Die WTO und die Protestbewegung ein Jahr nach Seattle

Die Demonstrationen während der Ministerkonferenz der WTO in Seattle und bei der Jahrestagung des IWF in Prag rückten den Einfluß sozialer Bewegungen in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesse

Die Demonstrationen und gewalttätigen Proteste während der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation - WTO) im Dezember 1999 in Seattle und bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Prag im Herbst 2000 rückten den Einfluß sozialer Bewegungen wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Diese Ereignisse werden von vielen Beobachtern als ein Zeichen gewertet, daß sich im Machtverhältnis zwischen Gesellschaften, ihren Regierungen und internationalen Organisationen etwas grundlegend verändert hat. Während sich die Proteste in Prag gegen die negativen Auswirkungen der Kreditvergabepolitik des IWF in Entwicklungsländern richteten und sie hier nicht weiter berücksichtigt werden, wurde die Ablehnung einer neuen WTO-Welthandelsrunde von einer viel breiteren und heterogenen Protestbewegung getragen. Dabei ging es nicht nur um die negativen Auswirkungen der Handelsliberalisierung in Entwicklungsländern, sondern vor allem um die potentiellen Einschränkungen beispielsweise bei der Festlegung nationaler Umwelt-, Gesundheits- und Sozialstandards. Mit der Frage, ob und inwieweit diese Proteste tatsächlich zu dauerhaften Veränderungen in der WTO beitragen, setzt sich dieser Beitrag auseinander.

Zwar standen die WTO und die Vorläuferorganisation GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) schon seit Beginn der 90er Jahre nach dem Verbot von amerikanischen Einfuhrbeschränkungen für Thunfisch zum Schutz von Delphinen im Zentrum der Kritik von Nichtregierungsorganisationen (NRO; vgl. Esty 1994). Aber in Seattle erreichte die gesellschaftliche Kritik und Opposition eine neue Dimension. ,,The Battle of Seattle" war plötzlich in aller Munde, ebenso wie die Angst vor wirtschaftlicher Globalisierung und dem Verlust nationaler Gesundheits-, Arbeits- und Umweltstandards und die Bedrohung kultureller Identität. Plötzlich mußten sich Handelsdiplomaten und Wirtschaftspolitiker nicht nur mit vereinzelten kritischen Stimmen auseinandersetzen, sondern mit einer gut organisierten Protestbewegung in bisher nicht gekannter Größe und Vielfalt. Die Befürworter von Liberalisierung und Deregulierung, die immer darauf hinweisen, daß durch Handelsliberalisierung gefördertes ökonomisches Wachstum die für Umweltschutz und soziale Sicherung notwendigen Ressourcen schafft, hatten diese breite Ablehnung nicht erwartet. Der Abbruch der Verhandlungen wurde denn teilweise auch als Sieg der Demonstranten bzw. als Beweis für den Einfluß zivilgesellschaftlicher Gruppen und NRO gewertet (Public Citizen 2000).

Umweltschützer, Menschenrechtsgruppen, Gewerkschafter, Arbeitnehmer und Verbraucher sehen in der WTO eine undemokratische Institution, die sich gesellschaftlicher Kontrolle entzieht, nationale Schutzstandards unterminiert und hauptsächlich die Interessen transnationaler Konzerne vertritt. Die Proteste gegen eine Ausweitung der WTO-Regeln, die mittlerweile nicht mehr nur Zölle betreffen, sondern verstärkt in den unmittelbaren Lebensbereich von Menschen eingreifen, ist auch ein Ausdruck der diffusen Angst vor ökonomischer Globalisierung, die Menschen weltweit, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, zu teilen scheinen. Diese Angst schlägt sich vor allem in der Ablehnung der WTO nieder, wie die Demonstrationen und Ausschreitungen während der nachfolgenden Tagungen der beiden anderen internationalen Finanzinstitutionen - Weltbank und Internationaler Währungsfonds - zeigen.

Obwohl die Proteste die Handelspolitiker durchaus beeindruckt haben und das WTO-Sekretriat und manche Regierung sich mittlerweile um eine bessere Informationspolitik und einen Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen bemühen, werden die mit der Ministerkonferenz in Seattle angestrebten Ziele der NRO noch nicht umgesetzt. Trotz der Proteste finden im Rahmen der WTO momentan Liberalisierungsverhandlungen im Agrar- und Dienstleistungssektor statt, und die Rufe nach dem baldigen Beginn einer neuen, umfassenden Verhandlungsrunde werden wieder lauter (Prodi 2000). Das legt die Hypothese nahe, daß die Bewegungen gegen Liberalisierung keine Auswirkung auf die Gestaltung internationaler Handelspolitik im Rahmen der WTO haben. Für die Protestbewegungen stellt sich nun die Frage, wie sie ihre Ziele in Zukunft besser durchsetzen können. Können sie als gesellschaftliche Gruppen den Globalisierungsprozeß in Zukunft noch aktiv und sozial und umweltverträglich mit gestalten? Die nachfolgende Analyse zeigt, daß die NRO durchaus den politischen Prozeß beeinflussen. Es wird aber auch deutlich, wie unterschiedliche Interessensschwerpunkte die Erarbeitung konkreter Reformvorschläge erschweren.

Im folgenden gehe ich knapp auf den Begriff der sozialen Bewegung im Kontext sozialwissenschaftlicher Forschungsansätze und der WTO ein. Danach werden die unterschiedlichen Gruppierungen, deren Interessen und Zielsetzungen im Vorfeld der Ministerkonferenz und das weitere Vorgehen nach dem vorläufigen Scheitern der neuen umfassenden Liberalisierungsrunde vorgestellt. Dies schließt eine Darstellung der politischen Rahmenbedingungen in der WTO, die sich auf die Aktivitäten und Durchsetzungsfähigkeit gesellschaftlicher Gruppen und NRO auswirken, und die unterschiedlichen Zielsetzungen dieser Gruppen ein. Aufgrund dieser Darstellung läßt sich dann in einem letzten Schritt abschätzen, ob und wie sich die nichtökonomischen Interessen gesellschaftlicher Akteure in zukünftige Liberalisierungsverhandlungen und die WTO integrieren lassen.

Soziale Bewegungen, Nichtregierungsorganisationen und die WTO

Unter sozialen Bewegungen werden in Form von lockeren Netzwerken verbundene Gruppen und Zusammenschlüsse verstanden, die versuchen, sozialen Wandel durch Protest herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen (Rucht 1995). Sie besitzen häufig eine organisatorische Basis, die für die Koordination zuständig ist. Sie sind aber im herkömmlichen Sinne keine Organisationen, da es an klaren Kompetenzen, Kompetenzverteilung und festen organisatorischen Strukturen fehlt. Aus wissenschaftlicher und politischer Sicht ist vor allem interessant, ob und wie sie sich institutionalisieren. Neben Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegungen, die häufig zu den ,,alten" sozialen Bewegungen gezählt werden, stehen seit den 80er Jahren die ,,neuen" sozialen Bewegungen unter anderem zum Schutz der Umwelt, der Verbraucher, der Menschenrechte und der Förderung der Frauen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Man hat festgestellt, daß diese Bewegungen in einem spezifischen neuen Themenbereich als Akteure der politischen Interessenvermittlung häufig wichtiger werden als die etablierten politischen Parteien. Deshalb wird untersucht, wie sich politische Prozesse durch diese Bewegungen verändern. Dabei ist die Abgrenzung zwischen Bewegungen und NRO, die über eine straffe Organisationsstruktur verfügen und nach Erreichen ihrer politischen Ziele bestehen bleiben, wenn sie durch Kampagnen und Allianzenbildung mit anderen Gruppen eine breite Protestbewegung mobilisieren wie in Seattle, nicht immer eindeutig vorzunehmen.

Gerade im Zusammenhang mit dem Schutz der Menschenrechte und der Umwelt spielen NRO und deren Fähigkeit, nationale und grenzüberschreitende Kooperationen und Netzwerke aufzubauen, eine zentrale Rolle für die Erfolgsaussichten der Proteste sozialer Bewegungen und ihrer Möglichkeiten, internationale Institutionen mitzugestalten. Die verstärkte wirtschaftliche und politische Integration auf internationaler Ebene führt dazu, daß sich auch gesellschaftliche Gruppen und NRO grenzüberschreitend bzw. global organisieren müssen, um politische Prozesse gleichzeitig auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu beobachten und nach Möglichkeit zu beeinflussen. In der Wissenschaft besteht keine Einigkeit über die grundlegenden Strukturen dieser Entwicklung oder über die Kategorisierung der beobachteten Bewegungen. Die Rede ist unter anderem von einer globalen Zivilgesellschaft (Lipschutz 1992), transnationalen Beziehungen (Risse-Kappen 1995), transnationalen Organisationen sozialer Bewegungen (Smith et al. 1997), Organisationen des globalen sozialen Wandels (Gale 1998) oder transnationalen Netzwerken (transnational advocacy networks), die sich für spezifische Ziele einsetzen (Keck/Sikkink 1998). Sie alle haben miteinander gemein, daß sie auf die Wirkung gesellschaftlicher Akteure und deren Bedeutung bei der Gestaltung internationaler Politik neben Regierungen bzw. Staaten und internationalen Organisationen einwirken.

Die Schwierigkeiten bei der Definition und systematischen Einordnung dieser gesellschaftlichen Akteure und ihrer Aktivitäten lassen sich auch im Zusammenhang mit der Ministerkonferenz in Seattle und dem gesellschaftlichen Widerstand gegen die WTO verdeutlichen. Trotz der allgemeinen Ablehnung einer neuen Handelsrunde kann man nicht von einer einheitlichen Bewegung sprechen, sondern eher von Allianzen aus sozialen Bewegungen im traditionellen Sinne und straff organisierten NRO. Da sich diese NRO permanent mit der WTO und internationaler Handelspolitik beschäftigen und dezidierte Positionen vertreten, stehen sie in der folgenden Analyse im Vordergrund - beispielhaft für den gesellschaftlichen Protest gegen die WTO.

Die unterschiedlichsten Gruppen (Gewerkschaften, Umweltschützer, Kleinbauern, Verbraucher-, Entwicklungshilfe-, Minderheiten- und Menschenrechtsorganisationen) konnten ihren Protest wirksam unter dem Slogan ,,WTO: shrink it or sink it" (Public Citizen 1999b) bündeln. In der Realität stellt sich das Bild jedoch komplexer dar, weil die Gruppen nicht homogen sind und zum Teil einander widersprechende Zielsetzungen verfolgen. Generell lassen sich drei Kategorien unterscheiden (O'Brien et al. 2000):

1. Nord - Süd: Zwischen sozialen Bewegungen bzw. NRO aus Industrie- und Entwicklungsländern besteht nicht nur ein Unterschied in der finanziellen und personellen Ausstattung, sondern auch in den Zielsetzungen. Während die gesellschaftlichen Akteure in den Industrieländern dem ökonomischen Wachstumsziel der WTO generell kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, sehen viele Vertreter aus Entwicklungsländern in den WTO-Regeln auch ein Instrument zur Umsetzung ihrer wirtschaftlichen Ziele. Es sichert dringend benötigte Exporteinnahmen, indem es zum Abbau von Handelsrestriktionen in den Industrieländern beiträgt und dadurch die weitere soziale und ökonomische Entwicklung im eigenen Land unterstützen kann.

2. Auflösung - Reform: In Industrie- wie Entwicklungsländern gibt es Stimmen, die für sich die Abschaffung der WTO bzw. für eine erhebliche Beschneidung ihrer Kompetenzen aussprechen (Lang/Hines 1994; Bello 1999). Die meisten plädieren jedoch für eine Reform der Organisation und die verstärkte Integration von sozialen und ökologischen Aspekten in das Regelwerk der WTO.

3. International - national orientiert: Viele kleinere Organisationen und lose Netzwerke verfügen nicht über die Ressourcen, den Politikprozeß auf internationaler Ebene zu verfolgen und zu beeinflussen. Ihre häufig lokal und regional geprägten Interessen geraten oft in den Hintergrund gegenüber großen, international organisierten NRO.

Diese Heterogenität der Bewegung ist ein entscheidender Faktor für ihren zukünftigen Einfluß auf die politischen Prozesse und die Verhandlungen im Rahmen der WTO. Dieser wird entscheidend von ihrer Fähigkeit abhängen, eine einheitliche Grundaussage zu finden, komplexe Themen öffentlichkeitswirksam aufzubereiten und konkrete, politisch durchsetzbare Handlungsvorschläge zu machen.

Gründe für das Scheitern der Ministerkonferenz in Seattle

So vielfältig wie die sozialen Bewegungen und NRO waren auch deren Gründe für die Ablehnung einer neuen, umfassenden Verhandlungsrunde zur weiteren Liberalisierung, u.a. in den Bereichen nicht-landwirtschaftliche Zölle, Investitionen, Wettbewerbspolitik, Hemmnisse in der Zollabwicklung, Handel und Umwelt, Urheberrechtschutz, öffentlicher Auftragsvergabe, nichttarifärer Handelshemmnisse und Anti-Dumping-Maßnahmen.

Fast jeder Verhandlungspunkt war und ist Gegenstand der Kritik gesellschaftlicher Akteure, die hier aus Platzgründen nur anhand einiger Beispiele dargestellt werden kann. Trotzdem konnten sich die meisten Gruppen und Organisationen hinter Slogans einreihen wie ,,WTO: sink it or shrink it", ,,fix it or nix it" oder auch ,,no new round turnaround" (Public Citizen 2000a). Im Vorfeld der Konferenz verfaßten verschiedene ,,Mitglieder der internationalen Zivilgesellschaft" eine Begründung, warum sie eine neue umfassende Runde von Liberalisierungsverhandlungen ablehnen, die weltweit von mehr als 1.600 NRO unterzeichnet wurde. Ihrer Meinung nach hat die letzte Runde von Liberalisierungen, die sogenannte Uruguay-Runde, die in sie gesetzte Erwartung, den Wohlstand in allen Mitgliedsländern zu erhöhen, nicht erfüllt, sondern lediglich die Machtfülle der reichen Länder, der WTO selbst und transnationaler Konzerne erweitert. Sie verlangten deshalb ein Moratorium für alle weiteren Verhandlungen und deren Erweiterung auf neue Themen, beispielsweise zu umfassenden Investitionsregeln. Diese sollen teilweise das maßgeblich von NRO zum Scheitern gebrachte Multilaterale Investitionsabkommen (Multilateral Agreement on Investment - MAI) ersetzen (Friends of the Earth Europe 2000).

Fast alle WTO-kritischen Gruppen teilen die Befürchtung, daß das WTO-Regelsystem mit seinem einzigartigen, international verbindlichen Streitschlichtungsverfahren Handelsrestriktionen bzw. zusätzliche Produktionsauflagen für Importprodukte, beispielsweise aufgrund einer die Umwelt und Arbeitnehmer gefährdenden Produktionsweise, als unzulässige protektionistische Maßnahme verbietet. Damit ist ihrer Meinung nach die Durchsetzung hoher unilateraler Standards kaum möglich, weil sich solche Maßnahmen aufgrund der negativen Wettbewerbseffekte nicht politisch durchsetzen lassen. Außerdem ist das rechtliche Verhältnis zwischen den WTO-Regeln und den Handelsrestriktionen auf der Basis multilateraler Umweltschutzabkommen nach wie vor ungeklärt. Dies könnte unter anderem im Zusammenhang mit dem Protokoll zur Biologischen Sicherheit der Biodiversitätskonvention zu Problemen führen, wenn etwa nationale Handelsverbote für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen verhängt werden, deren Wirkung auf Mensch und Natur nach Auffassung einzelner Staaten ungeklärt und riskant ist. Die bisher abgeschlossenen Streitschlichtungsverfahren gerade im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes scheinen die WTO-Kritiker zu bestätigen. In fast allen Fällen wurden die Handelssanktionen als unzulässiger Protektionismus gewertet. Betrachtet man diese Fälle aber genauer, so zeigt sich, daß die Umweltschutzmaßnahmen in den meisten Fällen einen unmittelbaren ökonomischen Vorteil für die einheimischen Produzenten mit sich brachten, so daß sich wirtschaftlich motivierte Protektionismusvorwürfe nicht ganz von der Hand weisen lassen. Zudem hätten meistens auch umweltpolitisch effektivere Maßnahmen ergriffen werden können, die geringere oder keine protektionistischen Wirkungen gehabt hätten. Der jüngste Fall der Unzulässigkeit des amerikanischen Importverbots für asiatische Garnelen ist ein Beispiel dafür, wie einerseits längere Anpassungsfristen, die auch den eigenen Fischern gewährt wurden, und ein transparenteres Lizenzvergabesystem den Vorwurf des vorsätzlichen Protektionismus wirksam entkräftet hätten. Im Zusammenhang mit diesen Streitschlichtungsverfahren zeigt sich auch eine Tendenz der Streitschlichtungsinstanzen, umweltpolitische Handelsrestriktionen nicht per se als protektionistisch abzulehnen. Aspekte des Umweltschutzes können durchaus als gerechtfertigte Handelshemmnisse anerkannt werden, wenn die umweltpolitische Begründung nicht gleichzeitig zu ökonomischen Vorteilen einheimischer Produzenten beiträgt und sie wissenschaftlich abgesichert ist (Pfahl 2000: 146ff.). Das von einem WTO-Streitschlichtungspanel als zulässig anerkannte französische Importverbot für krebserregende kanadische Asbestprodukte bestätigt diese Entwicklung (WTO 2000).

Entwicklungs- und Menschrechtsorganisationen warnten davor, daß Entwicklungsländer durch den Liberalisierungsdruck gezwungen sind, auf Kosten von Natur und Menschen verstärkt für Exportmärkte zu produzieren, und sie dadurch die Grundversorgung der eigenen Bevölkerung gefährden. Sie verlangen deshalb Ausnahmeregelungen von den Liberalisierungsverpflichtungen und verbesserten Marktzugang für Entwicklungsländer in den Industrieländern (vgl. Germanwatch 2000). Dies betrifft vor allem den Agrarsektor, der nicht nur von der EU besonders geschützt wird, und geht auch weit über Unterstützungsmaßnahmen für Kleinbauern hinaus. Diese Aspekte, die nicht unmittelbar den Handel mit landwirtschaftlichen Gütern betreffen, bei verstärkter Liberalisierung aber aufgrund der sozio-ökonomischen Auswirkungen relevant werden, faßt man auch unter dem Stichwort ,,Erhalt der ,Multifunktionalität` der Landwirtschaft" zusammen. Dazu gehört auch, daß im Zuge der Unterstützung ländlicher Entwicklung Agrarproduktion und Bauern mit Subventionen unterstützt werden können, weil sie wichtige landschaftspflegerische Aufgaben übernehmen oder der Erhalt bestimmter Produktionsmethoden großen kulturellen Wert besitzt.

Zu den nicht-handelsbezogenen Aspekten gehören auch Ernährungs- und Produktsicherheit. Zum einen ermöglicht das Urheberrechtsschutzabkommen (Trade-Related Intellectual Property Rights - TRIPs) die Patentierung und damit den urheberrechtlichen Schutz von ursprünglichem und bisher unverändertem Genmaterial von Pflanzen und Tieren. Zum anderen schützt es auf dieser Grundlage auch alle daraus entwickelten gentechnisch oder anderweitig biotechnologisch veränderten Organismen. Das führte beispielsweise im Saatgutbereich dazu, daß Bauern ihre während der Ernte gewonnen Samen nicht mehr zur Wiederaussaat benutzen durften bzw. Lizenzgebühren zahlen mußten. Gerade in den ärmeren Ländern können sich viele Landwirte die teuren Samen nicht leisten. Hinzu kommt, daß die großen Saatgutkonzerne mit Hilfe der Biotechnologie sogenannte Hybridsamen entwickelten, die in der zweiten Generation ohnehin eine viel geringere Leistung erbringen. Durch diese Entwicklung sehen viele Entwicklungsländer ihre Ernährungssicherheit bedroht, weil das Saatgut für die Bauern zu teuer ist oder staatliche Hilfen zum Samenkauf als unzulässige Subventionen angegriffen werden könnten (vgl. Misereor 2000). Das kann zu politischen Konflikten führen, weil das genetische Material für diese Entwicklungen sehr häufig aus Entwicklungsländern stammt, ebenso wie das Wissen über seine Wirkung. Die wirtschaftlichen Gewinne aus seiner Nutzung kommen aber ausschließlich den Firmen in den Industrieländern zu gute (Public Citizen 1999: 86). Ganz ähnliche Entwicklungen sind im pharmazeutischen Bereich zu beobachten. Dort lassen sich Firmen mehr oder weniger wahllos Pflanzen patentieren, die irgendwann einmal bei der Arzneimittelentwicklung eine Rolle spielen könnten. Aus diesem Grund fordern NRO die Neuverhandlung des TRIPs-Abkommens und ein Verbot der Patentierung lebender Organismen. Mit dem Argument, daß die gegenwärtigen TRIPs-Regelungen auch zu einer gefährlichen Verringerung der Biodiversität durch die kommerzielle Nutzung und Weiterentwicklung einiger weniger Arten beiträgt, versuchen sie, dieser Forderung Nachdruck zu verleihen (Africa Trade Network 1999).

Gleichzeitig lehnen Regierungen und NRO aus Entwicklungsländern die Stärkung von Umweltschutz bezogenen Ausnahmeregelungen im WTO-Regelwerk und die Zulässigkeit von Handelsrestriktionen, die auf der Grundlage multilateraler Umweltschutzabkommen erlassen werden, grundsätzlich ab. Sie fürchten, daß diese Stärkung von Umweltschutzaspekten in der WTO von den Industrieländern lediglich als Deckmantel für die Abschottung ihrer Märkte genutzt wird. Sie fordern teilweise ein transparenteres Verfahren und die Beteiligung bei der Entwicklung von Umwelt- und Sozialstandards bzw. entsprechenden Qualitätssiegeln, so daß sich die ärmeren Länder besser und frühzeitig darauf einstellen können (Cuts 1999).

Die protektionistischen Wirkungen von Umwelt- und Sozialstandards sind der wichtigste Konfliktpunkt zwischen NRO aus Industrie- und Entwicklungsländern, der allerdings nicht wirklich offen thematisiert wird. ,Nördliche` NRO wie Greenpeace oder WWF, aber auch nationale Verbraucherschutzvereinigungen setzen sich sehr lange nicht bzw. viel zu wenig mit den sozio-ökonomischen Auswirkungen hoher Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsstandards in Entwicklungsländern auseinander. Statements von NRO aus Industrieländern, die Entwicklungsländern die mehr oder weniger absichtliche Verwässerung von internationalen Standards z.B. beim Schutz von Meeresschildkröten mittels Klagen vor dem WTO-Streitschlichtungsausschuß vorwerfen, aber nicht auf die herrschenden ökonomischen Bedingungen in Entwicklungsländern eingehen (vgl. Earth Justice Legal Defense Fund 1999: 7), verstärken das gegenseitige Mißtrauen. Der bekannte Liberalisierungsbefürworter Jagdish Bhagwati (1999) brachte das Problem auf dem Punkt, als er kommentierte: ,,Wenn Sie Meeresschildkröten über die Bekämpfung von Armut in Indien stellen, nur zu. Aber warum gehen Sie nicht zu Wal-Mart, kaufen die Netze für $ 15 und geben sie den Fischern?"

Diese Spaltung der globalen Anti-WTO-Bewegung wird häufig durch Zweckbündnisse eher national orientierter gesellschaftlicher Akteure wie Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen und mancher Umweltverbände noch vorangetrieben (Hornblower 1999: 40). Vor allem in den USA sprachen sich Vertreter dieser Bewegungen häufiger für Handelsrestriktionen und Importverbote von Produkten aus, die den hohen amerikanischen Sozial- und Umweltstandards nicht genügen. Sie befürchten, daß Liberalisierung zu einem ,,race to the bottom" beiträgt, weil Länder, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ihre Standards nicht erhöhen bzw. absenken. Empirisch konnte diese These bisher noch nicht untermauert werden. Deshalb können sich viele Beobachter aus Entwicklungsländern des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Forderungen größtenteils zum Schutz amerikanischer Arbeitsplätze gedacht sind und nicht der Verbesserung der Lebensqualität aller dienen (Amsden 2000: 14).

Inhaltlich hatte die heterogene Anti-Globalisierungsbewegung jedoch mit der Überprüfung der sozio-ökologischen Auswirkungen der Uruguay-Runde bzw. der Notwendigkeit, künftige Handelsabkommen einer sog. Nachhaltigkeitsüberprüfung (sustainability impact assessment) zu unterziehen, eine wichtige Forderung gestellt, die von allen Gruppen unterstützt wurde. Diese Forderung entstand, weil die ärmeren WTO-Mitglieder offensichtlich weit weniger von der Uruguay-Runde profitiert haben als die ,,großen Vier" USA, Japan, Kanada und EU. Außerdem zeigte sich ein eklatanter Mangel an interner und externer Transparenz der WTO, der im Rahmen einer solchen Nachhaltigkeitsprüfung thematisiert und in einem weiteren Schritt abgebaut werden sollte.

Obwohl sich das Welthandelssystem mit der Gründung der WTO den veränderten Strukturen der Weltwirtschaft angepaßt hat, wurden die internen Verhandlungsabläufe nicht ebenso umfassend reformiert, sondern entsprechen noch den Prozessen der fünfziger und sechziger Jahre. Häufig werden wichtige Themen im kleinen Kreis der wichtigsten Akteure verhandelt, den sogenannten ,,Green Rooms", die sie dann nach der Konsensfindung den anderen Mitgliedern vorlegen. Da in der WTO das Konsensprinzip herrscht, ist dies im Grunde auch ein effektiver Verhandlungsmodus, um schneller zu Vorentscheidungen zu kommen. Weil aber die Agenda der WTO mittlerweile eine große und vor allem komplexe Themenpalette umfaßt, haben diese Verhandlungsergebnisse häufig tiefgreifende Auswirkungen auf die Mitglieder. Kleine und arme Länder haben aber kaum die finanziellen und personellen Ressourcen, die parallel laufenden Verhandlungsprozesse angemessen zu verfolgen. Zusätzlich wurden sie immer häufiger von den informellen Verhandlungsprozessen ausgeschlossen, weil sie von den mächtigen Mitgliedern als nicht entscheidungsrelevant angesehen werden (vgl. Krajewski 2000). Im Vorfeld der Ministerkonferenz von Seattle regte sich jedoch Widerstand bei den Entwicklungsländern gegen diese internen Strukturen, indem sie einer neuen Runde nur zustimmen wollten, wenn auch die mangelhafte Umsetzung der Uruguay-Verpflichtungen der Industrieländer und die Implementation der alten Verhandlungsrunde diskutiert würden. Dieser Konflikt hat maßgeblich dazu beigetragen, daß sich die WTO-Mitglieder, die mehrheitlich Entwicklungsländer sind, vor Seattle nicht auf eine Verhandlungsagenda einigen konnten.

Mit der fehlenden externen Transparenz müssen sich dagegen die NRO und andere gesellschaftliche Akteure auseinandersetzen. Zwar hat die WTO 1996 beschlossen, NRO und andere Organisationen regelmäßig über ihre Arbeit zu informieren und einen regelmäßigen Meinungsaustausch zu gewährleisten, dieses Arrangement ist jedoch bei weitem nicht so offen, wie es z.B. der ,,Economic und Social Council" der UNO praktiziert. NRO können beispielsweise nicht an den Sitzungen der WTO-Gremien teilnehmen, müssen nicht gehört werden und haben auch nur begrenzten Zugang zu Dokumenten, die häufig erst sechs Monate nach dem Erscheinen in der WTO öffentlich zugänglich sind. Äußerst negativ wirkt sich diese restriktive Haltung im Zusammenhang mit den Streitschlichtungsverfahren aus, an denen gesellschaftliche Akteure nicht teilnehmen können. Sie haben lediglich die Möglichkeit, sog. ,,amicus briefs" einzureichen, die aber vom Streitschlichtungsausschuß nicht berücksichtigt werden müssen. Die Nachhaltigkeitsüberprüfungen von Handelsabkommen und speziell die Evaluation der sozio-ökonomischen Auswirkungen der Uruguay-Runde sollen vor allem dazu dienen, daß gesellschaftliche Akteure und die unmittelbar Betroffenen aktiv in den Überprüfungsprozeß einbezogen werden. So könnten sie ihre Bedenken und konkreten Probleme äußern und zusammen mit den Handelspolitikern an Lösungen arbeiten, die ökonomische, soziale und ökologische Aspekte in Einklang bringen (WWF 1999).

Der Zugang von NRO zum WTO-Sekretariat und den WTO-Verhandlungsprozessen in Genf ist traditionell sehr beschränkt bzw. verschlossen. Viele Vertreter der Mitgliedstaaten fürchten, daß die stärkere Beteiligung von gesellschaftlichen Akteuren den politischen Entscheidungsprozeß eher behindert, statt ihn zu fördern. Für sie bedeutet die Expertise von NRO zu sozialen und ökologischen Themen keine Erweiterung der Wissensbasis der Organisation, sondern eher einen unerwünschten Einfluß spezieller Interessen, die die allgemeinen handelspolitischen Zielsetzungen verdrängen. In diesem Zusammenhang muß jedoch auch erwähnt werden, daß Interessengruppen aus dem kommerziellen und unternehmensnahen Bereich schon immer einen direkten Zugang zu den Entscheidungsträgern in Genf und den Hauptstädten hatten (Esty 1998: 139).

Gegner einer größeren NRO-Beteiligung verweisen zudem darauf, daß die WTO eine intergouvernementale Organisation ist, deren Entscheidungen im Konsens der Regierungen der Mitgliedstaaten gefällt werden. Das Sekretariat in Genf ist nur für das Bündeln und Verteilen der Informationen sowie die Aufarbeitung der ökonomischen und wissenschaftlichen Hintergrundinformationen zuständig und hat ihrer Meinung nach keinen Einfluß auf die Entscheidungsfindung der Mitgliedstaaten. Aus diesem Grund ist die Beteiligung von NRO in Genf nicht ausschlaggebend, sie sollten vielmehr versuchen, ihre eigenen Regierungen zu beeinflussen (Nichols 1996). Für europäische NRO stellt sich in diesem Zusammenhang ein ganz besonderes Problem. Aufgrund der vergemeinschafteten Handelspolitik in der EU verweisen nationale Regierungen darauf, daß sie den handelspolitischen Prozeß kaum mehr beeinflussen können, weil die Europäische Kommission die federführende Instanz ist und das handelspolitische Mandat in einem EU-internen Verhandlungsprozeß abgestimmt werden muß. In Brüssel wiederum wird auf das zuständige Verhandlungsforum in Genf aufmerksam gemacht, das im Gegenzug die Zuständigkeit für die Anliegen gesellschaftlicher Akteure bei den nationalen Regierungen sieht. Diese manchmal undurchsichtige Kompetenzverteilung zwingt NRO, ihre Lobbyaktivitäten auf unterschiedlich politische Entscheidungsebenen auszuweiten. Die meisten NRO können aber aufgrund begrenzter Ressourcen kaum auf allen Ebenen effektiv Einfluß nehmen. So bleiben viele lokal auftretenden sozialen und ökologischen Probleme den Entscheidungsträgern auf der internationalen Ebene verborgen.

Und schließlich bezweifeln viele Gegner einer verstärkten NRO-Beteiligung, daß NRO wirklich die Interessen breiter Schichten der Bevölkerung repräsentieren, da sie im Gegensatz zu Regierungsvertretern nicht gewählt wurden und für ihre Ziele keine politische Verantwortung übernehmen (vgl. Esty 1998: 139). Daß NRO auch praktische Expertise in den politischen Entscheidungsfindungsprozeß einbringen können und eine wichtige Integrationsfunktion zwischen globalen und lokalen politischen Arenen einnehmen, wovon auch die WTO profitieren kann, wird in diesem Zusammenhang häufig vergessen.

Nichtsdestotrotz hat sich auch die WTO bzw. das WTO-Sekretariat gegenüber NRO geöffnet. Schon 1994 veranstaltete das damalige GATT-Sekretariat ein Symposium zu internationalem Handel und Nachhaltigkeit (GATT 1994). 1996 wurde das Sekretariat von den WTO-Mitgliedern offiziell autorisiert, sich mit NRO auszutauschen und die Freigabe von Dokumenten etwas liberaler zu gestalten (WTO 1996a, 1996b). 1999 fand ein sogenanntes ,,High Level Meeting" über Umweltschutz und Entwicklungszusammenarbeit statt, bei dem NRO ihre Anliegen mit hohen politischen Entscheidungsträgern in Genf diskutieren konnten (WTO 1999). Außerdem richtete die WTO eine umfassende Internetseite ein, die über die aktuellen Entwicklungen in der WTO informiert und Dokumente bereitstellt. Diese Entwicklungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Entscheidungsprozeß in der WTO immer noch sehr intransparent ist, da beispielsweise NRO-Vertreter weiterhin nicht an den Sitzungen teilnehmen können und aktuelle Verhandlungstexte bzw. Sitzungsprotokolle nicht zugänglich sind und auch von den Regierungen kaum herausgegeben werden.

Aufgrund dieser seit langem bestehenden Intransparenz kündigten NRO, Bürgerinitiativen, Kirchen, Gewerkschaften und Studentenvereinigungen schon Monate vorher Aktionen gegen die neue Handelsrunde und die Ministerkonferenz in Seattle an. Dafür wurde das Internet von diversen Gruppen in bisher nicht gesehenem Umfang weltweit als Informations- und Koordinationsinstrument genutzt. Diese Gruppen waren häufig schon gegen das von der OECD geplante ,,Multilateral Agreement on Investment" aktiv und bauten auf ihre vorhandenen Informationskanäle und -strukturen auf. Amerikanische Gewerkschaften und Studentengruppen organisierten sog. ,,Caravans", die von allen Teilen des Landes in Richtung Seattle zogen und dabei die Menschen zum Mitmachen animierten. Landesweit wurden Waren und Firmen boykottiert, die durch das liberale Handelsregime hohe Umwelt- und Sozialstandards umgingen. Comics über das WTO-Monster wurden verteilt, und es gab zahlreiche Trainingcamps für jene Demonstranten, die sich an Sitzblockaden beteiligen wollten. In Seattle selbst wurden kurz vor Beginn und während der offiziellen Konferenz sog. ,,Teach-Ins" veranstaltet, bei denen Bürger über die Auswirkungen einer neuen Handelsrunde informiert wurden. Und an der vom amerikanischen Gewerkschaftsbund organisierten Demonstration nahmen ca. 25.000 Menschen teil.

Die Eskalation der Proteste in Seattle ist teilweise darauf zurückzuführen, daß die Organisatoren und die Polizei die Dimension der Angst vor Globalisierung und die Unzufriedenheit mit dem Umgang der Bedenken der Bevölkerung offensichtlich unterschätzt haben. Vor allem hatten sie die Gewaltbereitschaft jener zahlenmäßig sehr kleinen Gruppen unterschätzt, die schon im Internet zu entsprechenden Aktionen aufgerufen hatten und dann tatsächlich begannen, Schaufenster zu zerstören und Molotow-Cocktails zu werfen. Die Mehrheit der friedlichen Demonstranten versuchte zwar noch die selbsternannten Anarchisten von weiteren Zerstörungen abzuhalten, als die Polizei dann aber Tränengas, Pfefferspray und Gummigeschosse einsetzte, brachten sich die meisten in Sicherheit, und das Chaos in Seattles Innenstadt nahm seinen Lauf.

Die Gründe für das Scheitern der Ministerkonferenz in Seattle liegen jedoch nicht im Massenprotest, sondern vielmehr darin, daß die meisten WTO-Mitglieder aus unterschiedlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt keine neue Verhandlungsrunde starten wollten. Die Entwicklungsländer fürchteten, daß sie übervorteilt würden. Die USA und andere Industriestaaten waren eigentlich nur an Verhandlungen zur Liberalisierung des Agrarhandels und des Dienstleistungssektors interessiert. Lediglich die EU wollte wirklich eine umfassende Runde, um damit Verhandlungsmasse zu erhalten, die sie zum Schutz ihrer Agrarpolitik nutzen wollte. Das wurde spätestens deutlich, als sie in Seattle ihre umweltpolitischen Ziele - wie die Integration des Vorsorgeprinzips oder den Vorrang internationaler Umweltschutzabkommen vor den WTO-Regeln - zur Durchsetzung ihrer agrarpolitischen Ziele einsetzte (Fuchs et al. 2000).

Die Verhandlungen versanken buchstäblich im internen Chaos. Da man sich im Vorfeld der Konferenz nicht auf eine zu diskutierende Agenda einigen konnte, diskutierten die Arbeitsgruppen mangels Textgrundlage kaum inhaltlich, wenn sie überhaupt zusammentraten. Die meisten Teilnehmer wußten nicht, wann welche Verhandlungen und Arbeitsgruppengespräche stattfanden. Zwar kursierten immer wieder Texte, die aber häufig nicht einmal den offiziellen Status eines Verhandlungstextes hatten. Welche Rolle diese Texte in den Verhandlungen spielten und wie sich diese entwickelten, war für Beobachter, aber auch für die meisten Regierungsdelegationsmitglieder nicht nachvollziehbar, da die substantiellen Verhandlungen in den ,,Green Rooms" stattfanden.

Gleichzeitig wuchsen bei fast allen Beteiligten Verwunderung und Unverständnis über den Ablauf der Konferenz. Treffen wurden angesetzt und kurzfristig wieder abgesagt, ohne daß deutlich wurde, wer diese Entscheidungen traf. Und die Delegierten waren häufig nicht besser informiert als NRO-Beobachter.

Die Gesamtheit derartiger Vorkommnisse führte dazu, daß die Entwicklungsländer, aber auch Delegierte aus Industrieländern, ihren Unmut über die Verhandlungsorganisation der USA und der großen Handelsnationen offen äußerten. Die afrikanischen Länder veröffentlichten im Namen der OAU ein Statement, in dem sie ihre Enttäuschung und Ablehnung der gegenwärtigen Verhandlungen darlegten. Sie fühlten sich marginalisiert und von Verhandlungen ausgeschlossen, die sie unmittelbar betrafen, gerade im Agrarsektor und bei Fragen zum Schutz des geistigen Eigentums. Deshalb forderten sie den amerikanischen Konferenzvorsitz auf, ihre volle Beteiligung in Zukunft zu gewährleisten (OAU 1999). Trotz dieser deutlichen Warnungen und informeller Eingeständnisse von Delegationsmitgliedern aus Entwicklungsländern, daß sie aufgrund der Vorgänge es vorziehen würden, mögliche Ergebnisse der Konferenz abzulehnen, war nicht klar, ob die Entwicklungsländer einen solchen Schritt tatsächlich gewagt hätten.

Die amerikanische Verhandlungsführerin Charlene Barshevsky gab als Grund für den Abbruch die fehlende Kompromißbereitschaft aller Mitglieder an. Vermutungen, die USA seien wegen wahlkampftaktischer Gründe an einer Einigung gar nicht interessiert gewesen, verwarf sie jedoch nachdrücklich. Ihrer Meinung nach waren die Themen zu komplex und die WTO-Mitglieder sich selbst noch nicht so richtig im klaren, wo ihre Interessen eigentlich liegen.

Der EU-Verhandlungsführer Pascal Lamy betonte, daß der organisatorische Rahmen der Konferenz der Komplexität der Themenstellungen nicht gewachsen war. Laut Lamy muß jeder neuen Handelsrunde, gleich welchen Ausmaßes, eine institutionelle Reform der WTO-Verhandlungsmodalitäten vorausgehen.

Die Entwicklungsländer trugen indirekt zum Abbruch bei, insofern sie ihre Vetomacht einer möglichen Zustimmungsverweigerung deutlich zu verstehen gaben. Damit zwangen sie der EU, die als einziger Akteur eine umfassende Runde anstrebte, einen verhandlungspolitischen Spagat zwischen unterschiedlichen Zugeständnissen für die USA und die Entwicklungsländer auf, den sie letztlich nicht durchhalten konnte. Die Entwicklungsländer zeigten, daß sie nicht mehr ohne weiteres bereit sind, die Handelspolitik der ,,großen Vier" einfach so hinzunehmen, wenn auf ihre Interessen nicht eingegangen wird.

Viele NRO-Vertreter und auch die Demonstranten haben den Abbruch der Verhandlungen und die ,,Battle of Seattle" als einen Erfolg ihres Protestes verbucht, aber diese Sicht ist nicht ganz zutreffend, weil trotz der Proteste Verhandlungsgespräche geführt wurden, wo die Forderungen der Demonstranten keine Rolle spielten. Nichtsdestotrotz ist der Legitimationsdruck für weitere Liberalisierungsverhandlungen in den westlichen Industriestaaten enorm angestiegen, und die Vernachlässigung der Bedenken und Ängste der Bevölkerungen kann zukünftige Liberalisierungsinitiativen zum Scheitern bringen.

Im nachhinein stellten viele Beteiligte fest, daß die Konferenz aufgrund der großen inhaltlichen Differenzen gar nicht hätte stattfinden sollen (WTO 1999). Die Tatsache, daß man sich nicht auf einen Verhandlungstext einigen konnte, macht deutlich, wie weit man vom notwendigen Konsens entfernt war. Außerdem verhielten sich die USA als Gastgeber undiplomatisch und wenig integrationsfördernd. Neben der umstrittenen Konferenzleitung durch die amerikanische Handelsbeauftragte Charlene Barshevsky nutzten noch einige Kongreßabgeordnete und Senatoren das Treffen als Bühne für ihren persönlichen Wahlkampf. Diese Beobachtungen verstärkten bei vielen Teilnehmern den Eindruck, daß die USA nicht an einem ,erfolgreichen` Abschluß der Konferenz interessiert waren, sondern nationale Interessen in den Vordergrund stellten.

Nach dem Abbruch veröffentlichten NRO einen ,,Aufruf zum Wandel" der WTO, indem sie die Vorgänge in Seattle als undemokratisch, ungerecht, intransparent und einseitig auf kurzfristige ökonomische Zielsetzungen fixiert bezeichneten (NGO 1999). Diese Einschätzung bildet gleichzeitig die argumentative Grundlage für die angestrebte Integration nicht-ökonomischer Aspekte in das WTO-Regelwerk und für eine verbesserte interne und externe Transparenz sowie die Partizipation gesellschaftlicher Akteure im Rahmen der WTO.

Die Ziele der NRO nach Seattle

Es ist schwer festzustellen, inwieweit die Proteste die Handelspolitiker wirklich beeindruckt haben. Sicherlich ist vielen Politikern und Handelsdiplomaten deutlich geworden, daß sie Verhandlungen nicht mehr unbeobachtet führen können und daß ihre Politik in ihren Ländern nicht mehr durchsetzbar ist, wenn sie nicht den Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren suchen und ihre Ziele erklären und diskutieren. Schon kurz vor Seattle haben viele Regierungen in den Industrieländern und die EU Kommission den Austausch mit gesellschaftlichen Akteuren gesucht, der auch nach Seattle noch besteht. Dies geschah nicht zuletzt, um sich auf mögliche Einwände vorzubereiten und über die NRO die Zustimmung der Entwicklungsländer zu einer neuen Verhandlungsrunde zu gewinnen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit lud beispielsweise Germanwatch zur Kommentierung des EU-Verhandlungsmandats aus umwelt- und entwicklungspolitischer Sicht ein (Germanwatch 1999). Und das Bundeswirtschaftsministerium beauftragte ein Forschungsinstitut mit der Analyse der möglichen ökologischen Auswirkungen einer neuen Handelsrunde. Auch nach Seattle gibt es unregelmäßige Treffen zwischen NRO-Vertretern und Ministerialbeamten, um die aktuellen handelspolitischen Entwicklungen zu diskutieren.

Die EU gab eine Studie in Auftrag, die ein methodisches Konzept für die Überprüfung der Nachhaltigkeit der Handelsrunde erarbeiten sollte, deren dritte Phase mit der empirischen Überprüfung Ende des Jahres 2000 beginnen soll. Außerdem rief sie im November 1998 einen permanenten Dialog mit Vertretern der ,,Zivilgesellschaft" ins Leben, bei dem sich regelmäßig einmal monatlich Vertreter der Kommission mit NRO-Vertretern und anderen gesellschaftlichen Akteuren zu den Themen Gesundheit, Dienstleistungen, Landwirtschaft und Umwelt sowie Nachhaltige Entwicklung austauschen (Europäische Kommission 2000).

Trotz dieser vermeintlichen Öffnung der handelspolitischen Akteure für Anliegen gesellschaftlicher Gruppen sind die tatsächlichen politischen Gestaltungsmöglichkeiten dieser Gruppen immer noch als relativ gering einzuschätzen. Daran haben auch die Proteste in Seattle nichts geändert. Vielmehr muß man konstatieren, daß trotz der Diskussionen und neu eingerichteter Foren zum Informationsaustausch nicht erkennbar ist, ob und inwieweit die Handelspolitiker die Bedenken der NRO in ihre Verhandlungspakete aufnehmen. Vielmehr hat es den Anschein, daß sie diese Veranstaltungen hauptsächlich dazu nutzen, die Argumente der NRO kennenzulernen, um ihre handelspolitischen Interessen mittelfristig gegen deren Einwände abzusichern.

Angesichts des geringen Informationsflusses über die laufenden WTO-Verhandlungen kann man den Eindruck gewinnen, daß die Proteste in Seattle statt einer Öffnung der WTO und einer möglichen Reform zunächst einmal das Gegenteil bewirkt haben. Im Frühjahr 2000 begannen die ohnehin vorgesehenen Verhandlungen im Agrar- und Dienstleistungsbereich, ohne daß sich die Informationspolitik der WTO (bzw. ihrer Mitgliedstaaten) entscheidend geändert hätte. Die Regierungen stellen diesen Verhandlungsprozeß als völlig normalen Vorgang dar und bemühen sich, von den tatsächlichen Vorgängen und Konflikten nicht viel nach außen dringen zu lassen, um den NRO keinen Ansatzpunkt für Kritik zu bieten (vgl. Bridges 2000). Gesellschaftliche Gruppen und NRO sind deshalb bemüht, das Momentum und den öffentlichen Protest, den Seattle erzeugte, zu erhalten (vgl. Barlow/Clarke 2000). Gerade die NRO aus Industrieländern verweisen auf nationaler und internationaler Ebene darauf, daß Handelsabkommen ohne die angemessene Berücksichtigung und Integration sozialer und ökologischer Aspekte in Zukunft politisch nicht mehr durchsetzbar sind. Und gemessen an der Anzahl der Diskussionsrunden und Konferenzen zum Thema, scheint das Interesse am Austausch von Information und Argumenten zwischen politischen und gesellschaftlichen Akteuren tatsächlich gewachsen zu sein. Aber dies reicht sicherlich nicht aus, um das berechtigte Interesse der WTO-Kritiker an mehr Transparenz und Partizipation umzusetzen. Deshalb streben die NRO nun verstärkt die Bildung transnationaler Allianzen und Netzwerke an. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Interessen ist der Aufbau effektiver Netzwerke jedoch ungleich schwieriger als beispielsweise für die im Klimaschutz aktiven NRO.

Vieles spricht demnach dafür, daß Seattle tatsächlich eine tiefe Zäsur für die WTO bedeutet, weil grundlegende institutionell-organisatorische und strukturelle Probleme hervortraten, die institutionelle und inhaltliche Reformen unumgänglich erscheinen lassen.

Die Intransparenz der Verhandlungen, unter der die Mehrheit der Teilnehmer litt, ist ein anschauliches Beispiel für die institutionellen Probleme der WTO. Die für den kurzen Verhandlungszeitraum viel zu umfangreiche Agenda verstärkte das Mißtrauen der meisten Delegierten gegenüber den vier wichtigsten Mitgliedern USA, Japan, EU und Kanada, die das bestehende Verhandlungssystem mehr als andere zu ihrem eigenen Vorteil nutzen konnten. Andererseits zeigen die Forderungen des EU-Verhandlungsführers Lamy in bezug auf einen neuen institutionellen Rahmen, daß auch die Wortführer Schwierigkeiten mit diesem Verhandlungssystem haben.

Die strukturellen Probleme beziehen sich dagegen auf den Inhalt der zu regelnden Fragestellungen. Da Handelsregeln beispielsweise für Investitionen, Wettbewerbsrecht, Umweltschutz, aber auch für klassischen Themen wie Subventionsabbau häufig tiefgreifende innerstaatliche Auswirkungen haben bzw. die Reform innerstaatlicher politischer und gesellschaftlicher Handlungsabläufe und Beziehungen notwendig machen, ist die Konsensfindung bei diesen Themen enorm schwierig. Von daher ist für einen Verhandlungserfolg nicht nur eine bessere Vorbereitung und frühzeitige Abstimmung nötig, sondern auch eine grundsätzliche Auseinandersetzung darüber, welche Bereiche und Sektoren innerhalb der WTO und welche in anderen internationalen Foren geregelt werden sollen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Festlegung der zuständigen Streitschlichtungsverfahren sowie, welche Institution letztlich die Zulässigkeit von Handelsbeschränkungen bewertet. Dies ist notwendig, weil momentan die WTO als einzige Organisation über ein verbindliches Streitschlichtungsverfahren verfügt und die bisher fehlende abschließende Regelung der Zuständigkeit die Durchsetzungsfähigkeit anderer Institutionen untergraben könnte. Werden die strittigen Fragen der Zulässigkeit von Handelsbeschränkungen dann nach dem üblichen WTO-Muster entschieden, bleibt kaum Flexibilität für präventive Beschränkungen des Handels aufgrund wissenschaftlicher Unsicherheit über die Auswirkungen bestimmter Produkte.

Eine grundlegende Reform der WTO scheint unumgänglich, momentan ist sie aber politisch noch nicht durchsetzbar, da der Problemdruck für die Handelspolitiker immer noch nicht hoch genug ist. Sie scheinen überzeugt, daß sie die gegenwärtigen Konflikte in der internationalen Handelspolitik ohne die Beteiligung gesellschaftlicher Akteure lösen können, obwohl die tiefgreifenden Meinungsunterschiede vor allem zwischen Nord und Süd unmittelbar mit den sozialen und ökologischen Implikationen einer weiteren Liberalisierung des Handels zusammenhängen. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis neue Konflikte über den Marktzugang von Entwicklungsländern in Industrieländern oder auch nationale und kulturell bedingte Ansichten über die Unbedenklichkeit bzw. das Gefahrenpotential gentechnisch manipulierter Produkte und eines globalen liberalisierten Investitionsregimes soziale Konflikte heraufbeschwören, die nicht mehr mit den bestehenden handelspolitischen Regeln und ohne die Beteiligung der Betroffenen gelöst werden können.

Ausblick

Die zukünftige Entwicklung der WTO hängt maßgeblich von der Fähigkeit ihrer Mitglieder ab, die tiefgreifenden Verteilungskonflikte zu lösen. Dies beinhaltet auch, daß man einerseits die Entwicklungsländer in die Lage versetzt, stärker vom internationalen Handel zu profitieren; andererseits müssen die Bedenken gesellschaftlicher Akteure berücksichtigt werden, weil sich Handelspolitik immer mehr auf den Alltag von Berufstätigen, von Verbraucherinnen und Verbrauchern auswirkt. Die Diskussion über die Zulässigkeit von Handelsrestriktionen und transparenten Verfahren zur Feststellung berechtigter Handelsbeschränkungen steht deshalb erst am Anfang. Die NRO und andere gesellschaftliche Akteure können in dieser Diskussion einen wertvollen Beitrag leisten, indem sie Handelspolitikern deutlich machen, daß durch reine Deregulierung soziale und ökologische Kosten entstehen können, die sich mittelfristig auch ökonomisch negativ auswirken. Mit Blick auf die eingangs aufgestellte Hypothese läßt sich einerseits feststellen, daß die Proteste und der durch NRO erzeugte politische Druck im Vorfeld von Seattle durchaus politische Reaktionen auslösten. Regierungen verfolgten eine etwas offenere Informationspolitik und suchten den Dialog mit den NRO. Dieser Meinungsaustausch wird größtenteils auch nach Seattle fortgeführt, weil den politischen Entscheidungsträgern in der WTO und auf nationaler Ebene inzwischen bewußt ist, daß sich eine weitere Liberalisierungsrunde ohne die generelle Zustimmung der Öffentlichkeit politisch nicht durchsetzen läßt. Das WTO-Sekretariat hat eine übersichtliche und informative Web-Seite eingerichtet und bietet den NRO dort eine eigene Plattform für ihre Statements und Reformvorschläge. Und WTO-Vertreter stellen sich regelmäßig den Fragen von und der Diskussion mit NRO.

Andererseits wurde in Seattle auch deutlich, daß die Verhandlungen nicht aufgrund der Proteste gescheitert sind, sondern vielmehr WTO-interne Probleme zu ihrem Abbruch führten. Wie wenig sich der NRO-Protest und die Forderung nach mehr Transparenz und Partizipation bisher bei den Handelspolitikern niedergeschlagen hat, sieht man nicht zuletzt an den im Jahr 2000 begonnenen Liberalisierungsverhandlungen im Agrar- und Dienstleistungsbereich. Diese finden wie eh und je hinter verschlossenen Türen statt, und für Außenstehende ist es kaum möglich, etwas über den aktuellen Stand der Gespräche zu erfahren. Die nach Seattle fortgeführten Dialoge sind meistens sehr einseitige Veranstaltungen, die den Verdacht aufdrängen, die Regierungsvertreter würden sich die Bedenken gesellschaftlicher Gruppen, die nicht aus dem Unternehmensbereich kommen, lediglich anhören, um sich auf die Kritik und die Kampagnenschwerpunkte vorzubereiten. Konkrete Verhandlungsziele bleiben im dunkeln und die zugrunde liegenden Verhandlungsdokumente sind nicht verfügbar. Handelspolitische Entscheidungsträger sehen demnach im Mobilisierungspotential der liberalisierungskritischen NRO momentan eine Gefährdung ihrer Zielsetzungen, da sie sich weder auf einen echten Meinungsaustausch einlassen noch ihre Verhandlungsziele modifizieren. Das bedeutet für die NRO, daß sie die konkreten negativen Auswirkungen weiterer Handelsliberalisierung und auch deren ökonomische, ökologische und soziale Kosten nicht nur den politischen Entscheidungsträgern, sondern vor allem auch der breiten Öffentlichkeit deutlich machen müssen, um die Protestdynamik von Seattle zu erhalten. Obwohl Seattle nicht aufgrund der öffentlichen Ablehnung gescheitert ist, trugen die weltweiten NRO-Aktivitäten dazu bei, die interne und externe Intransparenz der WTO zu thematisieren. Auch wenn es noch zu früh ist, um von ,,Reformansätzen" zu sprechen, diskutieren die WTO-Mitglieder seit Seattle verstärkt darüber, ob die interne Struktur der Organisation und ihrer Verfahrensweisen noch den politischen Anforderungen genügt. Die Beziehung zu und Integration von gesellschaftlichen Interessengruppen spielt dabei noch eine untergeordnete Rolle. Das kann sich jedoch ändern. Dafür müssen die NRO nicht nur die laufenden WTO-Verhandlungen und deren potentielle Auswirkungen auf der nationalen Ebene im Bewußtsein der Öffentlichkeit halten, sondern gleichzeitig auch das Lobbying bei einzelnen Regierungen und den internationalen Organisationen intensivieren sowie sich untereinander stärker vernetzen. Werden sie auf allen politischen Ebenen gleichzeitig aktiv, dann werden sich die handelspolitischen Akteure mittelfristig ihren Argumenten und Lösungsvorschlägen nicht mehr verschließen können.

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Dr. Stefanie Pfahl, Verwaltungswissenschaftlerin, Ecologic - Gesellschaft für internationale und europäische Umweltforschung