Frauenpolitik ist heute wichtiger denn je!

Der Kampf um gleiche Rechte für Frauen und Männer ist alt. Immer wieder waren es Frauen, die sie für sich einforderten, während (die meisten) Männer mit der gespaltenen Gesellschaft offensichtlic

gut leben.Ohne die Akteurinnen der "alten" und der "neuen" Frauenbewegung, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Auseinandersetzungen um Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit immer wieder geführt worden sind, wären Frauen nicht da, wo sie heute sind. Wenn weitere Fortschritte erreicht werden sollen und damit das Rad der Zeit nicht zurückgedreht wird, ist Frauenpolitik heute notwendiger denn je.

Männer und Frauen sind gleichberechtigt?

Frauen haben um die Teilhabe an der qualifizierten und existenzsichernd bezahlten Erwerbsarbeit lange gerungen. Sie haben de jure die Gleichberechtigung erlangt. Diese ist durch Artikel 3 (2) des Grundgesetzes festgelegt, was wir vor allem dem mutigen Kampf der Sozialdemokratin Elisabeth Selbert und ihrer Genossin Frieda Nadig, zu verdanken haben, die gegen die Empörung der Abgeordneten aus allen Fraktionen beharrlich blieben. Seit 1949 heißt es eindeutig: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Und seit 1994 (nach der Wiedervereinigung) heißt es zusätzlich: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin". Ohne die Unterstützung von tatkräftigen Frauen aus vielen verschiedenen Zusammenhängen wie Gewerkschaften, Kirchen und autonomen Vereinen sowie Initiativen hätten weder die Frauen, die 1949 im Parlamentarischen Rat, noch diejenigen, die 1994 im Bundestag saßen, diese Formulierungen durchsetzen können. Parlamentarierinnen und außerparlamentarisch aktive Frauen setzten sich für die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen und Männern ein, weil sie diese als eine wichtige Voraussetzung für eine gerechte, emanzipierte und demokratische Gesellschaft ansahen. Die Umsetzung des Rechts auf Gleichberechtigung dauert bis heute an. Elisabeth Selbert bezeichnete es 1980 in einem Interview als "permanenten Verfassungsbruch", dass die Realität anders aussieht als die Gesetzeslage und dass Frauen selbst bei gleicher Qualifikation immer noch weniger Lohn bekommen. Über die gesellschaftliche Wirkungskraft der verfassungsmäßig garantierten Gleichheit von Frauen und Männern werden immer wieder erhitzte Debatten geführt. Sowohl die frauenpolitisch nach dem zweiten Weltkrieg aktiven Frauen, als auch die "autonome" Frauenbewegung der 70er Jahre forderten vom Staat frauenpolitische Initiativen und Gesetze zur Durchsetzung der Gleichberechtigung. Leider kam die Frage nach den Ursachen der Geschlechterdiskriminierung, nach dem Zusammenhang von Schichtzugehörigkeit, ethnischer Herkunft und Geschlecht und danach, wie sich Wirtschaft und Politik ändern müssen, um den Abbau sozialer und geschlechterspezifischer Ungleichheiten überhaupt zu ermöglichen, oft zu kurz. So entstand mitunter der Eindruck, nur hochqualifizierte Frauen der 'ersten Welt' sollten oder könnten Nutznießerinnen der Gleichstellungspolitik werden. Die "Erwerbsneigung" der Frauen soll kanalisiert werden In der Bundesrepublik Deutschland ist es die gestiegene (West) oder ungebrochene (Ost) "Erwerbsneigung" der Frauen, die immer wieder als Ursache der Massenerwerbslosigkeit genannt wird. Im Westen wird sie wie eine ansteckende, im Osten wie eine unheilbare Krankheit rezipiert. Der Begriff "Erwerbsneigung" ist schon deshalb diskriminierend, weil er für Männer niemals gebraucht wird. Besonders im Osten betonen Politiker seit dem Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten immer noch und immer wieder, dass diese ungebührliche Neigung auf ein "Normalmaß" zurückgeschraubt werden muss, wobei mit "Normalmaß" die Erwerbsbeteiligung der westdeutschen Frauen gemeint ist. Die aber wollen auch nicht mehr "normal" sein und ihre "Erwerbsneigung" auf das Quantum der 60er und 70er Jahre zurückdrehen. Wären sie dazu bereit, wäre die Zahl der Erwerbspersonen in Westdeutschland um rund 3 Millionen geringer und damit die Erwerbslosigkeit weit weniger brisant. Eine wahrhaft simple Ursachenforschung, wie Mann sie simpler kaum betreiben kann.

Familienpolitik ist nicht gleichzusetzen mit Frauenpolitik

Heute plädieren konservative Politiker wieder offen dafür, dass Frauen ihr Glück am heimischen Herd finden sollen, ein geringfügiger "Zuverdienst" - ebenfalls ein Ausdruck der nur für Frauenarbeit benutzt wird - ist dabei nicht ausgeschlossen. Dieses nach traditionellem Muster modernisierte "Versorgermodell" mit geschlechtsspezifischer kleinfamilialer Arbeitsteilung wird vor allem von jungen Frauen - weniger von jungen Männern -, die noch keine Kinder haben, in Frage gestellt. Dennoch bleibt nach wie vor während der Frühphase der Kindererziehung die traditionelle Familienform die gängigste aller Lösungen. Fast alle Mütter nehmen die "Elternzeit", sie für bis zu drei Jahren, bei mehreren Kindern auch länger, aus der Erwerbsarbeit ausgrenzt bzw. auf meist nicht existenzsichernde Teilzeitarbeit drängt. Dennoch häufen sich die Klagen um die Krise der Familie. Diese Krise wird vor in erster Linie dafür verantwortlich gemacht, dass die Menschen in jeder Hinsicht schlecht ausgebildet seien. Der Grund wird vor allem darin gesehen, dass Frauen die angestammten Orte in Küche, Kirche und Kinderzimmer reihenweise verlassen, um sich aus Abhängigkeiten zu lösen, die Männer nie kannten. Ganz offensichtlich sind Männer nicht bereit, die entstehenden Lücken zu füllen. Warum sollten sie auch, wo Menschen, die in der Familie und anderswo Kinder, alte und andere pflegebedürftige Menschen betreuen, wenn sie selbst alt werden, zur Armut verurteilt sind. Subtile Anspielungen, auch progressiver Zukunftsforscher auf Plaste- und Elaste-kaufende "werktätige Eltern", oder auf "Rabenmütter" - Rabenväter kennt der deutsche Sprachschatz nicht - die ihre Kinder außer Haus versorgen lassen - dienen letztlich wiederum der Glorifizierung der Frau als hausarbeitender Mutter, die zudem selbstverständlich, nichtentlohnte Tätigkeiten nicht nur im eigenen Haushalt, sondern auch noch in vielen sozialen Einrichtungen, miterledigt. Belohnt werden Hausfrauenehen; nicht nur durch das Ehegattensplitting, das Einverdiener-Ehen alleine nach dem Tatbestand "Ehe" fördert. Auch das (reformierte) Elternzeitgesetz orientiert sich an der Rolle des "Haupternährers", weil es die Zuverdienerin mit einem Taschengeld ausstattet, das sie nicht einmal bekommt, wenn ER genug verdient. Freilich wäre ein Rollentausch möglich. Selbst wenn er auf breiterer Ebene praktiziert würde, änderte das nichts an den Strukturen, die Benachteiligungen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt zur Folge haben. Es würden lediglich die Rollen getauscht. Die Forderung nach einer gesetzlich geteilten Elternzeit, wie sie die österreichischen Frauenministerinnen mehrfach stellten, löste starke Emotionen aus. Obwohl durch eine solche verordnete Teilung auch nicht alle Probleme gelöst wären, wären doch die Nachteile der Berufsunterbrechung nicht ausschließlich den Müttern aufgebürdet und eine gerechtere Verteilung von Erwerbs- und Haus- und Sorgearbeit könnte vorangetrieben werden. Freilich müsste die Existenzsicherung für die Zeit des (verkürzten) Ausstiegs sichergestellt sein. Die durch die soziologische Frauenforschung immer wieder eingeforderte begriffliche Erweiterung von "Arbeit", die immer auch die Problematisierung der geschlechtshierarchischen Verteilung beinhaltete, wird heute oft ins Gegenteil verkehrt: Unbezahlte Arbeit wird hoch gelobt - als (Frauen)Arbeit; oder es wird gar deren Bezahlung durch "Familiengehalt" gefordert. Die geschlechterspezifische Verteilung wird jedoch nicht (mehr) problematisiert. Die Utopie der "neuen" Frauenbewegung Hausarbeit teilweise zu vergesellschaften und damit abzuschaffen, wird nicht (weiter) verfolgt. Indem man Frauen für die Übernahme dieser hochemotionalisierten, meist isoliert und ohne Möglichkeit zur Solidarisierung geleisteten Arbeiten ikonisiert, bleibt letztlich alles beim Alten (in Westdeutschland) und alte (westliche) Zustände sollen zudem in den Osten transportiert werden. Frauen, die ihre "natürlichen" Aufgaben verweigern, werden wie früher schon als nicht "normal" bezeichnet und für eine inhumane, immer kälter werdende Gesellschaft verantwortlich gemacht.

"Entgrenzung" der Arbeitsverhältnisse

Tatsächlich betrifft die Erhöhung des Erwerbspotentials in der Alt-BRD mehrheitlich Frauen. Sieht man sich die Arbeitsplätze und Arbeitstätigkeiten an, so sind Frauen bestenfalls quantitative Gewinnerinnen, jedoch qualitative Verliererinnen auf dem Arbeitsmarkt. Die qualitativen Verluste beziehen sich nicht ausschließlich auf Verluste an Arbeitszeit und zur Sicherung der Existenz notwendigem Geld, sondern auch auf verschlechterte Arbeitsbedingungen im Blick auf Anforderungen, die unterhalb des erworbenen Qualifikationsniveaus liegen und neue, schwerwiegende psychische und physische Belastungen, oftmals dort, wo neue Techniken, Arbeitsorganisationen oder Managementmethoden eingesetzt werden. WissenschaftlerInnen und BerufsbildungsexpertInnen verweisen immer wieder darauf, dass der gegenwärtige Wandel der Organisationsbedingungen von Arbeit zu einer Entgrenzung der Arbeitsverhältnisse führt, die nicht nur die Arbeitsbedingungen sondern auch die übrigen Lebensverhältnisse tangiert. Betroffene Arbeitskräfte werden zunehmend zu einer selbstverantwortlichen Strukturierung des Arbeitens und damit der gesamten Alltagsorganisation gezwungen. Konsequenz könnte langfristig eine Entgrenzung auch der gesellschaftlichen Verfassung von Arbeitskraft in Richtung auf einen individuellen "Arbeitskraftunternehmer" sein, der verstärkt seine Tätigkeit selbst organisieren muss. Entgrenzte und flexibilisierte Arbeitsverhältnisse sind für viele Beschäftigte, und das sind vor allem Frauen, längst "normal". Über ein Drittel der abhängig beschäftigen Frauen arbeitet bereits weniger als die "Normalarbeitszeit". Zeiten der Unterbrechungen, verbunden mit der Übernahme unbezahlter Arbeit in Haus- und Sorgearbeitsverhältnisse, sog. ehrenamtlicher Arbeit und Wiedereingliederung in die Erwerbsarbeit, oft in Form von Teilzeitarbeit, ungeschützter oder geringfügiger Beschäftigung (325-Euro-Jobs), Leiharbeit, neuerdings auch Teleheimarbeit und arbeitnehmerähnliche "neue Selbständigkeit" stellen in ihrer Erwerbsbiographie schon lange das "Normalarbeitsverhältnis" dar. Frauen mit Patchworkbiografien sind die Pionierinnen dieser Arbeitsorganisation, allzu oft auf Kosten der eigenständigen Existenzsicherung, auch im Alter. Der "neue" ArbeitnehmerInnentypus, der in Wirklichkeit kein Unternehmer ist, wie es der Begriff "Arbeitskraftunternehmer" suggeriert, weil er in den seltensten Fällen über Produktionsmittel verfügt und noch seltener andere Arbeitskräfte für sich arbeiten lässt, steht vor der Aufgabe, sein gesamtes Leben, d. h., auch seine "private" Existenz hochrationalisiert in den Griff zu bekommen. Hausfrauen mit Teilzeitbeschäftigung sind auch in dieser Hinsicht Pionierinnen: Sie haben schon lange wechselnde Arbeitsplätze und an ihrem Beispiel wird deutlich, dass eigentlich die gesamte Lebensführung verbetrieblicht wird, weil sich die anderen Arbeitstätigkeiten den betrieblichen Bedingungen wesentlich unterordnen (müssen). Mit zunehmender Entgrenzung sind auch männliche Arbeitnehmer mehr und mehr betroffen. So unterstellt beispielsweise die Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen, dass bei Forschreibung der in den letzten beiden Dekaden beobachtbaren Trends der Entgrenzung im Jahr 2010 das Verhältnis Normal- und Nicht-Normalarbeitsverhältnis im Jahr 2010 bei eins zu eins liegen dürfte. Das Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stellte in seinem Wochenbericht Ende Februar 2001 fest, dass in Deutschland bereits 14 % aller Männerarbeitsplätze "entstandardisiert" (Teilzeit, befristet, geringfügig) seien, bei den Frauen der Anteil allerdings schon bei 45 % läge, wobei ein deutlicher Unterschied zwischen alten (49 %) und neuen Bundesländern (24 %) festzustellen sei. Auch international betrachtet läge der Anteil der ostdeutschen Frauen, die unbefristet und Vollzeit erwerbstätig sind "ungewöhnlich hoch". Das Berliner Institut bezeichnete dies als "eine Erbschaft der DDR" (FR v. 1. 3. 2001).

Geringschätzung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten

Eine Erbschaft der Alt-BRD ist zweifelsohne die Geringschätzung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten für die Entwicklung der Kinder. Nur 2,2 % aller westdeutschen Kinder im Alter zwischen 0 und 3 Jahren finden einen Platz in einer Kinderkrippe (Ost 41,3 %), 85,2 % aller 3-6jährigen (Ost 116,8 %) einen Kindergartenplatz und 5,1 % (Ost 34,1%) der 6-10jährigen einen Platz in einem Kinderhort. Die leitende Ideologie der "alten Bundesländer", die Erziehung der Kinder in der Familie, das heißt durch die Mutter, sei die beste Erziehung, schwappt auch auf die "neuen Länder" über, obwohl Untersuchungen immer wieder das Ergebnis haben, dass Kinder zur Entwicklung ihrer Fähigkeiten die Auseinandersetzungen mit Gleichaltrigen - also gut ausgestattete öffentliche Einrichtungen - brauchen. Freilich ist mit der Frage nach Kinderbetreuung für viele Elternteile, in der überwiegenden Zahl Frauen, die Möglichkeit einer Erwerbsarbeit nachzugehen, verbunden. Es sind also verschiedene Gründe, die dazu führen, dass besonders Frauen mit mehr als einem Kind die bezahlte Arbeit aufgeben. Je länger sie ihre "Familienphase" ausdehnen, desto weniger Chancen haben sie, in den Beruf zurückzukehren. Frauen erfahren nicht nur die "entgrenzten" Arbeitsbedingungen. Auch der Stundenlohn der Arbeiterinnen und die Gehälter der angestellten Frauen liegen immer noch erheblich unter dem der gleich qualifizierten Männer, und der Anteil der erwerbslosen Frauen war in den letzten Jahren, stellt man ihre niedrigere Erwerbsbeteiligung in Rechnung, ständig über dem der Männer. Die diskontinuierlichen Berufsverläufe, verbunden mit geringen Verdiensten, führen dann dazu, dass viele ältere Frauen von ihrer Rente nicht leben können. 40 % der Frauen, aber nur 1 % der Männer haben überhaupt keine eigene Rente aus eigenen Anwartschaften. Es ist schon so, wie Trude Unruh vor einigen Jahren schrieb: die Altersarmut ist das "zynische Ende der christlichen Familienpolitik".

Her mit welcher Hälfte?

Die bloße Forderung "Her mit der Hälfte", wie sie von der "neuen" Frauenbewegung vielfach gestellt wurde, wird für die Zukunft nicht mehr ausreichen, denn in einigen Bereichen stellen Frauen heute bereits mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte. Das gilt nicht nur für die in der Familie und anderen Lebenszusammenhängen geleisteten Haus- und Sorgearbeiten. Frauen stellen mehr als die Hälfte der Erwerbslosen, der ungeschützt und geringfügig Beschäftigen, der Dienstboten, der Geringverdienenden, der Teilzeitarbeitenden, der mit niedrigen Löhnen Arbeitenden und der "working poor", also derjenigen, die arm sind, obwohl sie Erwerbsarbeit leisten. 80 % der "ehrenamtlich" und ohne Geld im Bereich der Gesundheits- Pflege- und Sozialarbeit Arbeitenden in der Bundesrepublik Deutschland sind weiblich. Hingegen sind Führungs- und Machtpositionen weiter mit Männern besetzt. Frauen stehen weltweit weit weniger Plätze in den Parlamenten zur Verfügung. In der BRD sind es ca. 30 %. Die mächtigsten Ministerien, das Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium sowie das Bundeskanzleramt sind immer noch frauenfrei. In den Management-Etagen der Wirtschaft sitzen fast ausschließlich Männer und in den gehobenen Positionen von Verwaltung, Dienstleistung und Universitäten ist es nicht anders. Nur 9,8 % aller Professoren sind Professorinnen, da fehlt es an weiblichen Identitätsfiguren. Patriarchale Arbeits- und Machtstrukturen sind die Ursache und die Wirkung dieser Geschlechterasymmetrien. Und die Männerbünde sind zählebig, so bleiben die "gläsernen Decken" und offenen und geheimen Ausschlussverfahren, die Frauen auf bestimmten Positionen festhalten und von den mit Einfluss und Ansehen ausgestatteten Posten fernhalten. Freilich gibt es auch Frauen, die Mitträgerinnen innerhalb von Normen sind, die vor allem Männer gesetzt haben.

Nehmen Sie es wie eine Frau, Madam

Auf dem eng gewordenen Arbeitsmarkt konkurrieren BewerberInnen um das knappe Gut Arbeit. In Trainee-Veranstaltungen und Vorbereitungskursen auf Assessment-Center, die bei der BewerberInnenauswahl für hochqualifizierte Berufe gang und gäbe sind, werden sie auf den Konkurrenzkampf vorbereitet. Vor allem sollen sie den Beweis erbringen, welche Vorteile sie einem Unternehmen zu bieten haben, wenn es sie und keine andere einstellt. Diejenigen, die es verkraften, immer wieder abgelehnt zu werden und es dennoch immer wieder versuchen, haben die besten Chancen, bei den ausgeklügelten Auswahlverfahren, bei denen sich die BewerberInnen bewusst einer individuellen Konkurrenz aussetzen müssen, dann doch zu siegen. Freilich spielt sich der Konkurrenzkampf keinesfalls ausschließlich zwischen den Geschlechtern ab. Je höher die Positionen, umso stärker treten auch Männer untereinander in die Konkurrenz ein. Wenn Frauen der Zutritt in die Avantgarde schließlich gelungen ist, gehen sie selten anders mit ihren Konkurrentinnen um, als Männer das tun. Frauen erheben heute den Anspruch auf qualifizierte Arbeit und auch auf Führungspositionen. In diesem Zusammenhang ist auch die in der Zwischenzeit ausgedehnte wissenschaftliche Diskussion um soziale Kompetenzen und "weibliche Führungsqualitäten" zu sehen. Die meisten AutorInnen, die sich diesem Thema widmen, stimmen darin überein, dass Frauen heute andere, ‚sanftere‘, aber insgesamt der modernen Unternehmensführung angepasste Führungsqualitäten aufweisen. Auch wenn die kapitalistische Wirtschaft, immer auf der Suche nach Profitchancen die Frauen (scheinbar) entdeckt hat, weil sie die besseren Manager sind, vor allem wenn es um den zwischenmenschlichen Kontakt geht, um Planungskompetenzen, Zielorientierung und Durchhaltevermögen. Letztlich bleibt doch im Wesentlichen alles, wie es ist. Die Glorifizierung der "weiblichen Werte" führt wiederum dazu, dass alte Rollenzuschreibungen verfestigt werden: Männer konzentrieren sich auf Trennung, Frauen auf das Verbindende. Männer konzentrieren sich auf sich selbst, Frauen auf andere. Männer machen sich Gedanken über Rechte, Frauen machen sich Gedanken über Pflichten und Verantwortung. Männer fühlen sich in Hierarchien wohl, Frauen bevorzugen Netzwerkorganisationen. Männer scheuen sich bei der Lösung von Problemen nicht vor dem Konfrontationskurs, Frauen betonen Mitgefühl und Schutz. Frauen sind also grundverschieden von Männern. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind das Innovationspotential, das muss die Wirtschaft nach der Meinung des großen amerikanischen Trendforschers und Management-Vordenkers Tom Peters zuallererst und ganz schnell lernen. Es gilt den Gleichheitsgrundsatz über Bord zu werfen, schließlich ist (wieder einmal) bewiesen, dass Männer und Frauen grundverschieden sind. Diese "erstklassige Differenzierungsstrategie" wird als "größter Renner aller Zeiten" verkauft. Gefragt ist "die neue Frau". Die Frau, die die Verantwortung für sich selbst und für die Menschen in ihrem Umfeld übernimmt. Die Frau, die mühelos ein Leben mit verschiedenen Rollen meistert. Sie ist Mutter, Versorgerin, Mitarbeiterin, Chefin, ehrenamtlich Tätige und Ehefrau in einem und noch viel mehr. Sie ist geeignet, den ökonomischen Ertrag zu mehren, zum Wohle des gesamten Unternehmens und zum Wohle des einzelnen Mannes, denn er kann bleiben, wie er ist. Ihr soll die Welt gehören, aber ihr Weg auf der Unternehmensleiter nach oben ist eben schwieriger und langwieriger, als der des Mannes. Zu solchen Schlussfolgerungen kommt nicht nur die Trendforschung. Auch "empirische Grunderkenntnisse zu Frauen in Führungspositionen", die Dorothea Assig und Andrea Beck 1998 zusammengetragen haben, zeigen auf, dass Frauen die Management-Anforderungen besser meistern, größere Führungskompetenzen aufweisen und daher auch die Organisationen, die sie leiten, deutlich erfolgreicher sind, als die von Männern geführten. Ihre Unternehmen erreichen höhere Erträge, wachsen rasant und sind doppelt so rentabel. Zudem sind Frauen viel schneller als die "Männer in den Nadelstreifen", denn sie nehmen die Tendenzen des Marktes vorweg. Damit nicht genug. Amerikanische Studien erbrachten, dass alle, aber auch alle Managementfähigkeiten bei Frauen besser ausgebildet sind, als bei Männern und dass Frauen - da sie geeignet sind, das Organisationsklima derartig zu erwärmen - sogar bei männlichen Vorgesetzten und Mitarbeitern beliebt sind. Ohne Zweifel, die schöne neue Führungswelt gehört den Frauen. Wenn Frauen Vorgesetzte sind, sind sie eben besser. Warum Frauen nach wie vor nicht oder nur selten in 'höhere Positionen' aufsteigen, bleibt auch nach diesen Analysen weitgehend offen. Warum gab es keinen Jubel in der "Frauen-Forscherinnenszene" ob dieser hervorragenden Ergebnisse? Dorothea Assig und Andrea Beck wissen die Antwort: "Vorurteile vernebeln den Blick auf die neuen Fakten". In Wirklichkeit gibt es keinen Grund zum Jubeln. Aus den Ergebnissen wissen wir, Frauen in Führungspositionen sind besser, schneller, rentabler, als Männer und sie müssen es offenbar auch sein, um überhaupt auf solche Positionen zu kommen. Diese Erkenntnis ist nicht neu und überrascht daher nicht. Diese "Führungsqualitäten" heben die (wenigen) nach oben gekommenen Frauen ab, auch von den (vielen) Frauen, die es nicht geschafft haben. Die Topfrauen nehmen die patriarchalen Maßstäbe nicht nur an, sie setzen die Meßlatte selbst und sie setzen sie oft höher. Dagegen spricht freilich überhaupt nichts, solange die Hierarchien sind, wie sie sind. Die Hoffnung auf egalitärere betriebliche Strukturen mit erweiterten Partizipationsmöglichkeiten für Männer und Frauen, wie sie in den 70er Jahren artikuliert wurde, scheint damit endgültig ad acta gelegt. Die angeführten amerikanischen Studien beweisen: Frauen können Chefs sein, noch dazu die besseren, als Männer. Sie haben Profil und Ausstrahlung und kennen die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen. Schließlich war es Jill Barad - eine Frau - die als Vorstandsvorsitzende des Spielzeugunternehmens Matell die Barbie-Puppe auf den Markt brachte und damit Riesenerfolge erzielte. Im Grunde genommen wird durch solche Erkenntnisse die gespaltene Arbeitsgesellschaft, mit der sich die Menschen offenbar wie mit einem Naturereignis abfinden müssen, nicht infrage gestellt. Und obwohl es scheinbar ‚schickÂ’ erscheint, auf dem Gruppenbild der Unternehmensleitungen auch eine Dame zu haben, sind Frauen in großen Industrieunternehmen nach wie vor weder in entscheidungsrelevanten beruflichen Positionen, noch im Bereich der Sachbearbeitung mit kreativen Arbeitsaufgaben, z. B. Forschung, Entwicklung und Konstruktion von Produkten vertreten - und wenn, nur marginal. Auch die Erkenntnis über die Bedeutung ‚weiblicher FähigkeitenÂ’ für Aufgaben der Personalführung und deren - verbale - Aufwertung hat nicht gerade zum massenhaften Einbruch in den Herrenclub geführt. Gegenwärtige feministische Theorien bewegen sich zwischen einem Denken, das auf der einen Seite das Weibliche zelebriert und in "der Frau" eine originäre Wesens- und Eigenart vermutet, auf der anderen Seite wird die Zentrierung von Geschlecht und Körper - einst Kernelement feministischer Theorie und Praxis - als konstruiert entlarvt und die Zweigeschlechtlichkeit aufgelöst. Wenn das möglich wäre, würde auch das Konstrukt "weibliche Qualitäten" überflüssig, weil die mit diesem Label versehenen Qualitäten von Männern wie Frauen erbracht würden. Auch davon sind wir weit entfernt.

Nicht die Hälfte vom schimmligen Kuchen

Der Fortschritt der letzten Jahrzehnte besteht darin, dass sich immer öfter tüchtige und fähige Frauen trauen, öffentlich aufzutreten und gegen das ungeheure Unrecht der patriarchalen Ordnung anzukämpfen und auf Veränderungen zu drängen. Angesichts der sich verschärfenden Diskriminierungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt sind Politik, Wissenschaft und Praxis allerdings ebenso gefordert, die Arbeitsmarktlage der Frauen spürbar zu verbessern. Heute propagierte "Lösungsmodelle" sind meist nicht geeignet, den sozialen und geschlechterspezifischen Ungleichheiten entgegenzuwirken. Die Durchsetzung der Chancengleichheit in der Privatwirtschaft wird in der Bundesrepublik, da es, obwohl es die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hatten, immer noch kein Gleichstellungsgesetz gibt, einzig der freiwilligen Initiative der Unternehmen und der Tarif- und Betriebsparteien überlassen. Damit hinkt die Bundesrepublik den politischen Entwicklungen hinterher. Freilich dürfen Überlegungen von Feministinnen nicht dabei enden, dass Frauen die Hälfte vom schimmligen Kuchen wollen oder die Hälfte der Fensterplätze auf der im Mainstream untergehenden Titanic. Auch (manche) Frauen entwickeln Geschick darin, selbst oben zu schwimmen und andere unterzutauchen, ohne Rücksicht auf Verluste. Es braucht Frauen und Männer die Macht nicht mit Unterdrückung verbinden. Wir - und damit meine ich alle, die mit den herrschenden Verhältnissen nicht einverstanden sind - werden einen anderen Kuchen backen müssen. Bella Abzug, die Initiatorin von WEDO (WomenÂ’s Environment and Development Organisation) formulierte das so: "Frauen möchten nicht in einem vergifteten Strom schwimmen. Wir möchten den Strom reinigen und in ein frisches, fließendes Wasser verwandeln, ein Wasser, das in eine neue Richtung fließt, eine Welt in Frieden und die die Menschenrechte für alle respektiert" - das heißt für alle Frauen und Männer. Und das heißt nicht, dass Frauen schon wieder die Reinigungsarbeiten übernehmen wollen. Gegen-Macht wird für die Zukunft ebenso notwendig wie Mit-Macht. Frauenpolitik ist heute wichtiger denn je, wenn die Hoffnung auf eine Gesellschaft von Ebenbürtigen nicht aufgegeben werden soll. Nach wie vor gilt: Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen.