnzeiten sei es nicht angezeigt zu erwarten, dass Staaten zunächst ihre drohende Verwüstung bereits durch den ersten Waffeneinsatz des Gegners "abwarten" müssten, bevor sie selbst militärisch tätig würden. (12) Die überwiegende Auffassung in der Staatenpraxis und im völkerrechtlichen Fachschrifttum hält jedoch dennoch einen Präventivangriff bzw. eine präventive Selbstverteidigung grudsätzlich für völkerrechtlich unzulässig. (13) Als etwa Israel im Jahre 1967 unter Berufung auf Art.51 UN-Charta den so genannten 6-Tage-Krieg mit einem Präventivangriff auf Ägypten begann, verzichteten die meisten Staaten damals zwar in der UN-Generalversammlung auf eine ausdrückliche Missbilligung des israelischen Präventivkrieges. Anders war es jedoch, als Israel am 7.6.1981 ein präventives Selbstverteidigungsrecht zur Begründung seiner Bombardierung des damals im Bau befindlichen irakischen Nuklearreaktors Tamuz I beanspruchte. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte den israelischen Angriff einstimmig. Neben zahlreichen afrikanischen und asiatischen lehnten auch viele europäische Staaten ein Recht auf militärische Präventivmaßnahmen ausdrücklich ab. (14) Ungeachtet dessen haben verschiedene US-Regierungen freilich in der Folgezeit immer wieder ein solches Recht für sich und andere beansprucht. Dieser offenkundige Dissenz über die völkerrechtliche Zulässigkeit eines Präventivschlages (oder gar eines "preemptive strikes") ist rechtlich durchaus folgenreich. Denn es lässt sich jedenfalls von einer Herausbildung einer übereinstimmenden völkerrechtlichen Staatenpraxis und einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung über das Bestehen eines "präventiven Selbstverteidigungsrechtes" und damit von entsprechendem Völkergewohnheitsrecht schlechterdings nicht sprechen. Es kommt mithin allein auf die Auslegung von Art. 51 UN-Charta an. Selbst diejenigen Völkerrechtler, die im Wege einer ausdehnenden Interpretation ein Recht auf "präventive Selbstverteidigung" aus Art. 51 UN-Charta ableiten, begrenzen dies freilich auf den Fall, dass eine "eindeutige und gegenwärtige gravierende Gefahr" bestehen muss und dass in dieser Zwangslage keine anderen Mittel zur Abwehr der akuten Gefahr zur Verfügung stehen. Davon kann indes gegenwärtig im Konflikt zwischen der US-Regierung und dem Saddam-Hussein-Regime keine Rede sein. Denn auch die US-Regierung kann nicht dartun, dass die irakische Regierung gleichsam unmittelbar zu einem Angriff auf die USA oder einen Verbündeten ansetzt und dass andere Mittel als ein Präventivkrieg zur Abwehr einer solchen gegenwärtigen akuten Gefahr ausscheiden. Unabhängig davon sprechen ohnehin gewichtige Argumente gegen eine solche ausdehnende Interpretation des Art. 51 UN-Charta. Sowohl der Wortlaut ("if an armed attack occurs") als auch die Systematik und der Zweck der einschlägigen Regelungen in der UN-Charta stehen einem Recht zum Präventivkrieg ("präventive Verteidigung") entgegen. Dabei ist davon auszugehen, dass gemäß der ausdrücklichen Regelung des Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta "jede" Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen verboten ist. Die UN-Charta sieht nur eng begrenzte Ausnahmen von diesem strikten Gewaltverbot vor, und zwar den Einsatz militärischer Mittel primär durch den UN-Sicherheitsrat selbst oder in seinem Auftrag nach Art. 42, 43 und 53 UN-Charta. Einzelstaatliche Gewaltanwendung lässt die Charta nur ausnahmsweise zu, nämlich gemäß Art. 51 UN-Charta lediglich zur Notwehr und Nothilfe, wenn und so lange der UN-Sicherheitsrat nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Der Zweck der Regelung besteht ersichtlich darin, die einseitige einzelstaatliche Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen tunlichst zu beschränken. Würde man dessen ungeachtet ein Recht auf "präventive Selbstverteidigung" anerkennen, würde es damit letztlich dem einzelnen Staat überlassen, nach seinem Gutdünken über einen "drohenden Angriff" zu entscheiden. Die in Art. 51 UN-Charta vorgenommene Beschränkung des einzelstaatlichen Selbstverteidigungsrechtes auf den "Fall eines bewaffneten Angriffs" wäre dann aus den Angeln gehoben. Aus dieser Regelungsstruktur und Systematik der UN-Charta wird deutlich, dass Art. 51 UN-Charta eine Ausnahme vom allgemeinen Gewaltanwendungsverbot des Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta darstellt. Ausnahmevorschriften - und damit auch Art. 51 UN-Charta - sind einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Ein Staat, der sich über diese Beschränkungen der einzelstaatlichen Gewaltanwendung in der UN-Charta hinwegsetzt und - unter von ihm definierten Voraussetzungen und Bedingungen - ein Recht zum Präventivkrieg in Anspruch nimmt, handelt damit völkerrechtswidrig. Er begeht eine Aggression.