Perspektiven der Internationalismus-Bewegung und Krise des BUKO

Referat auf dem BUKO-Ratschlag vom 01.-03.05.98 in Düsseldorf

in (23.04.2001)

1. Old and New Dreams: Vom Sterben und Überleben sozialer Bewegungen

Es gehört zur Ideologie der Neuen Weltordnung, soziale Bewegungen hätten in ihr ausgedient und seien zusammen mit dem "Ende der Geschichte" sang- und klanglos auf den Müllhaufen gewandert. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich ein anderer Befund. Zum einen scheint die Anzahl von Basisorganisationen und grassroots-movements heute eher größer zu sein als jemals vorher - und das Vertrauen in das herrschende System scheint heute nicht gerade höher zu sein als vor 20 Jahren. Zum anderen gibt es zwar soziale Bewegungen, die in der Krise stecken - so unterschiedliche wie die Gewerkschaftsbewegung, die Ökologiebewegung und die Frauenbewegung; aber es gibt ebenso soziale Bewegungen, die unter den Bedingungen der NWO sehr erfolgreich weitergearbeitet und alte Ziele schlicht erreicht haben. Ein Beispiel ist die Lesben- und Schwulenbewegung, die in den letzten Jahren das alte Ziel der Streichung des § 175 ebenso erreicht hat wie eine substanzielle rechtliche, ökonomische und kulturelle Emanzipation. Ein anderes Beispiel ist die Anti-Apartheid-Bewegung. Ferner gibt es Bewegungen wie den Neozapatismus, die sich in einem jahrelangen Prozeß bereits unter den Bedingungen der NWO konstituiert haben und zumindest erstaunlich weit gekommen sind.

Die Anti-Apartheid-Bewegung ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil es Zeiten gab, wo es ihr noch weitaus schlechter ging als dem BUKO heute. Ende der 60er waren der ANC und sämtliche andere große Organisationen in Südafrika verboten, die gesamte Führung der Bewegung saß im Knast, die militärische Option war rundheraus gescheitert, und es deutete überhaupt nichts darauf hin, daß es zu einem neuen Zyklus von Bewegung kommen würde. Die eigentliche Erfolgsphase, die Wende von 1985 bis hin zur Wahl von 1994, fällt bereits definitiv in die Zeit der NWO, von der wir landläufig eigentlich das Abflauen oder Scheitern sozialer Bewegungen erwarten.

Was sich an der Anti-Apartheid-Bewegung besonders deutlich zeigen läßt, aber auch für andere Bewegungen gilt, sind die drei Grundbestimmungen gibt, die eine soziale Bewegung haben muß: Forderung; Consciousness; Organisation. Eine soziale Bewegung muß eine zentrale Forderung haben, die klar verständlich ist - eine Forderung, die im Konflikt zur derzeitigen herrschenden Ordnung steht, der aber auch eine gewisse innere Unabweisbarkeit innewohnt. Solche Forderungen sind konkret; sie heißen nicht "Frieden" oder "Ökologie", sondern "Abrüstung" oder "Ausstieg aus der Atomkraft" usw. Im Fall der AAB war die zentrale Forderung die Formel "one man, one vote": allgemeines, gleiches, direktes Wahlrecht ohne Ansehen der Hautfarbe; keine "Kammernsysteme", keine Homelands, einfach pro Mensch eine Stimme. Darum ging es, daran krachte es, das wurde letztlich erreicht (und jetzt stellen sich andere Fragen).

Eine soziale Bewegung muß ferner in der Lage sein, immer wieder ein der Zeit entsprechendes politisches Bewußtsein zu artikulieren - das, was im Black Movement der 70er Jahre "consciousness" heißt. Consciousness ist mehr als Theorie, es ist eine bestimmte Art die Dinge zu sehen und danach zu handeln, und sie wandelt sich. Im Fall der AAB ging in der Flaute Ende der 60er, Anfang der 70er vom Black Consciousness Movement (das zahlenmäßig eher schwach war und keine organisatorische Kontinuität bilden konnte) ein entsprechender Impuls aus, ohne den die Aufstände Ende der 70er undenkbar gewesen wären, die bereits die finale Krise des Apartheid-Regimes einleiteten.

Eine soziale Bewegung muß drittens eine (oder mehrere) zentrale Organisationen haben, die in der Lage sind, die Erfahrungen der Bewegung zu bewahren, in sich aufzunehmen, und ihnen quasi materielle Qualität zu geben. Die Bewegung muß sich mit der Organisation sozusagen ein Produktionsmittel gesellschaftlicher Veränderung schaffen. Der ANC hatte, wie gesagt, Zeiten in denen er weder stark, noch führend, noch besonders kreativ war. Aber er war die Organisation die immer da war, die in der Lage war sich neuen Entwicklungen und Ansätzen immer wieder zu öffnen, und ohne deren Potential an Leuten, Erfahrungen, Kontakten und Ressourcen der Wandel undenkbar gewesen wäre. Der ANC bekämpfte durchaus rivalisierende Organisationen und Ansätze, aber er öffnete sich letztlich immer wieder für die Gesamtheit der Richtungen, die in der schwarzen Bewegung vorhanden war.

Soziale Bewegungen scheitern in der Regel nicht daran, daß sie zerstört werden. In gewissem Sinne ist das fast unmöglich. Aller Erfahrung nach scheitern sie daran, daß sie ihre Forderung aufgeben (oder sich darin unsicher werden); daß sie nicht in der Lage sind, immer wieder eine adaquäte Form politischen Bewußtseins, eine zeitgemäße Consciousness, hervorzubringen oder aufzunehmen; oder daß sie es nicht schaffen, irgendwelche Formen von organisatorischer Kontinuität zu bilden, in denen ihre Erfahrungen ausgetauscht und aufgehoben werden können.

Wenn wir von den Perspektiven der Internationalismus-Bewegung und der Positionierung der BUKO in ihr reden, wäre also die Frage zu stellen: Wie sieht es mit diesen drei Grundelementen aus? Was war und ist die zentrale Forderung; von welcher Consciousness war die Bewegung getragen und von welcher kann sie zukünftig getragen werden; wie kann eine organisatorische Kontinuität fortgesetzt werden?

2. Governance statt Befreiung: Der Krisenprozeß der Bewegung

Es mag banal sein, muß aber heutzutage wieder betont werden: Die Internationalismus-Bewegung war keine Bewegung zur Förderung der Entwicklungspolitik. Ganz im Gegenteil. Wenn es eine Forderung gibt, die den inneren Zusammenhang und die Daseinsberechtigung der Internationalismus-Bewegung ausmacht, dann lautet sie: Die Selbstbefreiung der anderen, der Menschen in der Dritten Welt, muß akzeptiert und unterstützt, statt bekämpft und bekriegt werden, und zwar auf allen Ebenen. Diese Forderung hat den Laden zusammengehalten, und sie ist nach wie vor aktuell. Die Forderung der Internationalismus-Bewegung steht in einem fundamentalen Konflikt zur hier herrschenden Ordnung, die ja gerade darauf basiert, diese Selbstbefreiung zu verhindern; dennoch haftet dieser Forderung eine gewisse prinzipielle Unabweisbarkeit an. Aus dieser Forderung heraus hat der BUKO die offizielle Entwicklungspolitik verurteilt, aus dieser Forderung heraus hat er die Kampagne "Waffen für El Salvador" unterstützt, die ihn die finanziellen Zuwendungen aus dem BMZ kostete. Aus dieser Forderung heraus wurde in den letzten Jahren innerhalb des BUKO die neue Ära "nachhaltiger Herrschaft", "Neuer Weltordnung", herrschaftsförmiger Partizipation kritisiert.

Auf die Frage, von welcher Consciousness die Internationalismus-Bewegung in den 70er und 80er Jahren getragen war, gibt es ebenfalls nur eine Antwort: von einer sozialistischen. So sah der wesentliche Motor aus - ob als christlich geprägter Sozialismus, ob als linksradikaler, ob vereinzelt auch als dogmatischer, aber das war der Nenner. Dieser Befund überrascht vielleicht, weil darüber nicht viel geredet wurde, aber er ist relativ klar. Andere Formen politischer Consciousness kamen dementsprechend auch nicht rein - kein radikaler Feminismus, der sich ja auch in Abgrenzung zum sozialistischen Bewußtsein konstituiert hatte; auch kein Anti-Rassismus, der sich über die aktive und bedingungslose Zusammenarbeit mit MigrantInnen-Gruppen ohne ideologische Filter konstituierte. Man war gegen Kapitalismus und Imperialismus, von deren Ende man sich den Beginn einer besseren Ordnung erhoffte, und die war, mit unterschiedlichen persönlichen Kolorierungen, sozialistisch. Das war das Bewußtsein der Bewegung.

Wenn man sich diese beiden Dinge klarmacht, läßt sich benennen, was die Situation der Bewegung heute ist. Zum einen wird ihre zentrale Forderung schlicht ausverkauft, das heißt: für kurzfristige materielle oder taktische Vorteile aufgegeben. Dazu genügt ein Blick in ein aktuelles Mainstream-Papier, das Memorandum 98 "Für eine Politik der Nachhaltigkeit - Entwicklungspolitik als internationale Strukturpolitik". In diesem Papier wird eine Neuorientierung der BRD-Entwicklungspolitik gefordert, die angesichts der "globalen Risiken" dazu beitragen müsse, internationale "Steuerungsfähigkeit" wiederherzustellen im Sinne von "Global Governance" und Nachhaltiger Entwicklung. Mit Internationalismus hat das nichts zu tun, sondern mit aufgeklärt-autoritärer Weltverwaltung - von Selbstbefreiung und Herrschaftsverhältnissen ist nicht die Rede. Unter diesem Papier finden wir die leitenden Personen von WEED, VENRO, Transfair und dem Forum Umwelt und Entwicklung ebenso wie Leitungspersonal aus GTZ und BMZ; VertreterInnen der Welthungerhilfe und der AGKED ebenso wie das Dritte-Welt-Haus Bielefeld; Altvater und Freyhold ebenso wie die Bremer Governance-Gang um Senghaas und Zürn. Das wäre vielleicht noch tragbar, wenn es sich um ein bewußt taktisches Vorgehen für ein bestimmtes politisches Teilziel handeln würde. Tatsache ist aber, daß die Mehrheit der Internationalismus-Bewegung hierzulande Ausführungen wie das "Memorandum 98" ohne Zögern als ihr Grundsatzprogramm unterschreiben würde.

Zum anderen, und das ist die zweite Situationsbestimmung, ist Sozialismus heute keine tragfähige politische Consciousness mehr. Das ist keine Frage, über die man theoretisch streiten kann, sondern einfach ein politischer Fakt. Daran sind auch nicht nur die bösen Neoliberalisten schuld oder die verbohrten "Realsozialisten", die's in den Sand gesetzt haben, und das ist auch überhaupt kein Prozeß, der einseitig negativ betrachtet werden müßte. Das Ende der sozialistischen Consciousness ist auch die Summe von kritischen Dekonstruktionsprozessen, die in den 70ern begonnen haben, in den 80ern immer stärker wurden und durch den Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten nur noch beschleunigt wurden. Es ist die Summe der Kritik derjenigen, die nicht das Kapital vertreten, sich im sozialistischen Modell aber trotzdem nicht wiederfinden konnten - Frauen; schwarze, ethnische oder indigene Bewegungen; Libertäre und Antiautoritäre usw. Das Ende des Sozialismus als verpflichtender Consciousness in den meisten sozialen Bewegungen bedeutet schlicht, daß diese heterogene Mehrheit sich durchgesetzt hat - sie weiß nur noch nicht, welcher gemeinsame Nenner sie stattdessen in Zukunft verbinden kann.

Die Kritiken aus feministischer, schwarzer, radikalökologischer, indigener und "postmoderner" Perspektive sind bekannt. Hingewiesen sei nur auf die wichtigsten, die "fünf großen Revisionen" an der traditionellen linken Auffassung. Sie betreffen

- das Verhältnis zu Staat und Macht: Weg vom Focus auf die Übernahme und Ausübung der zentralen Staatsmacht, hin zur Auffassung, daß die Macht - wie die Befreiung - "viele Zentren hat";

- die Kritik am Fortschritts- und Entwicklungsdenken: Weg von der Idee einer verpflichtenden, linearen, historischen Aufwärtsbewegung, hin zur Kritik an Entwicklung und Modernisierung als Zwangsregime;

- die Kritik der Objektivität: Politik läßt sich nicht aus objektiv feststellbaren Notwendigkeiten und Vernünftigkeiten ableiten, sondern bedarf der Selbstartikulation sozialer Gruppen und der Verhandlung zwischen ihnen; der traditionelle Objektivismus verschleiert nur die Dominanz einer ganz bestimmten Subjektivität (in der Regel der männlich-weißen-bürgerlich-westlichen);

- die Demokratiekritik: Weg von Partizipation, Einheit, Gleichheit, optimierter gesamtgesellschaftlicher Entscheidungsfindung; hin zur Frage, wie Individuen und Gruppen sich vor solchen Entscheidungen schützen können, wie sie der Überantwortung und Auslieferung ans politische System (Staat, Institutionen oder die eigene Organisation) entgegentreten können;

- schließlich das Abrücken von der Perspektive Vergesellschaftung und von der Idee einer "rationalen Struktur der gesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung": Verstaatlichung an sich löst kein Problem; zentralisierte gesellschaftliche Entscheidung über Bedürfnisse ist fragwürdig; eine komplette "Vergesellschaftung der Reproduktion" ist weder möglich noch wünschenswert.

Ich finde es korrekt, vom Ende "des Sozialismus" als Consciousness in den sozialen Bewegungen zu sprechen, weil es die Hintertür ausschließt, hier ginge es nur um bestimmte "Spielarten". Wie wenn nur "die anderen" Probleme hätten: die KommunistInnen, die RealsozialistInnen, die nationalen Befreiungsbewegungen usw. Eine solche Betrachtungsweise ist weit verbreitet, aber wenig hilfreich. Wir sollten dazu stehen, daß wir selbst Teil eines Kontinuums waren, das auch seine Berechtigung hatte; daß es aber so nicht weitergeht und die Suche nach einer anders artikulierten politischen Consciousness auf der Tagesordnung steht.

3. Krise als Chance und Krise als Frustration: Zu den Versuchen einer Veränderung des BUKO

Halten wir also den Zwischenbefund fest: Die Krise der Internationalismus-Bewegung hat zwei Aspekte. Zum einen wird ihre konstituierende Forderung von großen Teilen der Bewegung aufgegeben bzw. nicht mehr artikuliert. Zum anderen muß die Bewegung eine andere Form politischer Consciousness finden, nachdem die sozialistische Version verbraucht ist.

Was bedeutet dies für Organisationen? Meine These ist: Es geht heute nicht um oberflächliche Korrekturen, sondern um eine notwendige Neubegründung linker Politik; und es werden diejenigen Organisationen gewinnen, die dafür aktiv Raum bieten, die zum Ort einer solchen Neubegründung oder mindestens ihrer Herausbildung werden. So wie die ZapatistInnen sagen: der Zapatismus ist kein Ort, sondern eine Brücke, um von hier nach dort zu gelangen, so werden diese Organisationen Brücken sein, um von der alten zu einer neuen politischen Consciousness zu gelangen. Der Rest wird sich dann finden. Die Organisationen, die kein solcher Ort werden, werden sich entweder anpassen und zu Trägern affirmativer "Partizipation" am Herrschaftssystem werden, oder sie werden sich auflösen, oder in die Einflußlosigkeit abdriften.

Wie wird man eine Organisation, die ein Ort linker Neubegründung ist? Dafür sind vier Dinge notwendig:

- Die Organisation muß sich inhaltlich zumindest auf den Stand bringen, daß sie die erwähnten "fünf großen Revisionen" akzeptiert und nicht ständig versucht, vor ihnen wieder zurückzuweichen;

- sie muß sich kulturell von den traditionellen patriarchalen Formen wegbewegen;

- sie muß als heterogenes Bündnis offen dafür sein, neue Gruppen, Individuen und Impulse aufzunehmen;

- und sie muß kreativ sein. Sie darf nicht bloß eine leere Bühne bereitstellen, auf der man sich konsequenzlos tummeln kann, sondern sie muß selbst produktiv sein. Sie muß es sich selbst zur Aufgabe machen, an der Formulierung von neuen verbindenden Ansätzen, vermittelnden "narratives", zu arbeiten.

Eine bestehende Organisation mit einer längeren Tradition hat, um auch das unmißverständlich zu formulieren, auf allen vier Gebieten eine Bringschuld. Sie muß beweisen, daß sie bereit und in der Lage ist, sich auf allen vier Ebenen wirklich zu bewegen. Sonst gibt es keinen Grund, sich ausgerechnet an dieser Organisation abzuarbeiten.

Im BUKO hat es in dem Zeitraum, den ich selber miterlebt habe, also innerhalb der letzten fünf Jahre, eine Reihe von Anläufen gegeben, eine Veränderung in diesem Sinne zu bewirken. Diese Versuche zur Veränderung reichen vom Patriarchats-BUKO in Wuppertal 1995 über die Nachhaltigkeits-Kritik und das Bausteine-Papier 1996, bis hin zur Öffnungs-Agitation im Vorfeld des letzten BUKO 1997; und dazu gehören natürlich auch die Versuche der alaska und anderer Internat-Zeitschriften im BUKO-Spektrum, so etwas wie den inhaltlichen Anschluß an die internationale Debatte der letzten 10 Jahre überhaupt wieder herzustellen und dies in den BUKO einzubringen.

Alle diese Versuche zur Veränderung sind heute in hohem Maße frustriert. Die beteiligten Personen und Zusammenhänge sind mehr oder weniger zu dem Schluß gekommen, daß eine tatsächliche Veränderung nicht in Gang gekommen ist; daß zwar immer wieder links geblinkt, aber nicht gefahren wurde; daß es sich eine schweigende Mehrheit im BUKO in der Krise ganz bequem gemacht hat und daß keine Koalition sich bilden läßt, die Veränderung durchsetzt. Während der BUKO zunächst Leute und Aufmerksamkeit binden und anziehen konnte, hat heute der Exodus des kritischen Personals bereits eingesetzt - manchmal als innere Emigration, oft aber wirklich als Wechsel zu anderen Aufgaben und Zusammenhängen.

Ich will nicht verhehlen, daß ich selbst es heute fraglich finde, ob der beschriebene Prozeß noch umgekehrt werden kann. Zumindest würde eine Kurskorrektur erheblicher Anstrengungen und sehr deutlicher Signale bedürfen.

4. Last exit? Vom Sinn und Unsinn der Strukturreform

Aus den bisherigen Ausführungen dürfte klar geworden sein, daß ich das Ganze nicht für ein Strukturproblem halte, das sich durch Reformen der formalen Organisationsstruktur lösen ließe. Anders formuliert: normalerweise sind Strukturreformen eine Anpassung der überkommenen Formen einer Organisation an eine bereits veränderte Praxis und Zusammensetzung. Das ist nicht die Situation, in der wir uns befinden. Vom BUKO müßten vielmehr deutliche und unmißverständliche Signale der Veränderung ausgehen: er müßte in "neue" Inhalte investieren, etwa in Feminismus, Antirassismus, auch neue Theorie; er müßte ein entsprechendes Selbstverständnis formulieren; er müßte in eine verbindliche programmatische Debatte einsteigen, an deren Ende eine erneuerte, nachlesbare Programmatik steht; und er müßte sich unmißverständlich zur Öffnung für neue Gruppen, und für einen neuen Typ von Gruppen, bekennen. Die Aufgabe der Strukturveränderung dabei kann nur sein, einen solchen Prozeß glaubwürdig zu vertreten und unhinterschreitbar abzusichern. Es ginge dann z.B. nicht nur um die Schaffung eines neuen zentralen politischen Gremiums, sondern um ein Gremium auf der Grundlage eines solchen Auftrags, das auch mit den definitiv dafür notwendigen Kompetenzen ausgestattet ist.

Was passiert, wenn das nicht geschieht (und bisher war es unmöglich)? Die Forderung der Internat-Bewegung ist aktueller denn je, und sie wird ihre zeitgemäßen Neuinterpretationen finden, nur außerhalb des BUKO. Der BUKO wird weiterexistieren, da er seine Grundstruktur auch ohne Veränderung und Ausstrahlungskraft absichern kann; er wird nur ein uninteressanter und einflußloser Ort sein. Möglicherweise kann auch der BUKO in ein paar Jahren wieder auf den Zug der Veränderung aufspringen, die sich außerhalb von ihm entwickelt hat; falls es dann hinreichend opportun erscheint. Die Frage ist nur, ob man diesen Prozeß der Neufindung und Neubegründung internationalistischer Politik aktiv mit gestalten möchte, oder ob man damit zufrieden ist, abseits davon zu überwintern.