Mehr Sand, George!

Star Wars Episode One: Die dunkle Bedrohung

in (12.04.2001)

Star Wars war ein Teenager-Manifest. Ein rauhes Fanal für den globalen Teenager ohne Altersbeschränkung, der keinen Bock auf den Dienst als Kampfdose des Imperiums hat,...

Star Wars war ein Teenager-Manifest. Ein rauhes Fanal für den globalen Teenager ohne Altersbeschränkung, der keinen Bock auf den Dienst als Kampfdose des Imperiums hat, der romantisch, unzuverlässig und unbeholfen ist, aber von einem großen Ernst beseelt, daß das Leben nicht so grauslich keuchend enden muß, wie die Darth Vaders dieser Welt es vormachen und von einem verlangen. Nicht mehr, nicht weniger. Mit geschicktem Aufwand, einigen abgedrehten Einfällen und einem ins Gigantische aufgeblasenen Touch B-Movie. Star Wars war der erste große SF-Film, der die Zukunft nicht mal mehr kritisierte, sondern sich komplett von der Zukunft abwandte: das erste Epos des Post-Entwicklungs-Zeitalters, der legitime filmische Erbe des genialen Romanepos "Der Wüstenplanet" von Frank Herbert. Von Frank Herbert erbte George Lucas den Sand. Lucas spekulierte nicht über die Zukunft und ihre technischen Gimmicks, sondern wanderte mit stoischer Würde zwischen Dünen. Star Wars wirkte so unheimlich real, weil es die wirkliche Welt wiedergab. Dewbacks und X-Wings, urweltlich anmutende Wüstentiere neben Raumkreuzern - genauso ist es: die einen fahren zum Mond, die anderen laufen hinterm Wasserbüffel durchs Reisfeld wie seit tausend Jahren. Die Steuergelder gehen in den Bau irgendwelcher Todessterne, und auf Tatooine gibt es (außer in Mos Eisley) nicht einmal eine Kneipe. Und wie Frank Herbert realisierte Lucas eine Philosophie, nach der das Soziale, das Spirituelle und die Geschichte die Wirklichkeit formen, nicht der technische Fortschritt.

Star Wars hat eine extrem treue Fangemeinde. George Lucas hat extrem viel Geld. Die prominentesten SchauspielerInnen würden für ein Butterbrot mitspielen, und es wäre ihnen ausnahmsweise egal, ob sie einen Jedi-Ritter mimen sollen oder einen Dreiminuten-Auftritt als Weltraumwurm haben. Was konnte also noch schiefgehen?

Genau das. Star Wars ist zu einem alternden Imperium geworden, das an der Selbstüberschätzung seines Meisters stirbt. Lucas hielt es nicht für nötig, Set und Story von Leuten mitentwickeln zu lassen, die das Epos wieder näher an den Zeitgeist herangeführt hätten. Der Trash-Effekt ist aus den aufwendig produzierten Szenen gewichen. Niemand würde es mehr wagen, seinen Text selbständig zu ändern wie seinerzeit Harrison Ford, der zu Carrie Fisher auf das Stichwort "Ich liebe dich" nicht drehbuchgemäß antwortete "Ich dich auch", sondern "Ich weiß". Alle erstarren in Ehrfurcht. Ewan McGregor, Darsteller des jungen Obi-Wan Kenobi, verbringt Tage vor dem Videorecorder, um Alex Guiness als alten Obi-Wan zu kopieren. Alle sitzen geduldig auf stählernen Gestängen vor grünen Leinwänden und sprechen zu imaginären Gegenübern, hilflose Marionetten der Computertechnik. So kann das nichts werden mit den Rebellen. Stattdessen beglückt Lucas in Interviews mit seiner breiigen Weltanschauung, die Welt brauche dringend einen "gutmütigen Despoten", alles sei schon zu irgendwas gut, und die Leute sollten wieder mehr Ehrfurcht zeigen und nicht alles in den Schmutz ziehen.

Wer so eine Haltung bei seinem Publikum finden möchte, muß in der Altersgruppe weit zurückgehen. Und Lucas geht hemmungslos weit zurück. Sechs bis acht Jahre sind das ideale Alter. Bei zwölf Jahren dürfte die kritische Grenze liegen; für Vierzehnjährige ist "Die dunkle Bedrohung" bereits kalter Kaffee. Was soll man von einem Film halten, dessen Höhepunkt ein zehnminütiges Rennen ist, das aus einem Nintendo-Spiel kopiert zu sein scheint - weiß Lucas wirklich nicht, daß das out ist? Stattdessen schreitet er weiter auf dem Weg der Peinlichkeit, den er schon in der "Rückkehr der Jedi-Ritter" eingeschlagen hatte. Die abergläubischen Ewoks, die Luke und Han verspeisen wollen, aber glücklicherweise C3PO für einen Gott halten, waren schon eine schlimme Ausgeburt kolonial-rassistischer Stereotype. Aber Jar-Jar Binks setzt noch einen drauf. Er gibt den perfekten Haus-Nigger ab, daß einem nur noch schlecht wird.

Aber vor allem: Zuwenig Sand. In jeder Hinsicht. Keine Ruhe. Keine Majestät. Kein Widerstand. Ein Film, vollgestopft ohne Sinn und Verstand. Wie soll man sich mit Charakteren identifizieren, die einfach nichts checken? Senator Palpatine, der künftige Emperor, benutzt den Konflikt um Naboo, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Sein Werkzeug ist die junge Königin Amidala (Natalie Portman ist die einzige, die noch etwas Würde ausstrahlt, während man Liam Neeson am liebsten Geld für den Friseur zustecken möchte). Ihr ergreifender Auftritt vor dem galaktischen Rat, ihr hilflos hingemeucheltes Volk geben Palpatine die Gelegenheit, die bisherigen Strukturen der Machtbalance zu diskreditieren, die zaudernden Weicheier beiseitezuschieben und sich selbst an die Spitze zu bringen. Zu Zeiten der humanitär legitimierten Angriffskriege gar kein schlechter Plot. Aber der Film hat keinen Platz dafür. Er ersäuft in der Fülle technischen Schnickschnacks genauso wie die Figuren. Der Trailer hatte Wucht, der Film dagegen plätschert nur dahin.

Und so holt genau das Lucas ein, wovon sich Star Wars einst revolutionär abgrenzte. Die Technik verstopft die Poren der Macht. Alles ist bebaut, wo früher der Sand war. Der Westen verjagt den Orient, und für Träume ist kein Raum. Wollen wir wirklich noch fünf Episoden wie diese? Nein. Wollen wir nicht.