Wettlauf zum falschen Ziel

in (01.02.2002)

Schon der Apostel Paulus hat in einem seiner Korinther-Briefe den Ratschlag gegeben, man solle sich verhalten wie die Wettläufer in der Arena und danach trachten, die Siegespalme zu erringen. ...

... Dieser Ratschlag taugt für Politik nur bedingt.
Zwar geht es auch in der Politik darum, die Siegespalme zu erringen. Etwa indem man versucht, bei Wahlen Mehrheiten zu erreichen. Wenn das aber in der Weise geschieht, daß alle Wettkämpfer dasselbe Ziel anstreben, und wenn sie nur noch darum kämpfen, wer es am schnellsten erreicht, dann zeigt sich eben, daß die paulinische Metapher auf den politischen Wettbewerb, wie er idealtypisch sein sollte, doch nicht übertragbar ist.
In einer Demokratie sollte nicht um die schnellere, sondern um die bessere Politik konkurriert werden. Die Wettbewerber sollten unterschiedliche Ziele definieren oder da, wo allgemeine Einigkeit über die Ziele herrscht, unterschiedliche Wege vorschlagen, wie man das Ziel erreicht. Den Bürgerinnen und Bürgern sollten klare Alternativen zur Entscheidung angeboten werden.
In der deutschen Innenpolitik fehlen die Alternativen zwischen den großen Volksparteien SPD und Union. Die Wettläufer Schily und Beckstein rennen unaufhaltsam auf dasselbe Ziel zu, in dieselbe Richtung, auf demselben Weg. Beispiele hierfür sind sattsam bekannt.
Terrorismusbekämpfung? Wer den Gesetzentwurf des Bundesinnenministers ("Schily II") ohne Blick auf das Deckblatt gelesen hätte, hätte genauso gut Günther Beckstein als Autor vermuten können.
Zuwanderungskonzept? Den ausländerrechtlichen Teil hat Schily so formuliert, daß CSU-Generalsekretär Thomas Goppel ihm die Mitgliedschaft in der CSU angetragen hat.
NPD-Verbotsverfahren? Beckstein und Schily haben sich gegenseitig zur Eile angetrieben. Auf der Strecke geblieben ist eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens und eine selbstkritische Durchsicht der Antragsschriften der Bundesregierung und des Bundesrates. Den Nutzen davon hat - leider - eine unappetitliche, rechtsextreme Partei, den Schaden trägt die Demokratie.
Das Zwei-Parteien-System in den USA hat dort keineswegs zur Herausbildung klarer politischer Alternativen geführt. Da das Zwei-Volksparteien-Systen in der Bundesrepublik Deutschland eine ähnliche Alternativlosigkeit erkennen läßt, wird die Funktion kleinerer Parteien deutlich.
Leider laufen auch diese - nun doch dem heiligen Paulus folgend - immer dann, wenn sie in Regierungskoalitionen sind, in dieselbe Richtung wie der große Partner. Die Anhänger von Bündnis 90/Die Grünen mußten dies seit 1998 schmerzlich zur Kenntnis nehmen. Liberale hatten mit einer FDP, die am Ende der Koalition mit Kohl in den Alltagskompromissen nicht mehr kenntlich genug war, ihre liebe Müh und Not. Und manche, die die PDS in so großer Zahl bei der Berliner Landtagswahl gewählt haben, fürchten, mit ihrer Partei dieselbe Erfahrung zu machen.
Daher bleibt nur zu hoffen, daß am Ende der Souverän dafür sorgt, daß doch immer wieder ein echter politischer Wettbewerb entsteht, nämlich dadurch, daß all denen, die ständig in die gleiche Richtung laufen, die Siegespalme verweigert wird.
Max Stadler (Passau) ist innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion