"Gestaltung des Anpassungsdrucks", "Rückkehr zu bewährter Gewerkschaftspolitik" oder "Kampf um soziale Transformation"?

Gewerkschaftliche Positionen zur Globalisierung in Deutschland und Frankreich

in (27.02.2003)

Im vorliegenden Artikel geht es um Globalisierungskritik von gewerkschaftlicher Seite. Dabei wird zunächst auf den vorherrschenden "wettbewerbskorporatistischen" Gewerkschaftsdiskurs eingegangen. ...

... Daran anschließend werden jene Debatten in Deutschland und Frankreich genauer betrachtet, die nicht nur prinzipielle Vorbehalte gegenüber der aktuellen sozioökonomischen Entwicklung formulieren, sondern auch die jeweils etablierten gewerkschaftlichen Mehrheitspositionen prinzipiell hinterfragen. Dabei zeigt sich, dass eine in beiden Ländern ähnlich angelegte Globalisierungskritik zu ganz unterschiedlichen Schlussfolgerungen darüber führt, was aktuell die vordringlichen gewerkschaftlichen Aufgaben und Handlungserfordernisse sind. Die französische Debatte erscheint dabei insofern als "fortgeschrittener", als hier die Art und Weise der Gestaltung von "Interessenvertretung" durch die Lohnabhängigen selbst Bestandteil der Diskussion ist. Das Ziel des Artikels ist es zunächst, die Debatte zu strukturieren, bzw. politisch gesprochen: zu polarisieren. Die einhellige Mahnung, Gewerkschaften und Interessenvertretungen müssten sich den "neuen Herausforderungen" stellen, verdeckt häufig, dass es keineswegs einen Konsens darüber gibt, worin eben die neuen Herausforderung bestehen und wie ihnen zu begegnen sei. Der Vergleich mit Frankreich soll zudem zeigen, dass der Stand der "globalisierungskritischen" Gewerkschaftsdebatte der Bundesrepublik sich nicht nur theoretisch, sondern mittlerweile auch ganz praktisch auf seine Grenzen hin befragen lässt. Von Sozialpartnerschaft zu "Co-Management" Spätestens seit Beginn der 90er Jahre erlebte man in den Wirtschaftswissenschaften und in der politischen Debatte einen paradigmatischen Wechsel in der Betrachtung wirtschaftlicher "Internationalisierung". Diese erscheint nun nicht länger als weitgehend harmonische "Kooperation" zum gegenseitigen Vorteil, sondern als Kampf, bei dem nur der Stärkere gewinnen kann. Um im "internationalen Wettbewerb" zu "bestehen" sind sämtliche gesellschaftlichen Akteure, insbesondere der Staat, aufgefordert, "Anpassungsleistungen" zu erbringen und solche "Handlungsbedingungen" für die je eigenen Unternehmen zu schaffen, die deren Profitabilität sichern. Bei allem öffentlichen Bedauern über "notwendige Einschnitte" oder "Kostensenkungsprogramme" gibt es scheinbar keine Alternative, denn so wie der "Markt" als der Menschheit wesenseigene Institution der Vergesellschaftung gilt, wird auch seine Internationalisierung, bzw. die der Produktion selbst, als quasi natürliche Angelegenheit betrachtet. "Globalisierung" wird zum "Sachzwang", insofern der zunehmend international hergestellte Maßstab von "Rentabilität" aus jeglicher kritischer Reflexion ausgeblendet bleibt. Auch im gewerkschaftlichen Diskurs ist in nahezu allen europäischen Ländern die Erhöhung der "Wettbewerbsfähigkeit" der je eigenen Unternehmen das gemeinhin anerkannte prioritäre Anliegen. Bei genauerer Betrachtung lässt sich auch hier eine "harmonische" Betrachtung von einer "Sachzwang"- Diskussion unterscheiden. Nach der ersten gewährleistet die Interessenbefriedigung der Belegschaften selbst eine gelingende Internationalisierung des Unternehmens: "Noch neigt mehr als nur ein Unternehmensführung zur Unterschätzung des wichtigsten Faktors für eine erfolgreiche internationale Strategie - nämlich einer qualifizierten, hoch motivierten und sich mit dem Standort und dem Unternehmen identifizierenden Belegschaft" (Schmoldt 1999, 47). Erfolgreicher "internationaler Wettbewerb" und Interessen der Belegschaften schließen sich hier nicht aus sondern bedingen einander, und es ist Aufgabe von Gewerkschaften, eben diesen Zusammenhang geltend zu machen: "Mitbestimmung ist ein Standortvorteil" (Engelen-Kefer 2001). In der zweiten, der "verschärften" Lesart von Globalisierung dagegen betonen die Gewerkschaften zwar auch die Unverzichtbarkeit ihres Beitrages zur Wettbewerbsfähigkeit, allerdings mit einem deutlichen Perspektivwechsel: Der (internationale) Markt und seine "Anforderungen" an die Unternehmen werden zum gedanklichen Ausgangspunkt, auch und gerade für Gewerkschaften. Entsprechend hat Sozial- und Gewerkschaftspolitik die Aufgabe, solche Verhältnisse zu schaffen "die für die Unternehmen attraktiver sein müssen als das, was ihnen in anderen Staaten geboten wird" (Streeck 1997, 1). Allgemein anerkannt ist das Erfordernis, Zugeständnisse zu machen, sofern dies "ökonomisch notwendig" sei, was immer heißt: notwendig im Sinne eines florierenden Unternehmens. Zwar gilt der vom "Markt" herrührende "Sachzwang" oder auch "Anpassungsdruck" nun wiederum Vielen als Vehikel sozialer und gesellschaftlicher Innovation (vgl. z.B. Kommission Mitbestimmung 1998: 72), doch aus dem Insistieren auf Belegschaftsinteressen als Garanten moderner Produktion ist unter der Hand ein "Sicherstellen" von Beschäftigteninteressen geworden. Eine solche Konzeption hat praktische Konsequenzen: Indem die unternehmerischen Markt- und Konkurrenzzwänge gedankliche Grundlage der eigenen, gewerkschaftlichen Handlungsfähigkeit sind, ist es nur naheliegend, sich nun - als Gewerkschaft - direkt mit der ökonomischen Situation des Landes und vor allem der einzelnen Unternehmen auseinander zu setzen. Gedanklich wird die Perspektive des Management eingenommen, um den gewerkschaftlichen Handlungsrahmen zu prüfen, und um "alternative Konzepte" zum "Erhalt des Standortes" vorzulegen. Vor allem auf betrieblicher Ebene beteiligt man sich also an Unternehmensanalysen, Kostenkalkulationen und internationalem Benchmarking - durchaus im Sinne der Beschäftigten: "Die Frage, ob dies [die aktive Beteiligung an Benchmarking, S.H.] nun Co-Management ist, das den Rahmen 'redlicher' Interessenvertretung überschreitet, stellt sich praktisch nicht. Arbeitsplätze und soziale Arbeitsbedingungen werden sich nur durch eine kritische Teilnahme an den Untersuchungen und eine aktive Auseinandersetzung mit den vom Management vorgebrachten Wettbewerbsargumenten, also eine Beeinflussung der Prozesse im Interesse der Beschäftigten, sichern lassen" (Eller- Braatz/Klebe 1998, 449). Auf internationaler Ebene setzt sich dieses Prinzip des "Co- Management" fort. Wie etwa die Literatur zu Eurobetriebsräten zeigt, wird der internationale Austausch als Effektivierung der Unternehmens- und Standortsicherung konzipiert: Dank verbesserter Informationen wisse man genauer Bescheid, wie es um das Unternehmen und einzelne Standorte stehe, und könne daher schon früher und effektiver "Alternativen" oder "soziale Abfederungen" entwickeln (Interview 1999a). Das Bestehen im "internationalen Wettbewerb", vorher das automatische Produkt einer "vernünftigen Unternehmenspolitik", ist zur unmittelbaren Angelegenheit von Interessenvertretungen geworden. Es wäre nun allerdings ungenügend, solche Positionen des "Wettbewerbskorporatismus" einfach als "falsch" abzutun. Sowohl die Position der Sozialpartnerschaft wie die des Co-Management verweisen auf reale weltwirtschaftliche Zusammenhänge. Zunächst ist die Reichtumsproduktion derzeit ohne Zweifel eine kapitalistische, und "profitable Unternehmen" daher tatsächlich im Interesse "aller", insbesondere auch von Gewerkschaften. Vor allem aber hat sich das ökonomische Umfeld für (internationale) Unternehmen radikal geändert. Galt im Zeitalter der fordistischen Massenproduktion die Absorptionsfähigkeit des Marktes als quasi unbegrenzt, so dass der Verkauf der Waren kaum problematisiert werden musste, kann mit dem Niedergang dieses Akkumulationsregimes nicht länger von den Bedingungen der Verwertung abstrahiert werden. Stockungen, Eruptionen und plötzliche Expansionen des Marktes versuchen die Unternehmen mit höchstmöglicher "Flexibilität", Preiskämpfen und "Rationalisierungsdruck" zu begegnen. Konnte also die "harmonische", sozialpartnerschaftliche Herangehensweise darauf insistieren, dass Arbeitskräfte Produzenten von Reichtum sind, stellt die Perspektive des Co-Managements die Frage von Kosten und Produktivität in den Mittelpunkt. Die für Unternehmen stets neue Frage, inwieweit sie in Belegschaften investieren, ob sie "fremdvergeben", "auslagern", oder schließen - wie sie also die "Rentabilität" der Belegschaften definieren, diese Frage wird von Gewerkschaftsseite - angesichts eines verschärften unternehmerischen "Standortwettbewerbs" - übernommen. Arbeitskräfte sind danach zuvorderst "Kostenfaktor", und abhängig von Kapitalinvestitionen in ihr Arbeitsvermögen. Eine Kritik an "Co-Management" und "Standortideologie" gestaltet sich bei genauerer Betrachtung also als schwieriges Unterfangen, will man über bloße Denunziation hinausgehen. Vonnöten ist sie aber allemal. Denn die Folgen einer Konzeption von Interessenvertretung, die systematisch an die Grenze des als prioritär gesetzten "unternehmerischen Wohls" stößt und in eine Politik der "Zugeständnisse" mündet, sind mittlerweile in weithin sich verschlechternden Arbeits- und Lebensbedingungen deutlich sichtbar. Gewerkschaftliche Globalisierungskritik: Kampf für eine andere Politik Entsprechend treten Kritiker auf den Plan, die auf eine Umorientierung gewerkschaftlicher Politik drängen. Gewerkschaften müssten "politisch" agieren, "im Sinne der Zugehörigkeit zu einer politischen Bewegung, die eine umfassende Gemeinwohlperspektive und nicht nur Partikularinteressen vertritt" (Zeuner 2000, 41). Den ökonomischen Zwängen werden Vorstellungen sozialer Gerechtigkeit entgegengehalten, die durch "Gegenmacht" und "Abkehr von der Standortideologie" von Gewerkschaften einzuklagen seien. Die Autoren problematisieren die "Sachzwanglogik" allerdings mehrheitlich nicht, indem sie auf deren kapitalistischen Charakter verweisen, sondern indem sie eine neue Qualität der internationalen Konkurrenz zwischen Unternehmen verneinen: Es gäbe keinen "quantitativen oder qualitativen Sprung in der Entwicklung multinationaler Unternehmen" (Wortmann 2001, 10) und damit auch keine realwirtschaftliche "Globalisierung", diese sei vielmehr ein "Mythos" (Bourdieu), ein strategischer "Kampfbegriff" (Kisker), eine "ideologische Keule, um die arbeitende Bevölkerung zu disziplinieren" (Zinn 1997, 253). "Globalisierung" bezeichnet hiernach also einen politisch-ideologischen Vorgang, ein "politisches Projekt", dessen zentrale Träger die Nationalstaaten selbst seien, die seit den 80er Jahren eine "neoliberale Politik" betrieben hätten: "Globalisierung wird vom Staat als [...] Drohpotential genutzt, um [...] Handels- oder Investitionshemmnisse abzubauen, gewinnmindernde Sozialstandards und die Ausbeutung der abhängig Beschäftigten begrenzende Schutzvorschriften zu eliminieren, dagegen aber die Sicherheit der Kapitalverwertung zu verbessern" (Kisker 2000, 91). Innerhalb der Autoren bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, inwieweit durch solche Maßnahmen nun tatsächlich eine "globalere Ökonomie" geschaffen wurde. Auf jeden Fall erfolge aber im Resultat eine "Rückkehr" zu einem "sozialstaatlich unregulierten und reformpolitisch ungezähmten Kapitalismus" (Huffschmid 2000, 67f.) - und dieser sei nur durchzusetzen, weil die "Ideologie der Globalisierung", und mit ihr Vorstellungen von Konkurrenz und Sozialdarwinismus als Grundprinzipien gesellschaftlicher Beziehungen, Hegemonie erlangt hätten (Bourdieu 1997). Der Ausweg aus dieser Entwicklung ist bereits in der Art ihrer Darstellung angelegt. "Globalisierung" sei kein natürliches, sondern ein (politisch) hergestelltes Phänomen und daher veränderbar (Zinn 2002, 1). Die gesellschaftlichen Akteure verlieren in dieser Betrachtung nicht - wie nach der "Sachzwanglogik" behauptet - ihre Handlungsfähigkeit, eben weil zuvor wirtschaftliche "Globalisierung" als materielles Phänomen weitgehend zurückgewiesen worden war. Insbesondere der "Staat", derzeit Betreiber einer desaströsen Politik, soll und kann in die Verantwortung genommen werden: "Die Gesellschaft hat ein Recht darauf, die Verschiebung des Mehrwertes, der im Inland von den abhängig Beschäftigten nicht zuletzt auf Grund bestimmter, von der Gesellschaft geschaffenen Voraussetzungen erwirtschaftet worden ist, zu kontrollieren.[...] Die Behauptung, dass der Staat auf Grund der Globalisierung der Kapitale nicht mehr in der Lage ist, durch seine Geld- und Fiskalpolitik soziale bildungspolitische und ökologische Ziele durchzusetzen und dementsprechend auch nicht mehr der Adressat gesellschaftlicher Forderungen sein könnte, ist genau der Mythos, den das Kapital zu etablieren versucht" (Kisker 1998, 4). Im Zentrum steht also eine veränderte Politik, von staatlicher Seite, wie auch insbesondere von Gewerkschaften - man solle sich nicht länger an den Kapitalinteressen, sondern an denen "der Gesellschaft" orientieren. Es ginge um eine "Transformation des Mehrprodukts in gesellschaftlichen Fortschritt, für Arbeitszeitverkürzung, eine bessere soziale Sicherung, steigende Ausgaben für Kultur, Bildung, Umweltschutz" (Christen 2000; ähnlich Bourdieu 1998a). Im Kampf für eine Politik der "sozialen Gerechtigkeit und Gleichheit" und gegen die "Ideologie der Globalisierung" kommt den Gewerkschaften ein umfassendes Aufgabenfeld der Mobilisierung und Aufklärung zu: Gewerkschaften sollen den "Sozialdarwinismus delegitimieren" (Gesprächskreis 2001, 3ff.), den "Mythos der Globalisierung" und des "Modernismus" demaskieren (Bourdieu u.a. 1997), sie sollen das "Selbstbewußtsein der Mitglieder erziehen" (Zinn 2002), sie sollen Werte ökologischer Entwicklung neu begründen (Hoffmann 1997) und für Eckpfeiler eines "europäischen Sozialmodells" streiten (Schulten 2001). Um wirksamen "Druck von unten" zu entwickeln und eine "Gegenöffentlichkeit" herzustellen, müssten Gewerkschaften zudem mit sozialen Bewegungen zusammenarbeiten (Bsirske 2000) und sich international koordinieren. Über effektiven "Widerstand und Protest" gälte es, die "politischen Kräfte- und Mehrheitsverhältnisse" zu ändern, und zwar auf regionaler, staatlicher und europäischer Ebene (Bischoff/Detje 1997, 112). "Wer anders als die Gewerkschaften sollte die politische Klasse [...] dazu bewegen können, ihre Pflicht zu tun..." (Krätke 2002, 60). Diesem Ansatz von Globalisierungskritik ist schon öfter vorgeworfen worden, dass er nicht den kapitalistischen Verwertungszusammenhängen auf den Grund gehe, sondern sich lediglich an einer bestimmten Form, ihrer "Globalisierung", störe und sich mit einem Projekt der "Re-Regulierung" begnüge. In der Tat werden die destruktiven Momente der aktuellen Entwicklung an den letztlich als äußerlich gefassten Multinationalen Konzernen, insbesondere dem internationalen Finanzkapital festgemacht. Die Begriffe "Staat", "Gesellschaft" und "Volkswirtschaft" sind positiv besetzt, gerade sie werden der "Globalisierung", vermeintliche Ursache aller Negativentwicklungen, entgegengehalten. Eine Betrachtung, die notwendigerweise zu Widersprüchen und Grenzen in der Analyse führt. Insbesondere weil die kapitalistische Wirtschaft gedanklich "aufgespalten" wird: in äußere, "destruktive" Kräfte und "fortschrittliche" wie Wettbewerb, "Effizienz" und "Leistung": "Grundsätzlich ist Standortwettbewerb unproblematisch, wenn er im Resultat zu einer der Produktionskapazität entsprechenden Konsumtionskapazität führt" (Bischoff/Detje 1997, 112) Allerdings wäre es ungenügend, die hier vorgestellte Globalisierungskritik als "reformistisch" abzutun. In den Forderungen nach einem "Politikwechsel" und Neuausrichtung der Akteure entlang sozialer und ökologischer Kriterien ist zugleich ein Anspruch auf gesellschaftliche Gestaltung enthalten, der seinerseits nicht festgelegt, sondern über gesellschaftliche Auseinandersetzungen zu bestimmen ist. In der Tat lassen sich - unterhalb der hier skizzierten Prämissen - bemerkenswerte Unterschiede zwischen der französischen und der bundesdeutschen "gewerkschaftslinken" Debatte feststellen. Spezifika der bundesdeutschen Debatte: Kampf gegen falsches Bewusstsein... In den Betrieben führten, so die Autoren, neue "Rationalisierungsstrategien" zu einer "Entgrenzung der Arbeit", d.h. zu erhöhtem Leistungs- und Flexibilitätsdruck und zu einer verstärkten "Segmentierung" der Arbeitsverhältnisse in Kern- und Randbelegschaften. Als Antwort auf derartige "gewerkschaftsfeindliche Unternehmensstrategien" werden bspw. Überlegungen in Richtung auf Abkehr von der Stellvertretermentalität der Betriebsräte, für Kampagnen gegen Überarbeit und Gesundheitszerstörung von Beschäftigten oder auch für Koalitionen mit dem örtlichen Management diskutiert (Dörre 2001; Pickhaus u.a. 2001). Insbesondere sollten Belegschaftsvertretungen sich internationalisieren, um dem "Ausspielen" durch das Management entgegentreten zu können (Bierbaum2001; Mihr 2001). Allerdings stünden Gewerkschaften wie Belegschaften trotz einiger Erfolge weiter massiv "unter Druck" (Fergen/Pickhaus 2001), dafür sei insbesondere die "Massenarbeitslosigkeit" verantwortlich: "Auf die eigene Kraft vertrauen - diese Formel einer autonomen Gewerkschaftspolitik [...] geht heute nicht mehr so leicht von den Lippen. Zu lange hat das Gift der Massenarbeitslosigkeit im Gesellschaftskörper bereits gewirkt" (Detje 2002, 5) Argumentativ steht mithin die "Zersetzung" von Kollektivität, Solidarität und sozialer Sicherheit durch "Globalisierung" im Zentrum der Betrachtung (Bischoff/ Detje 2002) - allerdings bleibt dann im Weiteren merkwürdig unbestimmt, in welchem Verhältnis diese veränderten Lebensrealitäten, insbesondere die Arbeitslosigkeit, zu der diagnostizierten "geschwächten Kampfkraft" stehen. Nicht selten verflüchtigen sich die konkreten Handlungsbedingungen der Lohnabhängigen ganz. Deren "Defensive" wird dann tautologisch begründet - mit dem "falschen Bewußtsein" - und erscheint so als rein ideologisches Phänomen: "Es ist wohl keine Übertreibung festzustellen, dass das historische Bewußtsein bei einem großen Teil der arbeitenden Menschen verloren gegangen ist, und dass sie deshalb ihre Situation als bloße Objekte und Opfer der Kapitalverwertung nicht mehr klar erkennen. Aus solcher Bewußtlosigkeit für die eigene Position folgt dann auch der Mangel an ideologischer Gegenkraft zur Globalisierungs- und Standortpropaganda [...] Leider kommen dieser ideologischen Ohrenbläserei bequemes Harmoniebedürfnis und unsolidarischer Individualismus bei den Empfängern der Botschaft viel zu oft entgegen" (Zinn 2000, 17). Unter der Hand wird "falsches Bewusstsein" so zum gedanklichen Ausgangspunkt weiterer Überlegungen. Nicht von ungefähr ist die eingeklagte "Offensive" der Gewerkschaften vor allem als ideologischer Terraingewinn konzipiert. "Die Arena der Macht ist die gesellschaftliche Öffentlichkeit, die es zu überzeugen und zu mobilisieren gilt" (König/Detje 2002, 29). Es geht um den "Kampf um die Köpfe", darum, "mit der herrschenden Logik [...] zu brechen" (ebd.), um "fundierte und schlüssige Aufklärung". Das Ziel, den Fatalismus der Sachzwänge zu durchbrechen, soll durch die "Überzeugung" erreicht werden, dass gesellschaftliche Alternativen möglich sind. Indem allerdings die durch "Globalisierung" veränderten Lebensrealitäten der sozialen Akteure nur ansatzweise in einen systematischen Bezug zu ihrem "Bewusstsein" gesetzt werden, zerrinnt die Verankerung der eingeklagten Offensive. Kampfesstärke erscheint plötzlich als eine Frage der Einsicht. ... und für den Erhalt bewährter Gewerkschaftsstrukturen Dieser Befund lässt sich auch in Hinblick auf die Gewerkschaften selbst formulieren: Avanciert das "Bewusstsein" von seiner Umwelt zum zentralen Referenzpunkt für Überlegungen in Richtung globalisierungskritischen Gewerkschaftshandelns, treten die Strukturen der Gewerkschaften selbst - als Teil der sozialen Umwelt der Akteure - in den Hintergrund der Betrachtung. Indem gedanklich von den "Köpfen der Menschen" ausgegangen wird, unterstellt man, es sei ohne weitere Voraussetzungen möglich, ein anderes Verständnis und sogar ein anderes Handeln an den Tag zu legen. In der Tat führen dieselben Autoren, die die Entsolidarisierung durch Massenarbeitslosigkeit betonen und die kurz zuvor den "Brückenschlag" zwischen Kern- und Randbelegschaften zur "Zukunftsfrage" von Gewerkschaften erklärt haben aus, dass die Zukunft in einer Fortsetzung (!) der Organisierung qualifizierter Arbeit liege - und explizit nicht in der von "Marginalisierten": "Die Überwindung der Defensive wird maßgeblich davon abhängen, ob die Gewerkschaften die neuen, sehr buntscheckigen Kategorien der 'Wissensarbeiter' - die gleichsam der soziale Ausdruck der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte sind - für ihre Zukunftsperspektive überzeugen können. Und davon wird [...] abhängen, ob Solidarität [...] tatsächlich mit neuem Leben gefüllt werden kann. Dies wird nur in begrenztem Rahmen von fragmentierter, marginalisierter Arbeit ausgehen können, und von Arbeitslosen unmöglich herzustellen sein. Die Potenziale liegen dort, wo qualifizierte Arbeit verrichtet wird und diese über die entsprechende Ressourcen verfügt". Und in der Fußnote heißt es in Bezug auf Arbeitslose: "Solidarität kann nicht von den 'Opfern' durchbuchstabiert werden" (Forum Gewerkschaften 2001: 10). An dieser Stelle geht es weniger darum, dass ganzen Lohnabhängigengruppen ohne größere Diskussion die Fähigkeit, ihre soziale Umwelt zu verändern, abgesprochen wird. Hier ist vielmehr interessant, dass die von den Autoren selbst so betonte veränderte Situation der Belegschaften durch Arbeitslosigkeit offensichtlich keinerlei organisatorische Konsequenz hat. Es wird gar nicht gefragt, wie die den "Wissensarbeitern" zugeschriebene Rolle als "künftige Kernbelegschaften" zu den von den Autoren selbst beschriebenen Tendenzen der "Individualisierung", "Vereinzelung" und innerbetrieblichen "Vermarktlichung" am Arbeitsplatz gerade dieser Klientel passt. Es reicht, dass sie "sozialer Ausdruck" der sich entwickelnden Produktivkräfte sind. Ebenso ist der privilegierte Ort der Organisierung wie selbstverständlich der Betrieb, völlig unvermittelt zu den von den Autoren selbst genannten Momenten der "Fragmentierung", "Dezentralisierung" und "Segmentierung" von Unternehmen sowie insbesondere der umfänglich beschriebenen "Entgrenzung der Arbeit". Doch auch die innerbetrieblichen Institutionen der Interessenvertretung werden als solche nicht hinterfragt. Trotz mitunter sehr umfangreicher Recherchen und vorbehaltloser Kritik an der aktuellen Betriebspolitik (Bergmann u.a. 1998) wird so gut wie nirgends die Institution Betriebsrat daraufhin geprüft, inwieweit sie das kritisierte "concession bargaining" strukturell nahe legt. Diese Institution, gemeinhin als "Errungenschaft" betrachtet, wird in ihrer "Schwäche" mal in Schutz genommen - der "Druck" sei eben zu groß - s.o. - mal wird angemahnt, sie solle anders, nämlich kämpferischer "gefüllt" werden, ihre "Stellvertretermentalität" ablegen, und sich neuen Aufgaben zuwenden. Den Hauch einer Strukturdiskussion in dieser Frage stellt lediglich die Forderung dar, Vertrauensleute zu stärken (Hein 1994), und selbst dieses Anliegen ist in der aktuellen kritischen Diskussion nicht eben weit verbreitet. Quasi nirgends werden typische bundesdeutsche "Eckpfeiler" der Interessenvertretung in einen Zusammenhang gebracht zur diagnostizierten Krise der Gewerkschaften. Vielmehr wird auf allen Gebieten eine Art "Fehlinterpretation" der Institutionen zum Ausgangspunkt der Überlegungen - denen man dann eigene, "kämpferische" entgegensetzt: "Mitbestimmung ist kein Standortfaktor sondern demokratische Gegenmacht" (Fiedler 2000, 1). Implizit oder explizit rekurriert man so auf Fortführung eines vermeintlich bewährten Gewerkschaftsmodells. Um das "eigentliche" Funktionieren der Institutionen zu belegen, wird ein harmonistisches Gesellschaftsbild gezeichnet, das lediglich von außen bedroht ist: "Mitbestimmung signalisiert, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber den Kapitalinteressen zumindest gleichwertig und gleichberechtigt sein sollen. Nicht ganz zu unrecht sehen deshalb die 'shareholder-value-Vertreter' in den gewerkschaftlichen Mitbestimmungsforderungen eine Kampfansage an die Interessen der Aktionäre und Profiteure" (ebd., 2). Diejenige Minderheit an Diskutanten, die auch innergewerkschaftliche Strukturdefizite benennt und bemerkenswerte Forderungen bspw. nach einer radikalen innergewerkschaftlichen Demokratisierung, nach konsequenter Internationalisierung und "direkter Kooperation" oder eben nach Vertretung von "Randgruppen" aufstellt (Bierbaum 2001; Riexinger 1999) lassen zwar auf den Beginn einer Strukturdebatte hoffen, doch kann von einer solchen noch nicht die Rede sein. Denn die kritisierten Schwachpunkte werden tendenziell als vermeidbare Auswüchse dargestellt, und nirgends auf ihren Zusammenhang zur vorherrschenden Organisationsform hin befragt. Dass das Terrain der Auseinandersetzung auch von den "Aufmüpfigeren" in erster Linie als ideologisches konzipiert ist, zeigt sich nicht zuletzt bei der sog. "Mitgliedergewinnung". Bei dieser Frage, die von nahezu allen Diskutanten zur prioritären Aufgabe erklärt wird, stehen wiederum "Überzeugungsarbeit" und Formen "effektiver Mitgliederwerbung" im Mittelpunkt. Zwar beklagt man selbst eine große "Passivität" und verbreitetes "Stellvertreterdenken" vieler Mitglieder. Doch erneut führen derartige Befunde zu keiner gewerkschaftlichen Strukturdiskussion, bspw. um Formen verbesserter Einflussnahme der "Basis", sondern die Forderung, Mitglieder müssten sich in der Gewerkschaften wiederfinden, erscheint als ein Willensakt aller Beteiligten. Um es zusammenzufassen: In der bundesdeutschen, "kritischen" Debatte wird ein Politikwechsel von Gewerkschaften eingeklagt, ohne dass die vorherrschenden Modi gewerkschaftlicher Organisierung und Vertretung von Lohnabhängigen auch nur ansatzweise hinterfragt würden. Die als im Prinzip richtig erachteten Gewerkschaftsinstitutionen sollen daher einerseits gegen die äußerliche Bedrohung verteidigt werden, andererseits sollen sie effektiver "gefüllt", mitunter "ergänzt" werden, bspw. durch die Erhöhung des Frauenanteils, durch Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen, aber auch durch "Internationalisierung". Eine solche Debatte um Formen der Ergänzung der Gewerkschaftsinstitutionen findet - in gedanklicher Fortführung der Facharbeitergewerkschaft - vor allem in Bezug auf betriebliche Veränderungen durch "Globalisierung" statt, einschließlich verbreiteter Überlegungen in Richtung internationaler Kooperation. All diese Überlegungen dienen dem Ziel, die Fähigkeit der Gewerkschaften, "Druck" auszuüben, wieder zu erhöhen - die Strukturen der Interessenvertretung als solche stehen nicht zur Disposition. Nun ist nichts gegen betriebliche oder gar unternehmensweite Kampfesstärke, innergewerkschaftliche Umdenkungsprozesse oder die Wichtigkeit von Überzeugungsarbeit einzuwenden. Insbesondere hätte eine öffentliche politische Auseinandersetzung um das für und wider vermeintlicher Sach- und Kostenzwänge eine herausragende Bedeutung, man denke nur an die nicht nachlassenden Verunglimpfungen in Richtung "selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit" - und daran, dass die bundesdeutschen Gewerkschaften insgesamt dem vermeintlich notwendigen "Ausbau des Niedriglohnsektors" zustimmen, wenn nicht nach CDU dann doch nach Hartz-Manier. Doch es muss auch gefragt werden, ob die Rolle, die die "Gewerkschaftslinken" den Gewerkschaften zuschreibt, nämlich eine gesamtgesellschafliche Kraft im Sinne von Aufklärung und Emanzipation gegen die "Hegemonie des Neoliberalismus" zu sein, möglich ist zu erfüllen, wenn das Terrain der Auseinandersetzung ein vorwiegend ideologisches bleibt. Es scheint kein Zufall, wenn mitunter beklagt wird, dass die "schwungvollen Reden linker GewerkschafterInnen [...] aktives Handeln in den realen betrieblichen wie öffentlichen Auseinandersetzungen" vermissen ließen (Hinzer/Gobrecht 2002, 29). Gerade vor dem Hintergrund der legendär "großen" und kampfstarken bundesdeutschen Gewerkschaften scheint trotz aller Erfahrungen der Niederlagen und Schwächungen insgesamt noch die Vorstellung vorherrschend zu sein, allein eine Rückbesinnung auf Stärke und Kampfkraft könne den entscheidenden Politikwechsel bringen. Allerdings ist bislang auch keine praktische soziale Bewegung in Sicht, die weiterführende Überlegungen auf die Tagesordnung setzt - trotz allem durchaus vorhandenen Unmut über das Verhalten der "Gewerkschaftsspitzen", der beispielsweise regelmäßig bei frühzeitigem Abbruch einer Streikbewegung zugunsten eines als mager empfundenen Kompromisses zum Ausdruck kommt (Kommentare 2002). Damit schließt sich der Kreis: bei nur geringem, oft ausbleibendem "Druck von unten" ist es naheliegend, soziale Veränderungen als einen Prozess des "Umdenkens" zu konzipieren.... Nichtsdestotrotz lässt sich der Befund auch noch harscher formulieren: Ohne eine Infragestellung der Funktionsweise der Gewerkschaften selbst, wird die notwendige politische und soziale Emanzipation gedanklich auf das reduziert, was die bisherigen Institutionen der Interessenvertretung zulassen. Bei allen Überlegungen um ihre interne Reform oder inhaltliche Erweiterung sind sie bzw. ihre nach Ansicht der Autoren ursprüngliche, nämlich kämpferische Bestimmung stets Maßstab einer Lohnabhängigenvertretung, und das heißt auch von individueller und kollektiver Entwicklung, sozialer Teilhabe, und der Veränderung der sozialen Umwelt. Die "Re-Regulierung der Wirtschaft" kann so nur bedingt mit weitergehenden gesellschaftlichen Konzeptionen verbunden werden. Denn bei aller Erneuerungsrhethorik werden die prinzipiellen sozialen Rollen innerhalb wie außerhalb der Interessenvertretung gedanklich nicht problematisiert, sondern im Gegenteil - angesichts ihrer Bedrohung durch "shareholder" - noch harmonisiert, ihrer destruktiven Seiten entledigt. Der Betrieb ist das gesellschaftliche Zentrum, Unternehmen sollen nicht ruinös konkurrieren, sondern förderlichen "Wettbewerb" betreiben, Belegschaften werden entlang ihrer betrieblichen Probleme repräsentiert, der Staat sorgt für eine vernünftige Sozialpolitik, Arbeitslose werden ausreichend "versorgt", soziale Bewegungen sind gewerkschaftliche "Bündnispartner" - nicht zufällig klingen derartige Eckpfeiler emanzipativer Überlegungen seltsam unspektakulär. "Utopische" Ansprüche, "verrückte" Wünsche und insgesamt ein Raisonnieren über Möglichkeiten ganz anderer Formen von Gesellschaftlichkeit werden in ihnen gleichsam erstickt. Dabei deutet das gegenwärtige vorsichtige Wiederaufleben sozialer Utopien, nicht zuletzt in Teilen der weltweiten globalisierungskritischen Zusammenhänge, auf prinzipielle Grenzen der vorgefundenen sozialen Lebensformen, unabhängig vom Grad ihrer "Regulierung". Diese Ansätze aufzugreifen, und damit das emanzipative Projekt über die - zudem verklärten - Möglichkeiten der Vergangenheit hinauszutreiben, ist Sache der Autoren nicht, obwohl auch sie "sozialistische, emanzipatorische Alternativen" proklamieren (Bischoff/Detje 2001). Spezifika der französischen Debatte: Kampf gegen Prekarisierung... Nun wäre es übertrieben zu behaupten, in Frankreich sei "alles anders". Zunächst lässt sich auch hier ein gedanklicher Perspektivwechsel von "Sozialpartnerschaft" zu "Co-Management" feststellen, selbst wenn die französischen betrieblichen Interessenvertretungen weniger "Mitbestimmungsrechte" innehaben als die bundesdeutschen (Tixier 1992). Gerade die Auseinandersetzungen um die Einführung der 35- Stunden- Woche, und die Frage, inwieweit von Gewerkschaftsseite eine Flexibilisierung der Arbeitszeit gegen ihre Verkürzung "angeboten" werden muss, markieren deutlich den durchaus verbreiteten Anspruch, unter Bedingungen der Globalisierung die Frage der Arbeitskosten zur gewerkschaftlichen Angelegenheit zu machen (Notat 1997). Weiterhin gibt es in der französischen kritischen Gewerkschaftsdebatte einen erheblichen Teil von Diskutanten, die in erster Linie auf eine Fortführung vormaliger Gewerkschaftsarbeit setzen, in der Hoffnung, allein durch Überzeugung und Mobilisierung könnten frühere Stärken wieder erreicht werden. Allerdings existiert noch ein weiteren Diskussionsstrang, der gerade in den letzten Jahren eine nicht unerhebliche Ausstrahlung auf die Gesamtdebatte entwickeln konnte. Von hiesigen Gewerkschaftslinken wird dieser Teil der Debatte bisher systematisch nicht zur Kenntnis genommen, obwohl man hierzulande häufig auf die Stärke französischer sozialer Bewegungen verweist und es liebt, globalisierungskritische Äußerungen von Pierre Bourdieu zu zitieren. Nicht zuletzt deswegen soll im folgenden versucht werden, anhand besonders von Texten Bourdieus auf einige nicht unwichtige Unterschiede in den Gewerkschaftsdebatten der zwei Länder aufmerksam zu machen. An Bourdieu lässt sich insofern auch die "Reichweite" des "radikaleren" Diskurses festmachen, die Tatsache, dass er keine Angelegenheit einiger "Marginalisierter" ist. Wiederum sind Bourdieus Äußerungen keine Einzelmeinung, sondern durchaus typisch für ein Spektrum von kritischen französischen Intellektuellen. Die oben skizzierte Position von der "Globalisierung" als einer "Idee" wurde von Pierre Bourdieu selbst pointiert vertreten. Für ihn ist die "Globalisierung" ein "Mythos, im starken Sinne des Wortes" (Bourdieu 1998a, 39). Explizit ruft er dazu auf, "den Staat" gegen die Bedrohungen von außen, das internationale Finanzkapital, und von innen - dessen Komplizen - zu verteidigen (ebd., 46). Die Sozialeinrichtungen zählten "zu den höchsten Errungenschaften der Zivilisation", das Zurückdrängen des "pensée tietmeyer" sei daher wichtigste Aufgabe (Bourdieu 1997, 11f). Im Weiteren kommt Bourdieu aber nicht, wie viele bundesdeutsche Kollegen, unmittelbar auf "Überzeugungsarbeit" und "Mobilisierung" zu sprechen, sondern insistiert zuvor auf den für ihn entscheidenden Effekt von "Globalisierung" und "Neoliberalismus": die allgemeine Zunahme von Angst und "tiefer Unsicherheit", die Vertiefung der sozialen Spaltung und die "Prekarisierung" (Bourdieu 1998c; 1998d). Im deutlichen Unterschied zur bundesdeutschen Debatte wird Prekarisierung dabei nicht nur an einer, wenn auch wachsenden, Randgruppe von Lohnabhängigen festgemacht, sondern sie ist ein Phänomen, das alle trifft, auch diejenigen, die noch gesicherte Einkommen haben, von ihr verschont zu sein scheinen (Bourdieu 1998c, 96). Solche Aussagen sind typisch für die Diskussion der letzten Jahre in Frankreich. Das Problem der "Prekarisierung" steht nicht nur im Zentrum der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, weit über einige "linke Kreise" hinaus. Auch in den zahlreichen wissenschaftlichen und publizistischen Arbeiten wird die Gefahr eines sozialen Niedergangs außerdem verallgemeinert: als umfassendes, sich in verschiedenen sozialen Schichten manifestierendes Problem der "Vereinzelung", des "Leidens", der allgemeinen Verunsicherung, der Auflösung sozialer Bindungen, der materiellen und geistigen Verarmung etc. (Beaud/ Bourdieu u.a. 1998; Dejour 1998, Forrester 1996). Im Zuge dieser Diskussion wurde der Begriff der "Prekarisierung" ausgeweitet, zu einer Bestimmung all jener sozialer Negativentwicklungen, die durch "Modernisierung", "neoliberale Politik" und "Globalisierung" hervorgerufen würden, einschließlich z.B. der Verlagerung von Produktion ins Ausland (Bourdieu 1998c, 99). Ausgerüstet mit einem solchen umfassenden Begriff von "Prekarisierung" wird diese dann - geradezu in Umkehr zur oben skizzierten bundesdeutschen Diskussion - als das Wesentliche, das eigentliche Moment der aktuellen Umstrukturierung analysiert, von dem insbesondere auch bessergestellte soziale Schichten und "Kernbelegschaften" betroffen sind, während die durchaus auch erfassten "positiven Effekte", wie z.B. größere Chancen auf individuelle Flexibilität, als begrenzt, auf spezifische Gruppen beschränkt verstanden werden (Pichon 1999; Plamade/Réjean 1999). Dass "Globalisierung" in der französischen Öffentlichkeit und Wissenschaft deutlich kritischer betrachtet wurde, als in der BRD hat mehrere Ursachen. Die sehr frühzeitige, schon zu Beginn der 80er Jahre einsetzende Politik der Privatisierung und Deregulierung unter der Regierung Mitterand, weiterhin die deutlich geringere materielle Unterstützung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern als in Deutschland wären hier als Faktoren zu nennen, mithin einer andersartige Brisanz materieller Verarmung, aber auch eine stärkere Tradition der "sozialen Verantwortung" von Intellektuellen, sich in die gesellschaftlichen Entwicklungen "der Nation" einzumischen (Peter 2001) und den "still Leidenden" in der Arbeitswelt eine Stimme zu geben (Azémar 1992). Vor allem aber muss auf die sozialen Kämpfe des letztens Jahrzehnts verwiesen werden, insbesondere den mehrwöchigen Streik des Öffentlichen Dienstes im Winter 1995, bei dem - wiewohl von den sog. privilegierten Lohnarbeiterschichten getragen - die gemeinsame Betroffenheit von jahrelanger Kürzungs- und Deregulierungspolitik im Zentrum der Auseinandersetzungen standen und der als "Rückkehr des sozialen Bewußtseins gegen den Fatalismus" charakterisiert wird (Desbrousses/Peloille 1997; vergl. auch Malek/Soulier 1996). Auch die nachfolgenden Bewegungen, namentlich der vermeintlich "Schwachen" und "Ausgeschlossenen", wie der Arbeitslosen oder der Sans Papiers, sorgten immer wieder dafür, dass der "Kampf gegen die Prekarität" zentraler Fokus öffentlicher Auseinandersetzungen blieb. An diese Diskussionen knüpft die linke globalisierungskritische Debatte an und fasst sie zu einer eigenen gewerkschaftlichen Aufgabenstellung zusammen: Der "Kampf gegen "Prekarisierung" wird hier nicht nur zur prioritären, sondern - da nahezu "alle" von ihr betroffen sind - zugleich zur jeweils ureigensten Angelegenheit. Der gemeinsame Kampf gegen Prekarisierung, und damit gegen "neoliberale Globalisierung", deren Produkt sie ist, wird daher oberste Maxime. Die sozialen Unterschiede, z.B. zwischen Betriebsbelegschaften und Arbeitslosen, werden nur als spezifische Ausformung einer übergreifenden Gemeinsamkeit aufgefasst, nämlich der, von wachsender sozialer Unsicherheit durch "Globalisierung" betroffen zu sein. "Sozial Schwache" sind nach dieser Konzeption nicht einfach hilfsbedürftig, sondern ihre Erfahrung der Pauperisierung ist die Konzentration dessen, was die gesamte Bevölkerung unter den Bedingungen der Globalisierung erlebt, ihre Auseinandersetzungen daher exemplarisch für die eigene (Desrousses/Peloille 1997, 162ff). Die für die bundesdeutsche Debatte skizzierte weitgehende gedankliche Trennung zwischen potenziell kämpferischen Kernbelegschaften und versorgungsbedürftigen Marginalisierten ist hier schon dem Inhalt der konzipierten Auseinandersetzung nach nicht angelegt. Weiterhin gilt "Prekarisierung" in den "links-gewerkschaftlichen" französischen Diskussionen nicht nur als Resultat von "Globalisierung", sondern zugleich der Modus ihrer Durchsetzung: Es sei geradezu das politische Ziel des "Neoliberalismus", die Lohnabhängigen zu spalten, über die Angst vor (weiterem) sozialen Abstieg in Konkurrenz zueinander zu setzen, nur so sei seine politische Hegemonie überhaupt möglich (Bourdieu 1998d). Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Lohnarbeiterkategorien, die Frage, auf welche positive oder negative Weise sie in einem Zusammenhang stehen, gerät hier ins Zentrum der Betrachtung. Denn, so die gedankliche Konklusion, der "Kampf gegen Prekarisierung" kann nur erfolgreich sein, wenn er jene desaströse Konkurrenz unter Arbeitskräften überwindet. Das durch "neoliberale Politik" provozierte "Gegeneinander" wird hier nicht nur als entscheidende Ursache für die eigene Schwäche benannt, sondern es ist zentraler Gegenstand dieser Debatte, nachzuspüren und zu konkretisieren, welches die Beziehung der verschiedenen, von "Globalisierung" betroffenen sozialen Gruppen zueinander sind und mithin, welche Mechanismen der Konkurrenz überwunden werden müssen, um Solidarisierung zu ermöglichen. So wurde in einer Fülle von Diskussionen, Papieren und Statements der Arbeitslosenorganisation AC! immer wieder die destruktive Relation zwischen Arbeitslosigkeit und Lohndruck einerseits und Überarbeit in den Betrieben andererseits debattiert, um dann auf gemeinsamen Aktionen von Arbeitslosen und Beschäftigten Einstellungen zu verlangen. Eine andere, sehr umfangreiche Debatte rekurriert auf den Zusammenhang von durch "Deregulierung" sich verschlechternden Arbeitsbedingungen im "Öffentlichen Dienst", sinkenden Einkommen und wachsender sozialer Auslese von Versorgungsleistungen - um dann auch hier in mitunter spektakulären Aktionen eine Einstellung von Arbeitskräften und kostenlose Versorgung für alle, einschließlich der Sans Papiers, zu fordern (und teilweise durchzusetzen). Doch auch die Unterstützung der Sans Papiers in ihrem Kampf um Legalisierung durch die Reformgeschwerkschaften "SUD" erfolgte nicht allein aus der Überlegung heraus, deren "Menschenrecht" auf materielle Absicherung geltend zu machen. Im Vordergrund stand zugleich die Überlegung, dass Illegale die am stärksten Betroffenen von Prekarisierung und zu Schwarzarbeit gezwungen sind, so dass eine dauerhafte Verbesserung der eigenen Situation auch davon abhängig ist, inwieweit der Kampf der Sans Papiers um bessere Arbeits- und Lebenbedingungen, und das heißt in erster Linie: Papiere, erfolgreich ist (Interview 1999b). In all diesen Überlegungen und praktischen Ansätzen geht es nicht nur um gemeinsame "Betroffenheit", sondern es wird auf den sozialen Zusammenhang zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen insistiert, um ihn für eigene gewerkschaftliche Ansätze nutzbar zu machen. Bourdieu und viele andere Wissenschaftler bringen solche Prämissen auf den Punkt: Die "strukturelle Gewalt" der Konkurrenz müsse umgekehrt werden in ein Erkennen der gemeinsamen Interessen, die in einer Abwehr der Verschlechterung und in einem Recht auf eine "Ökonomie des Glückes" bestünden (Bourdieu 1997, 20). ... für neue Formen von Interessenvertretung ... Wenn aber die Überwindung der Konkurrenz zur Bedingung für einen erfolgreichen Kampf gegen "Prekarisierung" und "Globalisierung" gemacht wird, ist es nur konsequent, die jeweiligen sozialen Auseinandersetzungen vor allem daraufhin zu befragen, inwieweit man bemüht war, die eigenen Anliegen in einen Zusammenhang zu den Problemlagen anderer sozialer Gruppen und ihrer Kämpfe zu stellen: Übergreifende Solidarisierung wird zum zentralen Maßstab der Beurteilung von sozialen und gewerkschaftlichen Bewegungen. Niemand führt dies besser vor als Bourdieu selbst. Während der scharfen öffentlichen Auseinandersetzung von namhaften Intellektuellen um den Streik 1995 (vgl. dazu Duval u.a. 1998) wies Bourdieu - wie andere - den Vorwurf, die Streikenden, Angestellte des Öffentlichen Dienstes, würden auf Kosten der Gesellschaft lediglich ihre Privilegien verteidigen, vehement zurück. Der Streik sei vielmehr Ausdruck eines kollektiven gedanklichen Bruchs mit dem historischen Fatalismus und einer Suche nach neuen Formen des sozialen Miteinander. Die Streikenden würden also gerade nicht ihre nur eigenen Interessen vertreten, sondern, wie die Massendemonstrationen mit Arbeitslosen, Prekären, Beschäftigten der Privatindustrie, Studenten usw. zeigten, zugleich die all jener, auf deren Kosten der "Liberalismus" betrieben würde (Bourdieu 1995). Doch der Maßstab der Solidarisierung wird auch an jene angelegt, die gemeinhin als "hilfsbedürftig" erscheinen. Ganz im Gegensatz zu Alain Touraine, der die Arbeitslosenbewegung von 1997/98 begrüßte, weil es darum ginge, die "Ausgeschlossenen" in die Gesellschaft zu holen, begeistert sich Bourdieu für diese Bewegung, weil sie nicht nur ihre partikularen Interessen manifestiere, sondern die Mechanismen der allgemeinen "Degradierung" der Arbeit durch Arbeitslosigkeit voranstelle (Bourdieu 1998b; Touraine 1998). Erneut sind nicht die spezifischen Forderungen Kriterium zur Beurteilung, sondern das in ihrer Bewegung angelegte und von ihr selbst zum Ausdruck gebrachte Allgemeine. Während Touraine jenes Allgemeine in der "Gesellschaft" verortet, und die notwendige Integration der "Ausgeschlossenen" (Immigranten, Homosexuellen, Arbeitslosen etc.) unterstreicht, spricht Bourdieu der bestehenden Gesellschaft dieses Integrationsvermögen ab, denn sie verletze, mit den Maximen des Sozialdarwinismus und "Neoliberalismus", beständig die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung. Das Allgemeininteresse findet sich hier auf Seiten der Bewegungen wieder, aber nur, wenn diese sich nicht "korporatistisch" oder "nationalistisch" gerierten, sich nicht einzurichten suchten in den "barbarischen" Verhältnissen, sondern den historischen Fatalismus zurückdrängten und die Suche nach neuer, sozial gerechter Gesellschaftlichkeit voranbrächten - und zwar auf europäischer Ebene. In einem solchen Anspruch, der hier gegenüber gewerkschaftlichen und sozialen Bewegungen formuliert wird, ist bereits implizit enthalten, was dann auch ausgesprochen wird: Dass namentlich gewerkschaftliche Interessenvertretungen ihre Form und ihr Funktionieren radikal ändern müssten, wollten sie ihrer historischen Verantwortung gerecht werden. Man müsse aus den "ouvieristischen" Organisationsansätzen ausbrechen und sich den sozialen Bewegungen zuwenden (Bourdieu 1998f, 72), man müsse völlig neu überlegen, wie sozialer Protest zu denken und zu organisieren sei (Bourdieu 1998e, 64). Ganz ohne Zweifel formuliert Bourdieu solche Überlegungen unter dem Eindruck des Streiks von 1995 und den anschließend erstarkenden linksgewerkschaftlichen Organisationsansätzen, auf die er sich auch explizit bezieht (Bourdieu 2000; Coupé 2002). Wie Beteiligte, Kommentatoren und Wissenschaftler immer wieder feststellten, war der Streik von 1995 vor allem durch zwei herausragende Momente gekennzeichnet: Erstens dem Willen, die Kämpfe der verschiedenen sozialen Gruppen zusammenzuführen, was in Massendemonstrationen weit über die eigentlichen Streikgruppen hinaus, täglichen städtischen Vollversammlungen (z.B. in Rouen, ART 1996) und einer Fülle von lokalen und regionalen Netzwerken recht weit umgesetzt wurde. Ganz im oben ausgeführten Sinn war es das Selbstverständnis, die Konkurrenz untereinander in Solidarisierung umzuwandeln (Desbrousses/Peloille 1997). Und zweitens bestimmte in diesem Streik "die Basis" Beginn, Verlauf und auch Ende der Auseinandersetzungen. Das bedeutet nicht allein, dass die nationalen Führungen der Gewerkschaften zum Streik sowie zu einem gemeinsamen Vorgehen gedrängt wurden, sondern auch und vor allem, dass Entscheidungen über Aktionen, Forderungen und weiteres Handeln häufig auf Vollversammlungen getroffen wurden; und zwar waren diese, wie das Beispiel Rouen zeigt, nicht nur Gewerkschaftsmitglieder- Versammlungen, sondern darüber hinaus "Bürger- Versammlungen", mit all jenen, die sich in die Bewegung einzubringen gedachten (ebd.; Leschi 1997). Ein solcher massenhafter "Wille der Basis, die Bewegung zu kontrollieren" (Martin 1998, 86) übersetzte sich - nach Abklingen der Bewegung - in einen bemerkenswerten Aufschwung der linksautonomen Gewerkschaften. Die Rede ist hier insbesondere von den "SUD"- Gewerkschaften, die mittlerweile vor allem im Öffentlichen Dienst verankert sind. "SUD" steht für "Solidaire Unitaire Democratique", und war - nach Ausschluss hunderter Mitglieder aus den "großen" Gewerkschaften - bereits Ende der 80er Jahre angetreten, die Idee einer "Basisgewerkschaft" neu zu begründen (Coupé/Marchand 1998, 46). Vor allem nach 1995 kommt noch ein weiteres, grundlegendes Element hinzu: ganz im Sinne der Streikbewegung definiert man sich nun als "Gewerkschaft der sozialen Transformation" - einer Gewerkschaft, die dem "Neoliberalismus" eigene Vorstellungen gesellschaftlicher Veränderungen entgegensetzen will, und dafür mit all jenen Kräften zusammenarbeitet, die ein gleiches Anliegen haben (vgl. zu den SUD Gewerkschaften Bernard Schmid in diesem Heft). Die bemerkenswerte Zusammenarbeit mit den Arbeitslosen, den Sans Papiers, der Obdachlosen-, Frauen-, Umwelt- oder Bauernbewegung besteht dabei nicht in formellen Zusammenschlüssen, Flugblattunterschriften oder materielle Unterstützung, sondern wird - wie schon das "tous ensemble!" des Streiks - durch eine Fülle von Arbeits- und Diskussionsprozessen jeweils inhaltlich hergestellt. Dieses Gewerkschaftsverständnis "implements a functioning based on the constant search of what unifies rather than what divides" (Union syndicale 2002, Herv. S.H.). Entsprechend den Lebenslagen und Bedürfnissen der Beteiligten werden mögliche gemeinsame Forderungen formuliert, umgekehrt auch Divergenzen festgestellt (Entretien 1999), um dann auf Basis der Gemeinsamkeiten Politik zu machen und Aktionen durchzuführen, wie die Verhinderung von Abschiebung, die Besetzung leerstehenden Wohnraums oder auch von Verkehrsmitteln (um kostenlosen Transport durchzusetzen), die Mobilisierung gegen Atomtransporte, die Verteidigung verfolgter nordafrikanischer Frauen oder auch die intensive Beteiligung an den "Europäischen Märschen gegen Arbeitslosigkeit und Prekarisierung". Im deutlichen Unterschied zur bundesdeutschen Debatte, wo sich die Gewerkschaften, sofern es überhaupt zu einer Zusammenarbeit mit Bewegungen kommt, mehrheitlich als Avantgarde ansehen, betonen die französischen Aktivisten den inhaltlichen Gleichrang der Anliegen und versuchen, ihm durch enge Zusammenarbeit bei gleichzeitiger Souveränität aller beteiligten Kräfte zu genügen: Die Autonomie sozialer Bewegungen ist spätestens seit der Sans Papiers Bewegung ein Grundpfeiler im Selbstverständnis dieses Aktivistenmilieus (Interview 1997a). Einen organisatorischen Höhepunkt fand dieses erweiterte Verständnis von Interessenvertretung ohne Zweifel in der Organisation AC! , wo sich - in Form einer tatsächlichen Basisorganisation mit über 150 lokalen und regionalen "Komitees" - Mitte bis Ende der 90er Jahre Beschäftigte und Arbeitslose gleichermaßen organisierten , was schließlich in der Arbeitslosenbewegung 1997/98 kulminierte. Dass die Solidarisierung von betrieblichen Beschäftigten, Prekären und Arbeitslosen dabei keineswegs eine formale Angelegenheit war, zeigten nicht zuletzt die immer wieder aufflammenden heftigen Auseinandersetzungen um die Prioritätensetzung bei den Hauptforderungen (Arbeitszeitverkürzung und garantiertes Existenzgeld). In der Tat gelang die Zusammenarbeit nur einige Jahre; AC! ist heute noch in einigen Regionen präsent, in erster Linie als "Arbeitslosenorganisation" mit der zentralen Forderung nach einem Existenzgeld. Doch auch die Politik der "SUD"-Gewerkschaften und ihr Verhältnis zu den außerbetrieblichen Bewegungen ist keinesfalls ein für alle mal definiert. So gibt es immer wieder Streit darüber, ob "SUD" nicht noch stärker "normale" Interessenvertretung betreiben solle, oder auch - in umgekehrter Richtung - wie eng die Zusammenarbeit mit attac sein soll, da diese Organisation eine oft unklare, wenig antikapitalistische Haltung einnehme (Hürtgen 2002). Insgesamt ist in den letzten Jahren von gewerkschaftlicher Seite eine gewisse Rückkehr zum Alltagsgeschäft zu beobachten, nicht zuletzt weil die sozialen Bewegungen ihrerseits zurückgegangen sind. Doch kann die breite kollektive Erfahrung, dass "Gewerkschaft" auch etwas ganz anderes sein kann, als eine hierarchische "Massengewerkschaft" die sich vor allem auf "Kernbelegschaften" stützt, aus den gewerkschaftlichen Diskussionszusammenhängen nicht mehr weggedacht werden. Sie findet sich wieder in breit verankerten Ansprüchen und Grundvorstellungen darüber, von welchen Prämissen eine Interessenvertretung zu genügen hat: nämlich von den Vorstellungen der Mitglieder und Aktiven auszugehen, und sich in das übergeordnete Ziel einzureihen, den "Neoliberalismus" zurückzudrängen und ein eigenes, gesellschaftliches Projekt zu formulieren. Der "Hauch vom Dezember 1995" zeigt sich weiterhin in für bundesdeutsche Verhältnisse immer noch beeindruckenden Netzwerken von gewerkschafts- und bewegungsübergreifenden Arbeitszusammenhängen. Und er ist nicht zuletzt längst in wissenschaftliche Diskussionen eingegangen, wo die Erfahrungen des Streiks sowie Erfolgschancen und Bedeutung der alternativen Gewerkschaftsansätze für die französische Gewerkschaftslandschaft debattiert werden (Aguiton/Bensaid 1997; Béroud/Mouriaux 1997; Denis 1996; ders. 2001; Sainsaulieu 1999); eine wissenschaftliche Debatte übrigens, die hierzulande ebenso ignoriert wird, wie die alternativen Gewerkschaftsansätze selbst, oder wie jene Überlegungen Bourdieus, die auf sie verweisen. Anders als in der Bundesrepublik ist die "Politisierung von Gewerkschaften" in jenem hier skizzierten "links-gewerkschaftlichen" Teil der Debatte nicht als eine Rückkehr zu bewährter Gewerkschaftspolitik konzipiert, sondern als ein als offener Prozess, in dem die Formen der Interessenvertretung selbst zur Disposition stehen. ... und für die Veränderung gesellschaftlicher Institutionen Nicht auf vermeintlich bewährte Institutionen wird rekurriert, sondern auf die Ansprüche und Anliegen der Lohnabhängigen - und mehr noch: der Bürger. Nicht zufällig betont Bourdieu das "Recht auf eine Ökonomie des Glücks", wobei er an die in den Bewegungen und Gewerkschaften verbreiteten Slogans "Recht auf soziale Sicherheit", "Recht auf Partizipation", "Recht auf Bildung" oder "Recht auf schönes Leben" anknüpft (Malek/Soulier 1996). Jenes legitime Verlangen der "Bürger" - verstanden als: "alle Menschen", unabhängig von ihrem formalen Bürgerstatus - nach Glück, Wohlstand und Lebenssinn sind gedanklicher Ausgangspunkt dessen, was der "Globalisierung" entgegengesetzt wird. An ihm müssen sich gewerkschaftliche Strukturen, aber auch Grundpfeiler der Gesellschaft, wie Staat, Recht oder "Wirtschaft" messen - und geraten dabei in prinzipielle Kritik. Statt einer einfachen "Rückkehr zur Regulierung" werden - in Gewerkschaften, Bewegungen, Diskussionskreisen und auch in attac - weitergehende Überlegungen angestellt, auf welche Weise Staat und Politik verändert werden müssten, um den Ambitionen der "Bürger" gerecht zu werden, wie sich die Bürger "Sphären der öffentlichen Kontrolle" und "öffentliche Räume" zurückerobern" können, um "alternative Kriterien" zu entwickeln, wie ein "Öffentlicher Dienst" funktionieren muss, will er Dienst am Bürger sein, und ob Unternehmen überhaupt "privat", ohne gesellschaftliche Kontrolle, wirtschaften sollen (Cordoba 1999; Sud Ptt 2002). Anders formuliert: War es bisher, in der BRD wie in Frankreich, das Geschäft vor allem der "(Neo)Liberalen", vermeintlich selbstverständliche gesellschaftliche Institutionen, wie "Wirtschaft", "Staat", "Recht" oder auch "Gewerkschaft" mit Verweis auf "Globalisierung" und "notwendigen Anpassungsleistungen" in Frage zu stellen, so haben sie dieses Privileg in Frankreich verloren. Den vermeintlich prioritären Unternehmensinteressen wird hier das unhintergehbare Recht der Bürger auf ein glückliches Leben entgegengesetzt, eine zugegebenermaßen diffuse Kategorie, die zu füllen und zu konkretisieren man allerdings angetreten ist. Gesellschaftliche Institutionen und Funktionsweisen nicht als gegeben zu akzeptieren, sondern sie - ausgehend von den Lebensansprüchen der Mehrheit der Bevölkerung - neu zu konzipieren und zu verändern, ist ohne Zweifel ein emanzipativer Prozess. Die neuen Linksgewerkschaften in Frankreich tun gut daran, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Nicht zuletzt von ihnen werden damit Vorstellungen von Selbstbestimmung, alternativen Lebens- und Gesellschaftsformen und einer anderen Art des Wirtschaftens formuliert, die über die bestehenden Verhältnisse hinausgehen - und damit werden sie auch an Überlegungen über prinzipiell neue, nachkapitalistische Produktions- und Lebensweisen anschlussfähig. Schluss Beide hier vorgestellten Ansätze gewerkschaftlicher Globalisierungskritik - die französische und die bundesdeutsche - sind Varianten einer Herangehensweise, die eine Wiedereinbettung der entfesselten Ökonomie durch Staat und Gesellschaft proklamiert. Die sozialen und ökologischen Verwerfungen werden als politischer Angriff verstanden und nicht oder nur bedingt mit den Prinzipien kapitalistischer Produktion in Verbindung gebracht. Damit werden nicht zuletzt auch jene für Unternehmen veränderten ökonomischen Handlungsbedingungen ausgeblendet, die von den - zu Recht kritisierten - "wettbewerbskorporatistischen" Ansätzen zuvor unterstrichen worden waren. Umgekehrt sollte die Stärke dieser Art von Globalisierungskritik, nämlich gegen "Sachzwänge" auf die Gestaltbarkeit von Gesellschaft, im Sinne allgemeiner sozialer und ökologischer Wohlfahrt, zu beharren, nicht unterschätzt werden - gerade angesichts der nach wie vor aggressiven und scheinbar alternativlosen "Standortdiskussion", wie sie nicht nur in Deutschland und Frankreich geführt wird. Innerhalb einer solchen, sich an Re-Regulierung ausrichtenden Globalisierungskritik erweist sich die französische Variante als die weiterführende. Hier sind die sich entwickelnden Ansprüche von Lohnabhängigen und Bürgern gedanklicher Ausgangspunkt, und nicht der Erhalt bestimmter Institutionen von Interessenvertretung. Damit kann "Re-Regulierung" nicht länger als "Rückkehr zum gebändigten Kapitalismus" sondern als gesellschaftliche Transformation gedacht werden - ein Ansatz, der ohne die sozialen Proteste der 90er Jahre nicht diese Stärke entwickelt hätte, und der umgekehrt in einer beeindruckenden Suche nach neuen, angemessenen Formen von Organisierung und Interessenvertretung seinen Niederschlag findet.

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Interview mit Karl Georg Zinn in: Junge Welt, 29.06.2002, zit. nach: http://www.jungewelt.de/2002/06-29/007.php 1 "Wir können uns als Gewerkschaften der tagtäglichen Kostendiskussion nicht ver-schließen" [...] und gerade deshalb müssen wir mit den Betroffenen im Rahmen der Kostendiskussion Modelle erarbeiten, die eine wirkliche Alternative zur Ar-beitsplatzvernichtung und für eine Standortsicherung darstellen" (Neumann 1997, 46). 2 Marco Revelli formuliert: das Unternehmen müsse "mit dem Markt atmen". Eine anschauliche und gesellschaftskritische Skizze dieser Idee findet sich in Revelli (1999, 40ff). 3 "Gewinne für die Anteilseigner - steigende Aktienkurse und hohe Dividenden - haben eindeutig Vorrang vor den Interessen der Beschäftigten, der Sicherung von Arbeitsplätzen, dem Schutz der Umwelt und Belangen der Gesamtgesellschaft" (Bischoff 1999). 4 "Allein schon die Größe Â…[Multinationaler Konzerne, S.H.] wird zum volkswirt-schaftlichen Machtfaktor. Betriebswirtschaftliches Denken bedroht dann volkswirt-schaftliche Vernunft" (Pfeiffer 2000, 623). 5 "Die Erwartung, eine neue Proletarität würde sich als Machtfaktor formieren, ent-spricht nicht den sozialen Verhältnissen. Aus diesen sozialen Gruppen haben die großen Massengewerkschaften [sic!] auch nie ihre aktiven Kerne rekrutiert" (Detje 2002, 280). 6 Bemerkenswert ist hier ein Umfrageergebnis, das die IG Metall während ihrer "Zu-kunftsdebatte" ermittelte: Danach erachtet sich nur jedes einhundertste IG Metall Mitglied als "aktiv" (Lang/Legrand 2002, 43). 7 Als die berühmten Ausnahmen von der Regel führen einige wenige deutsche Auto-ren aus, inwiefern gewandelten strukturelle Handlungsbedingungen, insbesondere die gestiegene Konkurrenz zwischen Lohnabhängigen, ein grundlegendes Nach-denken über Gewerkschaften notwendig machen und es nicht reicht "etwas mehr Frauengleichstellung, etwas mehr Serviceleistung, etwas mehr Flexibilisierung der Tarifverträge, etwas mehr Qualifizierung etwas mehr Migrantenbetreuung etc." einzuklagen (Zeuner 2001, 241; ähnlich Kurz-Scherf/Zeuner 2001). Was nicht heißt, dass die unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten in den ver-schiedenen sozialen Konfrontationen keine Rolle spielen würden. So berichten Streikaktivisten von 1995, wie sehr sie von den "Privaten", d.h. den Beschäftigten der Privatindustrie in ihrem Streik unterstützt worden seien, allerdings "nach Feier-abend": "wir können nicht mitstreiken", hieß es, "wir werden sonst entlassen" (In-terview 1999b). 8 Genau in dieser Hinsicht, und nicht allein als Schlachtruf von Masse und Stärke, war während des Streiks 1995 die Parole des "tous ensemble" (alle zusammen) tonan-gebend (ebd., 160ff). 9 Agir ensemble contre le chômage! Gemeinsam gegen Arbeitslosigkeit vorgehen! 10 Wichtige Aktivitäten waren z.B. die "Aktion zur Einstellung": in bestimmten Betrie-ben drängten dortige Gewerkschafter und örtliche Arbeitslose mit Demonstratio-nen, kurzen Arbeitsniederlegungen etc. auf Neueinstellungen, weil es "nicht sein kann, dass die einen sich totarbeiten, während die anderen kein Geld zum Leben haben",