Der Bahn-Crash

Mitten im Börsengang der Gelben Post platzt die Nachricht vom Milliardenloch der Deutschen Bahn. Während die Entflechtung und Privatisierung von Post, Postbank und Telekom als Erfolgsgeschichte gefe

1994 wurde die Bahn von einem überschuldeten Staatsbetrieb in eine schuldenfreie Aktiengesellschaft überführt. Neben der Entschuldung wurden die Belastungen aus Pensionen auf das in staatlicher Regie verbleibende Eisenbahnvermögen übertragen. Zudem sollte das neue Unternehmen bis zur Börsenkapitalisierung 10 Mrd. DM Investitionszuschüsse jährlich und weitere Zuschüsse als Defizitausgleich für den Regionalverkehr erhalten. Die Bahn schrieb von 1994-99 auch schwarze Zahlen, nicht zuletzt wegen eines rapiden Abbaus der Belegschaft um rund 130.000 auf heute ca. 230.000 Beschäftigte. Nur ein Jahr später wird die finanzielle Katastrophe verkündet: auf bis zu 30 Mrd. DM werden die aufgelaufenen Defizite geschätzt.

Die Krisenreaktion besteht aus Althergebrachtem. Bahnchef Mehdorn will die Personalkosten weiter reduzieren, zum einen durch weitere Stellenvernichtung (ca. 70.000), zum anderen durch ein aufgefächertes Tarifsystem, d.h. mit Lohnspreizung und Lohnabsenkung. Gleichzeitig soll die Politik der Streckenstilllegung und des Ausverkaufs verstärkt werden.

Das "Zukunftsinvestitionsprogramm" für die Bahn, finanziert aus den durch die UMTS-Erlöse realisierten Zinsersparnissen, hat sich als Luftbuchung erwiesen. Von den in Aussicht gestellten sechseinhalb Milliarden gehen 1,5 Milliarden drauf für die Finanzierung der bei der Bahn noch beschäftigten Beamten, für die eigentlich die Bundesregierung zuständig sein sollte. Der Rest der Investitionssumme deckt noch nicht einmal die Zusatzkosten, die für zwei ICE-Strecken und für das Berliner Hauptstadt-Bahnnetz fällig werden. Für dringend notwendige Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen bleibt nichts übrig - Vorrang hat die Schiene auch bei den rotgrünen Signalstellern nicht.

Selbstverständlich tragen die früheren Manager einen Teil der Schuld an dieser Entwicklung. Fakt ist zweifellos, dass zuviel Investitionen in Neubaustrecken gestreckt wurde, während für den Erhalt des bestehenden Stre-ckennetzes und das rollende Material zu wenig Ressourcen übrig blieben. Die unterbliebene Erneuerung des fixen Kapitals und die Ausdünnung der Belegschaft haben zudem die Service-Qualität verschlechtert, so dass von einem attraktiven, wettbewerbsfähigen Verkehrssystem Schiene keine Rede sein kann. Die rot-grüne Regierung schätzt, dass der Anteil der Schiene am Güterverkehr von zur Zeit ca. 20% bis zum Jahr 2015 auf 16% zurückfallen wird. Würde jedoch das Invstitionsvolumen aufgestockt und zugleich der Straßenverkehr verteuert, könnte die Bahn einen Anteil von 25% am Güterverkehr bewältigen. Die geplante Stilllegung oder Ausgliederung von regionalen Schienennetzen und die Konzentration auf ertragreiche Fernverkehrstraßen wird den Niedergang der Bahn hingegen nicht aufhalten.

Nach der Atom- und Energiepolitik, dem Fiasko mit der Müllvermeidung und Müllentsorgung (Duales System) steht nun die rot-grüne Koalition erneut vor einem Scherbenhaufen. Zusätzliche Bundesmittel für das Milliardenloch bei der Bahn kommen für die grünen Haushaltspolitiker nicht in Frage. Eine Schrumpfbahn wird aber auf mittlere Sicht auch nicht ohne öffentliche Zuschüsse auskommen. Die Modernisierung der Bahn und des öffentlichen Personenverkehrs aufzugeben, gleichzeitig aber die Autofahrer durch Ökosteuern und Abgaben für Straßenbenutzung stärker zu belasten, ist keine zukunftsfähige Verkehrskonzeption. Die Idee, den Großteil des öffentlichen Sektors zu privatisieren und der Sphäre der Kapitalverwertung zu übertragen, erweist sich mehr und mehr als miserable Utopie. Ein modernes Verkehrssystem kommt ohne öffentliche Verkehrsmittel und entsprechende Zuschüsse nicht aus. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob die rot-grünen Koalitionsparteien den politischen Nerv für eine Neubestimmung des Verhältnisses von Unternehmensbereich und öffentlichem Sektor haben.