Red-Net: Viel Lärm um Nichts

Die SPD mal wieder auf der Suche nach der verlorenen Jugend. Nach Youth-for-Schröder, Red Sox nunmehr Red.Net. Eine kritische Zwischenbilanz.

Party machen und in Kneipen gehen: das gab es in der SPD-Jugend schon zu Bebels Zeiten, stellt die Berliner tageszeitung lapidar zum neuen Versuch des Bundesgeschäftsführers Mathias Machnig fest, aus dem SPD-Nachwuchs eine Spaß- und Wahlkampfrobotertruppe zu machen. Aber: red-net bietet nur Altbekanntes. Und: red-net löst nicht die Probleme der SPD mit der Jugend, ja nicht einmal mit dem schwindenden Nachwuchs.

1. Weniger Arbeit - mehr Karriere

Red-net ist wohl wieder der Versuch einer Reihe junger GenossInnen, ihre Karrieren ,,modern", d.h. unter Vermeidung von Arbeit, zu organisieren. Mit bunten Autos rumfahren, durch Discos und Kneipen tingeln und dafür auch noch von Parteigrößen hofiert werden: so stellen sich diese GenossInnen Parteiarbeit vor. Da fragt sich, wer in Zukunft noch die eigentliche - im schlimmsten Fall gar ehrenamtliche ! - Parteiarbeit machen soll? Es gibt kein politisches Gebiet, auf dem Sozialdemokraten ohne Bildungsarbeit an sich selbst neue, zeitgemäße politische Konzeptionen hervorzaubern können. Das gilt selbst für die Neue-Mitte-Politik! Regierungspolitik, sei es auf Bundes-, Landes- oder Bezirksebene, löst sich nicht in bunten Faltblättern und give-aways auf. Gerade die SPD läuft mit dem Slogan durchs Land, dass Bildung das entscheidende ,,Kapital" der Zukunft sei. Das heisst zwangsläufig, dass auch der Nachwuchs in der Partei geschult werden muss. Das ist natürlich für beide Seiten anstrengend, da muss man dann tatsächlich mal arbeiten, büffeln und sich mit anderen über drängende politische Fragen auseinandersetzen - und das dann auch noch den BürgerInnen zu vermitteln, ist für manche wohl zuvielverlangt. Stattdessen treibt man sich lieber auf von der Partei gesponsorten Treffen in Berlin herum und diskutiert Themen, bei denen jeder auch ohne jegliche Vorbildung ohne weiteres mithalten kann: wie bunt muss welches Flugblatt sein und wie hoch der Schoko-Anteil eines lustigen Give-aways.

Für die Partei wird es bald ein böses Erwachen geben: zwar züchtet man so einen linientreuen Nachwuchs (weil: abweichende Meinungen sind oftmals die Folge intellektueller Arbeit - und die soll ja gerade vermieden werden), aber woher kommt das qualifizierte Personal, dass all die öffentlichen Ämter, die die SPD noch hält, übernehmen kann? Schon heute mangelt es nicht an Nachwuchssozis, die jeden Posten wollen, aber ihn gar nicht ausfüllen können. Jung sein alleine reicht bekanntlich nicht!

2. Verheerende Bilanz der Weg-von-den-Jusos-Bewegungen der 90er

Die Jusos werden schon seit über 10 Jahren von ihren rechten, angeblich ,,ideologiefreien" Alterskollegen angegriffen. Diese haben sich immer wieder mit Hilfe unterschiedlichster Parteigliederungen Freiräume jenseits der Jusos aber auch innerhalb der Jusos erkämpft, um ihre Idee von Politik in Reinform umzusetzen. Daher kann man hier auch eine vorläufige Bilanz ziehen - und die ist nicht schmeichelhaft: es gibt nicht ein einziges Projekt, das sich dauerhaft hat etablieren können, der Gewinn an aktiven Parteimitgliedern liegt im nicht nachweisbaren Bereich und die treibenden Kräfte sind auch nicht jünger als die durchschnittlichen Juso-Aktiven.

a) Youth for Schröder: welche Menge an Geldmitteln in dieses Bundestagswahlkampfprojekt geflossen ist, lässt sich nur schätzen - jedenfalls können die Jusos davon gemeinhin nur träumen. Das Ergebnis war u.a. eine gut besuchte ,,Gerhard Schröder spricht"-Veranstaltung in einem riesigen Kinosaal. Dann passierte lange nichts. Die Wiederauflage zur Europawahl war ein reichlich ausgezehrter kraftloser Abklatsch, von dem kaum noch jemand Notiz genommen hat. Das Projekt ist derzeit faktisch tot und eine ehrliche Auswertung liegt nicht vor - auch das ist typisch: rechtfertigen müssen sich nur die offiziellen Juso-Strukturen.

b) Sozialdemokratischer SchülerInnenbund Hamburg (SSB/H): der SSB/H wurde vor ca. 10 Jahren von denselben jungen Sozialdemokraten übernommen, die heute red-net propagieren. Hier hatten sie 10 Jahre Zeit eine etablierte SchülerInnenorganisation nach ihrem Geschmack umzubauen und einzusetzen. Das Ergebnis ist desaströs: kaum ein Hamburger Schüler kennt diese Organisation, selbst der größere Anteil der SPD-Funktionäre hat davon noch nicht gehört oder könnte sagen, wer und wieviele dort aktiv sind. Das einzige Projekt, dass gelegentlich nach Eigenangaben noch vom SSB/H kommt, ist die Präsentation der Computersimulation Ökolopoly an der einen oder anderen Schule. Im übrigen wird in Wahlkampfzeiten immer wieder versucht, Schulen Diskussionsrunden mit jungen rechten Abgeordneten anzudrehen.

h) Hochschulgruppe ,,Realos jetzt" in Hamburg: Seit ca. 8 Jahren verfügen die funorientierten jungen Sozialdemokraten an der Uni Hamburg über eine eigene Hochschulgruppe. Auch hier ist das Ergebnis kein Ausweis für die Erfolgsfähigkeit des jenseits-der-Jusos-Ansatzes. Abgesehen davon, dass diese Gruppierung es in diesem Jahr nicht einmal mehr geschafft hat, zu den Konzilswahlen auch nur anzutreten, bleibt festzuhalten: da die Mitglieder dieser Gruppe stets mit ihrer Parteizugehörigkeit warben, konnten sie immer mehrere Prozent der Stimmen (stets weniger als die Juso-Hochschulgruppe) auf sich ziehen und haben es sogar in eine Anti-Links-Koalition zur Bildung des derzeitigen AStA geschafft. Aber es gibt keinerlei wahrnehmbare Aktivitäten der Gruppe jenseits des StuPa-Wahlkampfes oder gar eine Ausdehnung auf andere Hochschulen in Hamburg, wogegen die Jusos immerhin noch an zwei weiteren vertreten sind.

d) Red-Sox-Team: in Köln agierte im Landtags- und Bürgermeisterwahlkampf eine spaßorientierte Truppe junger Sozialdemokraten unter dem etwas abgestandenen Titel ,,red sox" als Vorhut zur Anspornung von Jungwählern mit genau dem Konzept, dass red-net jetzt bundesweit umsetzen will. Bloß keine Bildung oder politische Aufklärung aber viele bunte Give-aways (obwohl das Verteilen von bunten Flugblättern und das Tragen von ,,Red-Sox-T-Shirts" inzwischen auch schon an Altbackenheit nicht mehr zu überbeiten sind) unters junge Volk bringen. Dazu konnte der Spiegel auch nur noch feststellen, dass die Partys ausgesprochen gut besucht waren, aber der Bürgermeister von Köln offensichtlich dennoch nicht von der SPD gestellt wird!

Fazit: die SPD wird auch weiterhin nicht an den ungeliebten Jusos vorbeikommen, weil sie derzeit nur noch dort gelegentlich eigenständig denkenden und handelnden Nachwuchs findet. Dennoch hat der Juso-Verband unübersehbare Probleme. Er ist aber auch reformfähig und -willig. Hierbei könnten die Jusos eher Hilfe als offene Feindseligkeit des Bundesgeschäftsführers brauchen. Denn schließlich ist es doch frech, dass die SPD die Jusos jahrzehntelang von Einfluss und Macht ferngehalten hat und jetzt, da der Nachwuchs wegbleibt, den Jusos die Schuld zuschiebt. Die Partei wird auch vor ihrer eigenen Haustür kehren müssen.

Sie hat in einigen Bundesländern allerdings schon hinzugelernt. In Berlin wurde ein Jugendprojekt der SPD ("ALEX") lieber gleich auf professionell arbeitende, bezahlte Kräfte statt auf parteieigene Karrieristen gestützt, und nach einiger Zeit schließlich gemeinsam mit den Jusos vor Ort betrieben. Die derzeit laufende Übernahme dieses erfolgreichen Projektes nach Hamburg wird von vornherein unter Einbeziehung der Jusos geplant.

Gernot Wolter ist Mitglied des SPD-Landesvorstands Hamburg