Ehrung der Ehrenamtlichen

in (16.02.2002)

Das Jahr 2001 war nach dem Willen der Vereinten Nationen das "Jahr der Freiwilligen". In Deutschland fand die Abschlußveranstaltung im Berliner "Haus der Kulturen der Welt" statt. ...

... Das Bundesministerium für Familie, Jugend, Frauen und Senioren hatte zu diesem "Fest der Freiwilligen" eingeladen. Damit sollten weit über tausend Ehrenamtliche, die sich in der Altenbetreuung, dem Umweltschutz, der Feuerwehr oder dem Betriebsrat besonders engagiert haben, geehrt werden. Höhepunkt sollte eine Rede des Bundeskanzlers sein.
Und so fuhren sie dann aus dem ganzen Bundesgebiet in die Hauptstadt, wofür manche von ihnen Fahrtzeiten von mehr als 20 Stunden auf sich nahmen - keine geringe Strapaze vor allem für die Senioren. Den Kanzler aber bekamen viele nicht zu sehen. Für etliche Hunderte geladene und gemeldete Teilnehmer reichte der Platz im Saal nicht. Sie durften sich draußen im Foyer stehend vor Bildschirmen drängen.
Ob drinnen oder draußen, sie hörten viele schöne Kanzler-Worte wie "Stärkung der Zivilgesellschaft", "mehr Teilhabe der Bürger", "Solidarität und Gerechtigkeit", "Selbstbestimmung und Verantwortung". Noch üppiger klang es bei Ministerin Christine Bergmann: "Gemeinsinn, Solidarität und Zivilcourage", "zivile Bürgergesellschaft", "Gefühl für soziale Verantwortung", "Wille zur Mitgestaltung", "bürgerschaftliches Engagement", "aktive Beteiligung am Gemeinwesen", "Stärkung von Sozialkompetenzen", "Ohne dieses soziale Kapital, ohne diesen sozialen Kitt, kann keine Gesellschaft funktionieren", "Die Zivilgesellschaft ist dabei, sich zu globalisieren", "Verstehen wir diese Veranstaltung als einen Aufbruch zu neuer Verantwortung", wozu die Ministerin auch Goethe bemühte.
Viele Teilnehmer äußerten sich nachher trotz dieses Schwalls schöner Worte oder sogar gerade deswegen unzufrieden: Was sie erlebt hätten, sei keine Ehrung gewesen, sondern ein Affront. Hier einige Auszüge aus Briefen: "Die beiden Reden enthielten lediglich Allgemeinplätze." - "Forum für die ›Zurschaustellung‹ der Politiker." - Politiker könne man "auch zu Hause vor dem Bildschirm erleben". - "Keine festliche Atmosphäre." - "Für das sehr einfache Mittagessen (Teller Suppe, 1 trocknes Brötchen, 1 Becher Cola, Schlange-Stehen, Steh-Tische) habe ich persönlich Verständnis (Haushaltslage, Grundeinstellung der ›Freiwilligen‹). Erwarten konnte man bei einem ›Fest‹, bei der nationalen Abschlußveranstaltung des Jahres, bei bundesweiter Anreise und langen Abwesenheiten von zu Hause wohl etwas mehr." - "Die Wurst zur Suppe war schon fünfzehn Minuten vor dem offiziellen Beginn des Mittagessens aus." - "Wenn für die ›Freiwilligen‹ nicht einmal Geld für genug Würstchen im Bundeshaushalt vorhanden ist, sollte der Bund eine solche Veranstaltung unterlassen." - "...empfand ich diesen Tag als verloren." So undankbar zeigten sich manche Gäste der Bundesregierung, obwohl sie doch immerhin Kugelschreiber mit dem Aufdruck "www.freiwillig.de" geschenkt bekommen hatten.
Ministerin Bergmann hatte den zusammengeströmten Ehrenamtlichen auch verkündet: "Wir brauchen eine Anerkennungskultur." Ein eindrucksvolles Beispiel dafür gab sie mit diesem "Fest der Freiwilligen" - das sie übrigens, da ja Kommerzialisierung öffentlicher Dienstleistungen oberstes Gesetz sozialdemokratischer Politik geworden ist, von der Agentur Ahrens und Behrent hatte gestalten lassen. In einem der Beschwerdebriefe war dann zu lesen: "Wenn wir das Fest ehrenamtlich ausgerichtet hätten, wäre es bestimmt schön geworden."