Ein Mann, ein Drink

Sechsmal Saufen für die Globalisierung

in (12.04.2001)

Männer gibt's wie Sand am Meer, könnte man mit Annette Humpe meinen, aber das täuscht; mit einer Handvoll Typen kommt frau zur Charakterisierung in der Regel aus.

Umgekehrt sind Männer aber auch nicht alle gleich und bleiben vor allem nicht gleich, wie uns die moderne Männerforschung lehrt. Was passiert mit dem Mann im Zeitalter der Globalisierung? Wie verändert er sich? Wo geht er hin? Und: was trinkt er dabei?

Fragen, die auch Männer interessieren sollten! Alaska zeigt die 6 Kerntypen im Zeitalter der Globalisierung: Idealtypen, zu denen, wenngleich bisweilen hin- und hergerissen und gespalten, globalisierte Männlichkeit heute tendiert. Da können Sie ja nachsehen, nach welchem Muster Sie Ihre Männlichkeit organisieren. Und nachlesen, welcher Drink zu Ihnen paßt!

GLOBALIZER

Der Mann:

Der Globalizer ist, wie man so sagt, die hegemoniale Form von Männlichkeit im Zeitalter der Globalisierung. Das Muster der Mächtigen und derer, die es werden wollen. Der Globalizer treibt die Globalisierung aktiv und freudig voran, denn er hat eine Leitungs- und Steuerungsfunktion in Wirtschaft, Politik oder Kultur und dehnt seinen Claim täglich aus: hier ein paar hundert Kilometer, da ein paar Millionen, oder vielleicht ein kleines Land mehr? Vorbild ist das Trio Bill Clinton, Bill Gates, Steven Spielberg, aber es tummeln sich bereits zehntausende von größeren und kleineren Globalizern rund um den Globus. Der Globalizer hat wirklich etwas zu sagen, er befiehlt die Einsätze und definiert ihre Kriterien, ob es nun die Einsätze von Geld, Soldaten, Maschinen, Informationen oder Medien sind. Er ist meistens Amerikaner, häufig Europäer oder Japaner, immer öfter aber auch was anderes.

Laut Cornell zeichnet sich der Globalizer aus durch gesteigerten Egozentrismus, relativierte Loyalitäten, sinkendes Verantwortungsgefühl und rational-strategisches Denken. Sein Benehmen ist schlecht, aber selbstbewußt. Der globalizer verschwendet seine Zeit weder mit französischem Essen noch damit, Japanisch oder Indonesisch zu lernen. Beziehungstechnisch hat er für jede Funktion die passende Frau. Sein Sexualleben ist tendenziell promiskuitiv und seine Frau ist berufstätig, weil er sowieso keine Zeit hat.

Der Drink:

2 cl Light Rum

2 cl Melonensaft

1 dash Aloe Vera

Champagner

Der Globalizer ist elegant, spritzig und skrupellos. Er erzeugt ein weltumspannendes, zuversichtliches Feeling, enthält die Vitamine A und C, reinigt die Körpersäfte und ist je nach Wahl des Champagners ordentlich teuer. Trinkspruch: "Globalize it!"

DEFENDER

Der Mann:

Der Defender verteidigt sich und die Seinen gegen den übelsten Abschaum des Universums: die Globalisierung. Er kämpft wahlweise gegen Sozialabbau, Verlust nationaler Souveränität, Kulturverfall, Nihilismus, Profitgier, Libertinage. In jedem Fall aber kämpft er gegen die Auflösung der Milieus und der Konstellationen, aus denen er seine patriarchale Autorität gewonnen hat und die heute im globalen Schwinden begriffen sind. Obwohl er täglich flammende Reden gegen die Globalisierung hält, profitiert er von ihr. In der Vergangenheit wurde seine männliche Vormachtstellung nämlich ordentlich von seiner Bezugsgruppe ausgehöhlt. Nun aber dräut die Globalisierung am Horizont, und da möchte er seine Rolle wieder re-stabilisieren: als Ernährer, als Gewerkschafter, als Streetfighter, als Sektenführer oder als Produzent von Modern Talking.

Mit den Globalizern kommt er ins Geschäft, weil er Verhandlungsmasse anbieten kann: er kann die Widerständigkeit seines Milieus abschwächen, wenn ihm umgekehrt Zugeständnisse gemacht werden, daß dieses Milieu langsamer, kontrolliert und mit Sozialplan abgewickelt wird. So trägt er dazu bei, daß die Globalisierung geräuschloser und weniger eruptiv abläuft. Der Defender unterschreibt gern Petitionen: für Quoten zugunsten nationaler Rockmusik, gegen Rechtschreibreformen, für Freilandhaltung und gegen den Neoliberalismus. Sein Beziehungsleben ist spießig, d.h. es gehorcht den traditionellen Konventionen seiner Bezugsgruppe plus Besuch von Sex-Kino oder Bordell.

Der Drink:

4 cl Bourbon

2 cl Brandy

1 cl Zitronensaft

1 dash Angostura

Umwölkt die Stirn dieses Mannes, leicht bitter und herb sein Drink. Den Globalizer serviert man auf Eis im Old-Fashioned-Glas. Trinkspruch: "Wir oder die!"

SCHERPA

Der Mann:

Er ist der Soldat der Globalisierung, obwohl er sie nicht erfunden und den Kontakt zu seiner nationalen Kultur nicht vollständig abgelegt hat. Lernfähig und flexibel tut dieser Mann seine Arbeit, und er tut sie gut: als Bomberpilot oder als Philosoph, als Verhandlungsführer oder als Sozialwissenschaftler bricht er die Widerstände, die sich der Globalisierung entgegenstellen. Der Scherpa arbeitet den Globalizern zu, die ihn in Lohn und Brot setzen; er verschafft ihnen das Wissen, das sie nicht haben und findet die Lösungen, die sie brauchen. Er ist ein Blauhelm: immer einsatzbereit, immer auf fremdem Terrain; technisch gut ausgerüstet und mental darüber aufgeklärt, daß Hau-Drauf-Verfahren zum alten Eisen gehören.

Der Scherpa hat diejenigen Teile alter Männlichkeit über Bord geworfen, die der Globalisierung im Weg stehen. Er hat keine Probleme mit weiblicher Autorität, wenn sie dienstlich angeordnet ist. Er trinkt maßvoll, um für eventuelle Angriffe im Morgengrauen bereit zu sein, und hat keinen ungeschützten Verkehr. Privat weiß er die Vorteile globalisierter Geschlechterverhältnisse zu schätzen, die es ihm ersparen, sich mit den feministischen Ansprüchen seines Herkunftslandes auseinanderzusetzen: er heiratet gerne multikulturell.

Der Drink:

4 cl Wodka

4 cl Black Rum

4 cl Cola

Wer weltweit seine Einsätze fliegt, braucht einen Drink, dessen Zutaten immer und überall zu beschaffen sind und der gegen leichtes Fieber ebensogut wirkt wie gegen Anflüge männlichen Selbstzweifels. Der Scherpa kann auf Eis oder pur getrunken werden. Er ist geradeheraus, kontrolliert und schweigsam: ein wahrer Freund dieses Mannes, vielleicht sein einziger! Trinkspruch: "Wir tun hier nur unsern Job."

DIRTY DICK

Der Mann:

Der Mann, der seinen Schwanz nicht mehr wäscht, weil eh alles egal ist. Der Dirty Dick verfügt weder über die technischen noch über die mentalen Qualifikationen des Scherpas, von dem er als Kanonenfutter verheizt, für Dreckarbeiten mißbraucht oder einfach beiseitegeschoben wird. Der Dirty Dick schafft es zwar nicht, diejenigen männlichen Eigenschaften abzulegen, die im Zeitalter der Globalisierung nur noch schädlich sind; wohl aber schafft er es, sich jedweder Kontrolle durch soziales Umfeld, Gewissen oder Selbstachtung zu entledigen. Seine patriarchale Dividende (also der Nutzen, den er aus dem globalen Patriarchat zieht) besteht darin, daß die Vertreter der hegemonialen Männlichkeit ihm gewisse Reservate bereitstellen und seine männlichen Exzesse solange dulden, wie sie nicht absolut kontraproduktiv sind.

Der Dirty Dick kann verständig oder sogar sympathisch wirken, weil er keine Angst vor seinen femininen Anteilen hat, emotional reagiert und weibliche Beschützerinstinkte weckt. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieser Mann eine gezogene Handgranate ist, den die Globalizer nur deshalb gewähren lassen, weil seine Verwüstungen nur lokal und die Opfer überwiegend Frauen sind.

Der Drink:

2 cl weißer Rum

2 cl Tequila

1 cl Batida de Coco

3 cl Maracujasaft

Der Dirty Dick ist geschmacklos und sentimental und entfaltet auf den zweiten Blick eine unerwartet brutale Wirkung. Ab dem vierten Glas kann sich die gefürchtete Ballermann-Depression einstellen. Zu diesem Drink gehört Mut. Trinkspruch: "Keine Sau interessiert sich für mich!"

GLOCAL HERO

Der Mann:

Der Glocal Hero ist häufig mit dem Scherpa auf dieselbe Schule gegangen; aber er wird nicht von den Globalizern bezahlt, und das macht den Unterschied. Der Glocal Hero lebt dort, wo die andern wieder wegfliegen. Er hat eine Lokalität: sein Projekt, seine Region, seine Gruppe, seine Sache. Er sieht die Globalisierung kritisch, findet sie aber auch interessant und nützlich, insbesondere weil sie die patriarchale Vätergeneration in der eigenen Bezugsgruppe hinwegfegt: das schafft Platz für ihn. Da seine Machtressourcen vergleichsweise schwächer sind als die der Scherpas oder gar der Globalizer (worunter er gelegentlich leidet), muß der Glocal Hero sich arrangieren: mit den sozialen Bewegungen, aus denen er kommt oder mit denen er sich konfrontiert sieht; mit den konkreten Bedingungen; und nicht zuletzt mit den Frauen.

Der Glocal Hero zeichnet sich daher durch Sozialkompetenz und kommunikative Fähigkeiten aus, sowie durch einen notorischen Hang zur Selbstüberschätzung und Selbstvermarktung. Es ist gut informiert, zäh und gerissen, auch im Geschlechterverhältnis. Wenn er abwäscht, läßt er sich dabei fotografieren; unbeobachtet drückt er sich, weil er Wichtigeres zu tun hat. Der Glocal Hero ist überzeugt, ein partnerschaftliches Verhältnis zu Frauen zu haben und einfach nur besser zu sein als sie.

Der Drink:

2 cl Wodka

2 cl Kahlua

            1 dash Galliano

Der Glocal Hero ist cool, aber man ist sich nie sicher, ob er wirklich schmeckt. Mit Ramazotti statt Kahlua wird er zum Angry Hero, der auch sehr beliebt ist, weil dieser Mann es leicht am Magen bekommt. Trinkspruch: "Unsere Zeit kommt!"

LUMIBÄR

Der Mann:

Der Lumibär ist das Experimentierfeld und Labor der Männlichkeiten im Zeitalter der Globalisierung. Hier ist nichts mehr sicher: weder die heterosexuelle Orientierung, noch die Karriere-Ambitionen; nicht die männerbündische Disziplin und schon gar nicht die Treue zum Vaterland. Stadtneurotiker und Exhibitionist, hat dieser Mann endlich ein Thema gefunden, das ihn voll und ganz interessiert: sich selber! Der Lumibär hat seinen Therapeuten, er führt Tagebuch, besucht Koch-, Wickel-, Beziehungs- und Erdkundeseminare ("für alle Fälle"). Im Unterschied zu allen fünf anderen Männern würde er, auf das Thema "globalisierte Männlichkeit" angesprochen, nicht verständnislos starren wie ein Auto, sondern die nächsten drei Stunden gar nicht zu reden aufhören. Seine patriarchale Dividende besteht darin, daß das globalisierte Patriarchat ihn mit einem zuverlässigen Trauma ausstattet, das ihn bis an sein Lebensende beschäftigen kann.

Kulturell ist dieser Mann immer ein Gewinn; obwohl er sich als Bohemien gibt, achtet er peinlich darauf, das Schaffen aller anderen Lumibären der Welt stets aufmerksam zu verfolgen. Frauen können den Lumibär überallhin mitnehmen, ihn knuffen und ganze Nachmittage mit ihm verbringen. Manchmal vergessen sie ihn dann zusammen mit ihrem Schirm einfach in der Garderobe, was ihm neuen Stoff gibt, über das Thema "Die Zukunft des Mannes" nachzudenken.

Der Drink:

2 cl Cointreau

2 cl Amaretto

2 cl Rum

1 dash Grenadine

2 cl Sahne

4 cl Orangensaft

Der Lumibär leuchtet von innen. Ein bißchen wirr, aber sehr süffig, machen schon ein bis zwei Lumibären die Konversation eindeutig beschwingter und geistreicher. Trinkspruch: "Aber was soll's: wir brauchen die Eier!"